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Corona-Hinweise aufs Smartphone: Keine Tracking-Apps in Deutschland


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Corona-Hinweise aufs Smartphone
Deutschland macht beim Handy-Alarm für alle nicht mit


Aktualisiert am 29.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Coronawarnung für alle: Deutschland lehnt bisher ein Warnsystem ab, das Nachrichten an alle Nutzer in Funkzellen schickt.Vergrößern des Bildes
Coronawarnung für alle: Deutschland lehnt bisher ein Warnsystem ab, das Nachrichten an alle Nutzer in Funkzellen schickt. (Quelle: reuters)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und das Robert Koch-Institut denken über Tracking-Apps nach, um potenziell Infizierte zu finden. Bei einem viel simpleren Angebot blockiert Deutschland: Andere Länder schicken Warnhinweise auf alle Handys.

Zahlreiche Länder haben im Zuge der Corona-Krise Benachrichtigungen auf Handys ihrer Bürger geschickt. Auf dem Startbildschirm des Smartphones kam der Hinweis, wie sich zu verhalten ist. Die Technik dahinter heißt Cell-Broadcasting-Service. Politiker von Grünen und FDP fordern diese Bürgerwarnung auch in Deutschland. Doch das Ganze ist nicht so einfach.

Bundesamt: Wir erweitern Warn-App NINA

Wer beim Bundesamt für Katastrophenschutz nachfragt, bekommt als Antwort zunächst eine Erfolgsmeldung für die Warn-App NINA genannt: In dieser Woche wurden drei Millionen Euro vom Bundestag bewilligt, die das Amt in NINA stecken kann. Warnhinweise bekommt, wer die App auf seinem Handy installiert hat. Die seit 2015 angebotene App werde in den nächsten Wochen für eine Nutzung von 40 Millionen Nutzern ausgelegt.

Mit dem Ausbau sieht das Amt sich "sehr gut aufgestellt", sagt Christoph Unger, Präsident des Bundesamts für Katastrophenschutz, zu t-online.de. Damit gebe es "eine umfassende und schnelle Möglichkeit, die Menschen in Deutschland unmittelbar zum Corona-Geschehen zu informieren."

Das sieht Malte Spitz, Mtglied im Partei der Grünen, anders: "Der App-basierte Ansatz schafft nicht die notwendige Reichweite, vor allem in der Breite der Bevölkerung." Spitz befasst sich mit Mobilfunksystemen seit über einem Jahrzehnt und erregte bundesweit Aufsehen, als er seine Mobilfunkdaten aus der Vorratsdatenspeicherung einklagte und das Ausmaß öffentlich machte.

Alarm für Alle verwirrte manche Nutzer

Cell Broadcast lobt er als datenschutzfreundlich, da dazu keine Daten weitergegeben werden müssen. Die Bundesregierung müsse dafür aktiv werden: "Insbesondere die konkreten Maßnahmen und Verhaltenstipps zur Eindämmung der Pandemie sollten transparent und breitestmöglich kommuniziert werden."

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Dazu erhielten in diversen Ländern alle Bürger in den vergangenen Tagen einen Alarm von ihrer Regierung, ohne dass sie eine App brauchten. Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Polen alle warnten auf diesem Weg.

Meist war es die Premiere und löste auch Zweifel und Verwunderung bei manchen Nutzern aus. Vereinzelt gab es in sozialen Netzwerken auch Kritik an "staatlichem Zwangs-Spam". In den USA nutzen auch Kommunen das Instrument. Weil sich alle Geräte in einer Funkzelle benachrichtigen lassen, sind auch lokal begrenzte Warnungen möglich.

Kein Gesetz, das Anbieter verpflichtet

Cell Broadcast ist als Übertragungsverfahren sowohl im aktuellen als auch im kommenden 5G-Mobilfunkstandard enthalten. In Deutschland bieten es Telekommunikationsunternehmen jedoch nicht an und die Betriebssysteme der Handys bräuchten vielfach Updates.

Die Bundesnetzagentur erklärt auf Anfrage, dass es in Deutschland keine rechtliche Grundlage gibt, Telekommunikationsanbieter zur Versendung von Warnungen zu verpflichten. Das müsse im Telekommunikationsrecht verankert werden. Nach Informationen von t-online.de entspricht das aber nicht der Philosophie im Wirtschaftsministerium.

