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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wovor haben Sie Angst, Lea van Acken? "Auf dem Land fühlte ich mich sicher"
Als Schauspielerin muss Lea van Acken Angst als Gefühl abrufen können. Ob ihr das im Alltag hilft und wovor sie sich als Kind gefürchtet hat, verrät sie im Interview.
Es herrscht Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, der Klimawandel sitzt uns im Nacken und im Internet lesen wir Nachrichten voller Hass, Häme und Diskriminierung. Das alles schürt Angst. Prominente Persönlichkeiten beantworten in der Serie "Wovor haben Sie Angst, …?" die Frage nach dem furchtbarsten aller Gefühle, suchen Ursachen und Wege, mit ihm umzugehen.
Die Schauspielerin hat Angst auf unterschiedliche Weise kennen und schätzen gelernt. Und sie verrät, wovor sie als Kind, so schnell sie nur konnte, weggerannt ist.
Lea van Acken, Schauspielerin
"Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Bei uns im Haus war die Küche im Erdgeschoss, hinten in der Ecke. Mein Kinderzimmer befand sich oben. Manchmal bin ich nachts durstig aufgewacht und musste die Treppe herunterlaufen, um mir in der Küche ein Glas Wasser zu holen. Auf dem Weg in die Küche konnte ich das Licht anknipsen, aber wenn ich zurückging, musste ich das Licht auch wieder ausschalten. Dann war die Küche hinter mir dunkel. Ich stellte mir manchmal vor, dass eine Hexe unter der Treppe sitzt und mich, wenn ich die Treppe das letzte Stück zu meinem Zimmer hochlaufe, an den Beinen wieder herunterzieht.
Aus Angst bin ich die Treppe mit klopfendem Herzen hochgerannt. Irgendwann habe ich mir schon abends ein Glas neben das Bett gestellt, weil ich mich so vor der Lichtsituation nachts fürchtete. Mittlerweile kann ich mit Dunkelheit umgehen, aber die Vorstellung von der Hexe unter der Treppe ist, als ich Kind war, lange in meinem Kopf geblieben.
Dann werden Dinge plötzlich bedrohlich
Durch meinen Beruf als Schauspielerin habe ich Angst später anders kennengelernt, weil ich sie spielen und sie abrufen können muss. Viele Charakter-Momente sind von der Angst getrieben – wenn etwa der Partner im Film durchdreht, weil er Angst hat, eine Freundin zu verlieren. Dann schaue ich mir Angst als Prozess an und beobachte ihn auch an mir selbst. Es hilft mir, im Schauspiel und im Privaten, mit der Angst umzugehen, sie zu nutzen oder zu akzeptieren.
Trotzdem ist sie ein komplizierter Prozess. Manchmal habe ich irrationale Ängste und manchmal hat Angst mit Hormonen zu tun. Wenn mein Blutzuckerspiegel absinkt, kommen Ängste manchmal willkürlich, dann werden Dinge plötzlich bedrohlich. Mein Körper will mich schützen und reagiert deshalb mit Angst. Dann ist Angst ein physischer Prozess und etwas Gutes. Ich versuche, meine Angst wie eine Freundin zu behandeln.
Zur Person
Lea van Acken, geboren 1999, wuchs in Schleswig-Holstein auf dem Land auf. Bekannt wurde sie 2015 durch ihre Rolle als Anne Frank im Film "Das Tagebuch der Anne Frank", für die sie 2016 mit dem "Bunte - New Face Award" und 2017 mit dem "Bayrischen Filmpreis" ausgezeichnet wurde. Sie war außerdem bereits im "Tatort", in "Tod den Lebenden" und in der Serie "Sløborn" zu sehen. In "German Genius spielte sie sich selbst und im Doku-Spielfilm "Hitlerputsch 1923 - Das Tagebuch der Paula Schlier" besetzte sie die Hauptrolle.
Vor Kurzem habe ich den Film 'Defending your Life' gesehen, von 1991 mit Meryl Streep. Darin geht es darum, dass man nach dem Tod in einen Zwischenraum kommt. Dort wird das Leben und Handeln von Menschen bewertet und entschieden, was mit der Seele passiert. Wenn man es nicht geschafft hat, die eigene Angst zu besiegen, muss man zurück auf die Welt. Die Menschen, die weiterkommen, sind echte Hyper-Menschen: Sie haben die Angst durchschaut.
Angst ist wie eine Welle
Meine Eltern haben mir früher das Kinderbuch 'Leila Schwein ruft Nein' vorgelesen. Das kleine Schwein läuft darin durch die Gegend, der Wolf will es in sein Haus locken. Das Schwein ruft laut 'Nein!' Damit habe ich als Kind schon trainiert, wie ich mit meiner Angst umgehe und was in Situationen zu tun ist, die wirklich gefährlich sind. Bisher hatte ich großes Glück, dass mir solche Dinge nicht passiert sind. Weil ich auf dem Land aufgewachsen bin, hatte ich lange wenig mit den Gefahren der Stadt zu tun. Auf dem Land fühlte ich mich immer sicher. Als ich nach Berlin zog und anfangs allein unterwegs war, habe ich abends beim Nachhausegehen oft jemanden anrufen.
Wenn die Angst unmittelbar an etwas gebunden ist, bedanke ich mich bei ihr dafür, dass sie mir hilft und mich darauf hinweist, dass ich in einem Moment der Gefahr rennen sollte. Wenn sie grundlos kommt, versuche ich erst mal, durchzuatmen und liebevoll mit der Angst zu sprechen: 'Du bist gerade zwar da, du ergibst aber nicht so richtig Sinn. Lass uns herausfinden, was hier eigentlich los ist.' Das funktioniert mal besser, manchmal weniger. Angst ist wie eine Welle. Sie kommt von weit weg angespült, bis sie ihren Höhepunkt erreicht, wieder abnimmt und im Sand versickert."
- Gespräch zwischen Lea van Acken und t-online
- Eigene Recherche