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WM 2022 | Viertelfinal-Sensation: Kroatien darf nie abgeschrieben werden


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Kroatiens Sensationssieg
Ganz ohne Blattgold


Aktualisiert am 09.12.2022Lesedauer: 3 Min.
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Abwehrroutinier Dejan Lovren (Mitte) bejubelt den Halbfinaleinzug: Nach 1998 und 2018 steht Kroatien zum bereits dritten Mal unter den besten vier Teams der Welt. (Quelle: IMAGO/Laci Perenyi)
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Kroatien steht zum zweiten Mal in Folge im Halbfinale der Fußball-WM. Das Team vom Balkan hat mit dem Titelfavoriten auch den nächsten Gegner in die Verzweiflung getrieben.

1998, 2018, 2022. Kroatien hat es erneut in die Runde der letzten vier Mannschaften bei der Fußball-Weltmeisterschaft geschafft. Im Viertelfinale gegen den fünfmaligen Titelträger Brasilien trieben es die Spieler um Ex-Weltfußballer Luka Modric wieder einmal auf den Spannungsklimax und siegten erst nach Elfmeterschießen. 5:3 hieß am Ende das hochoffizielle Endergebnis des Duells im Education-City-Stadion von Doha.

Nach Japan im Achtelfinale von Katar und den Duellen gegen Gastgeber Russland (Viertelfinale) und Dänemark (Achtelfinale) 2018 setzte sich Kroatien auch im vierten WM-Elfmeterkrimi in vier Jahren durch. Und wie auch gegen die Deutschlandbesieger aus Asien konnten die "Vatreni" (die Feurigen, Anm.) auf ihren Schlussmann Dominik Livakovic zählen.

Der 27-Jährige vom kroatischen Serienmeister Dinamo Zagreb parierte direkt den ersten Elfmeter Brasiliens durch Rodrygo und schloss damit nahtlos an seine historische Leistung gegen Japan an. Da wehrte der für einen Torhüter recht kleine Livakovic (1,86 m) drei Elfmeter ab – WM-Rekord. Doch schon zuvor zeigte er eine herausragende Leistung, klärte ein gutes Dutzend Schüsse auf seinen Kasten – und hielt so sein Team auch nach dem Traumtor Neymars in der 105. Minute noch im Spiel.

Kroatien grätscht sein rot-weiß-kariertes Trikot matschbraun

Dass Kroatien sich trotz Rückstands in der Verlängerung gegen die scheinbar übermächtige individuelle Klasse Brasiliens durchsetzen konnte, lag aber nicht allein an Livakovic. Es war vor allem die Zweikampfstärke und die Laufbereitschaft – die von drittklassigen Trainern und TV-Experten gerne mit dem einfältigen wie abgenutzten Begriff "gallig" erklärt wird –, die Brasilien zermürbte. Und die den Ausgleich durch Bruno Petkovic in der 117. Minute ermöglichte.

Egal, ob Chelsea-Dribbler Mateo Kovacic, Inter-Pferdelunge Mateo Brozovic, Leipzig-Abwehrboss Josko Gvardiol oder der in der Heimat spielende Vorlagengeber Mislav Orsic – sie alle liefen das Starensemble des fünffachen Weltmeisters unnachgiebig an, doppelten den Gegner, grätschten sich ihr rot-weiß-kariertes Trikot matschbraun. Sogar der 37 Jahre alte Dirigent Luka Modric, ob seines stets trabenden Auftritts auf dem Platz "El Pony" genannt, rieb sich 120 Minuten lang auf und machte der Fußballwelt damit deutlich: Unsere Mannschaft solltet ihr nie vorzeitig abschreiben.

"Dieses Team ist nicht normal", fasste Erfolgstrainer Zlatko Dalic nach der Partie bei den kroatischen TV-Kollegen von HRT das Gesehene zusammen. Es sei "der Mut, der Charakter, der Stolz, die Heimatliebe", die seine Spieler über die Schmerzgrenze trage. Das mag alles sein – und greift doch zu kurz. Denn Dalic verschweigt damit bei allem Pathos seinen eigenen Verdienst am Erfolg Kroatiens.

Der 56-Jährige übernahm 2017 eine hochveranlagte, aber uninspirierte Gruppe von Individualisten, die nicht nur einem Nationaltrainer vor ihm auf der Nase rumgetanzt hat. Der frühere Mittelfeldspieler von Hajduk Split führte ein straffes Regiment ein, in dem Kommunikation und der Gruppenerfolg ganz oben stehen, aber sein Wort nun einmal das letzte und ausschlaggebende ist. Spieler, die dennoch Sonderbehandlungen einforderten, wie etwa der frühere Frankfurter Ante Rebic, wurden gnadenlos aussortiert. Die Spieler, die sich dem Kollektiv verschrieben, durften sich wiederum Dalics unendlicher Unterstützung sicher sein – besonders gegen Presse und zu selbstsichere Gegner.

Dalic nutzt Überheblichkeit der Gegner zur Stärkung seiner Spieler

Während einzelne brasilianische Spieler sich vor dem Duell mit Kroatien mit Blattgold verzierte Steaks beim Influencer-Salzstreuer Nusr-Et gönnten und die brasilianischen Medien nur über die Höhe des Sieges mutmaßten, nutzte Dalic diese augenscheinliche Überheblichkeit für sich und redete seinem Kader immer wieder ein, dass sie Brasilien schlagen würden. Weil ihre Einstellung stimme. Weil sie füreinander rennen, grätschen, Elfmeter parieren würden.

"Wir haben es zusammen geschafft, alle haben ihren Teil beigetragen", resümierte ein sichtlich baffer Livakovic nach dem Sensationssieg gegen Brasilien eben jenes Erfolgsgeheimnis Kroatiens. "Jetzt gehen wir diesen Weg auch bis zum Schluss", fügte Hoffenheim-Stürmer Andrej Kramaric hinzu, "jetzt wollen wir den Titel auch holen." Den Willen dafür kann ihnen zumindest keiner absprechen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung der Partie Kroatien-Brasilien
  • Post-Match-Interviews bei HRT2
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