Vor allem auf deutschen Druck ist demnach auch eine Ausnahmeregelung in eine europäische Richtlinie für ein öffentliches Warnsystem aufgenommen worden. Bis zum 21. Juni 2022 sollen die Mitgliedsstaaten demnach dafür sorgen, dass "Anbieter von mobilen nummerngebundenen interpersonellen Kommunikationsdiensten" öffentliche Warnungen an die Endnutzer übermitteln. Das zielt vor allem auf Cell Broadcast. Einfache SMS an alle Mobiltelefone würden das Netz stärker belasten und könnten zu merklich verzögerten Zustellungen führen.

Deutschland sieht in eigenem System Alternative

Staaten können aber festlegen, dass ihr alternatives Warnsystem genauso effektiv ist. Deutschland sieht bisher in seinem Mix an Warnkanälen von App, Durchsagen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Sirenen eine solche Alternative. Spitz hofft, "dass die aktuelle Situation zum Umdenken beim BBK und BMI führt und man doch ein Cell-Broadcast-System einführt und bis auf Ebene der Kreise runterbricht."

In dieser Woche hat sich auch die FDP dafür ausgesprochen: Deren Bundestagsfraktion fordert in einem Beschluss aus dieser Woche ein "Warnsystem auf Basis lokaler SMS oder Cell Broadcasting", wie zuerst das Handelsblatt meldete.

Das Bundesgesundheitsministerium hat unterdessen auf Twitter einen für viele Nutzer verblüffenden Weg gefunden: Infos per Herzchen. Registrierte Nutzer müssen einen Tweet liken und erhalten ab diesem Moment wichtige Informationen des Ministeriums als Push-Nachricht. Die Zahl von fast 50.000 Likes dürfte den Tweet zur erfolgreichsten Kurznachricht eines deutschen Ministeriums machen.

Singapur verschickt Nachricht bei Kontakt mit Coronafall

Wie weit die Möglichkeiten der Smartphone-Technik noch gehen können, demonstriert Singapur. Die staatliche Corona-Tracking-App TraceTogether misst den Abstand zwischen Personen mithilfe von Bluetooth und speichert ihn auf dem Smartphone. Nach einer Erkrankung kann diese Kontaktsammlung an die Behörden weitergegeben werden. Dann können alle weiteren Nutzer der App eine Nachricht erhalten, die in den vergangenen 21 Tagen dem Erkrankten nahegekommen sind. 620.000 Menschen installierten sich die App in drei Tagen, der Programm-Code ist offen, damit auch andere Länder die App einsetzen können.

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In Deutschland gibt es neben Datenschutzbedenken beim Modell aus Singapur vor allem Skepsis, wie sichergestellt wird, dass tatsächlich nur positiv getestete Personen den Prozess auslösen.

Ein digitales Tagebuch haben aber auch Gesundheitsminister Jens Spahn und das Robert Koch-Institut ins Gespräch gebracht: Beim RKI arbeiten Entwickler an einem "Kontakte-Nachverfolgungs-Vorhaben", wie RKI-Chef Jürgen Wieler in einer Pressekonferenz erklärte. Dabei geht es offenbar um GPS-Standortdaten, nicht um Bluetooth-Informationen. Solche Informationen können aber auch sehr grob sein und viele falsche Treffer liefern.

In einem Entwurf des Infektionsschutzgesetzes war die Möglichkeit vorgesehen, bestimmte Handy-Standortdaten zur Bekämpfung des Coronavirus einzusetzen. Das wurde jedoch wieder gestrichen, Spahn sprach von einem "massiven Grundrechtseingriff", ein solches Vorhaben müsse "länger diskutiert" werden, sagte Spahn. Er hält solche Schritte aber für nötig – "zeitlich auf den absoluten Krisenfall einer internationalen Pandemie begrenzt und nur unter strikten Bedingungen." Der "Zeit" sagte er: "Wer nach Wegen sucht, wie man aus all den aktuell notwendigen Einschränkungen der Freiheit wieder herausfindet, der kommt um die digitale Nachverfolgung von Kontakten, also um das Handy-Tracking, nicht herum."

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