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Guardiola zittert vor der neuen Fußball-Hauptstadt Italiens


Die Geheimnisse von Neapel
Guardiola zittert vor der neuen Fußball-Hauptstadt Italiens

t-online, Valeria Meta

01.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Marek Hamsik (m.) feiert mit Dries Mertens (l.) und Lorenzo Insigne im Spiel gegen Cagliari.Vergrößern des Bildes
Marek Hamsik (m.) feiert mit Dries Mertens (l.) und Lorenzo Insigne im Spiel gegen Cagliari. (Quelle: Andrea Staccioli / Insidefoto/imago-images-bilder)

Nicht Juventus, Milan oder Inter, sondern Neapel ist die neue Hauptstadt des italienischen Fußballs! Warum Mannschaft und Trainer zu den spannendsten in Europa gehören – und sogar von Pep Guardiola brutal gefürchtet werden. Der muss am heutigen Mittwoch mit City nach Neapel.

Die Kolumne von Valeria Meta zur Champions League.

„Eines der besten Teams, denen ich während meiner ganzen Karriere begegnet bin“, so beschrieb Pep Guardiola den SSC Neapel – und das war keine Strategie. Der Katalane sagte das nämlich kurz nach dem Ende des Champions-League-Spiels zwischen Manchester City und dem Team von Maurizio Sarri. Vor zwei Wochen setzten sich die „Citizens“ im „City of Manchester Stadium“ zwar mit 2:1 durch, aber Neapel verließ das Feld trotz der Niederlage erhobenen Hauptes.

Sogar Trainer-Legenden bewundern Neapels Fußball

Jetzt ist das Rückspiel im „San Paolo“ entscheidend für den europäischen Weg der beiden Teams. Mittlerweile gilt Serie A-Spitzenreiter Neapel als Italiens Hauptstadt des schönen Fußballs: Trainer Maurizio Sarri wurde nicht nur von Guardiola gelobt, sondern auch von Experten und Kollegen aus ganz Europa. Erst vor ein paar Monaten war er der mit der meisten Spannung erwartete Gast beim Uefa-Forum der Trainer, sagte den Termin jedoch leider ab. Der Grund: Er wollte sein Team nicht vernachlässigen. Eine kleine Enttäuschung für jene Kollegen, die ihn endlich mal direkt nach seiner Arbeit fragen wollten.

Zu den Bewunderern von Neapels Angriffsfußball gehört sogar die Trainer-Legende Arrigo Sacchi. Auch die Medien haben Sarris Fußball lange und detaillierte Analysen gewidmet.

Das Sarri-System

Aber wie funktioniert eigentlich das Sarri-System? Die Grundformation ist ein 4-3-3 mit einer sehr beweglichen Angriffsreihe und zwei Außenverteidigern (Faouzi Ghoulam und Elseid Hysaj), die sich oft nach vorne einschalten.

Der Schlüssel ist aber ein gut strukturiertes Positionsspiel: Dank der klugen Aufstellung hat der Spieler im Ballbesitz jeweils zwei Passmöglichkeiten, und zwar einen kurzen und einen langen Ball. Außerdem wirkt das hoch organisierte Pressing sowohl als Mittel zur Balleroberung, als auch als Hindernis für den gegnerischen Spielaufbau.

Sarri war Bankangestellter

Als Pep Guardiola mit Cruyffs Barcelona 1992 Champions-League gewann, arbeitete Maurizio Sarri als Bankangestellter in Florenz. Der Sohn von Hüttenarbeitern hatte keine Profi-Karriere als Fußballspieler und erst 1999 widmete er sich allein dem Trainieren. „Ich habe den Trainerjob als einzigen Job gewählt, das hätte ich auch kostenlos gemacht“, gestand Sarri vor einiger Zeit.

Nach fünfzehn Jahren in der zweiten und dritten italienischen Liga gelang endlich beim Empoli FC der Durchbruch: Trotz eines Kaders ohne Stars sprang neben den guten Ergebnissen die brillante Spielweise seines Teams ins Auge. Nächste Station war dann Neapel. Dort hat sich Sarri entscheidend weiterentwickelt.

Mertens und die falsche Neun

In der ersten Saison, die Neapel auf Platz zwei beendete, stand dem Trainer noch ein typischer Mittelstürmer mit Gonzalo Higuaín zur Verfügung. Doch nach dessen Wechsel zu Juventus Turin verpflichtete der Klub den Ajax-Stürmer Arkadiusz Milik, der schon am Anfang der Saison eine schwere Knie-Verletzung erlitt. Dann fand Sarri erneut eine Lösung: Er machte den Belgier Dries Mertens zur falschen Neun und verbesserte das Spiel auf den Flügeln.

Je mehr die Mannschaft die taktischen Hinweise verinnerlichte, desto leichter sah das Spiel aus. Nun gewinnt man manchmal den Eindruck, dass das Team "auswendig" kickt. Einige dieser taktischen Mittel hat Sarri seinem Vorbild Arrigo Sacchi zu verdanken, besonders, was die defensiven Bewegungen angeht. Wie Sacchi – und auch Guardiola – gilt er als Perfektionist und widmet sich rund um die Uhr seiner Arbeit.

Der Zwergen-Sturm ist einer der besten in Europa

Aber: Ihm fehlt noch ein Titel. Neapel führt ungeschlagen die Tabelle in Italien an, trotzdem glaubt Sarri nicht an den „Scudetto“ – zumindest öffentlich. Das Hinspiel gegen Manchester City bewies aber, dass Neapel auch auf der europäischen Bühne einen großen Fortschritt gemacht hat. Deswegen kann im „San Paolo“ alles passieren.

Der Notstand im Angriff wurde eigentlich zur entscheidenden Waffe von Neapel. Das untypische Trio, bestehend aus Lorenzo Insigne, Dries Mertens und José María Callejón, ist eines der besten in Europa. Insgesamt erzielten sie in der letzten Saison 60 Tore und bereiteten weitere 20 vor. Das Besondere: Keiner von ihnen ist größer als 1,78 Meter.

Barcelona-Interesse an Insigne

Trotzdem sind sie wegen ihrer Geschwindigkeit sehr schwer zu decken. Lorenzo Insigne machte auf sich aufmerksam mit dem Traumtor im „Santiago Bernabéu“ im letzten Februar. Infolgedessen wurde sogar über ein Interesse des FC Barcelona an ihm berichtet. Jetzt beträgt sein Marktwert laut „transfermarkt.de“ 40 Millionen Euro.

Das wesentliche Stück der Sarri-Maschine ist aber Kapitän Marek Hamsik. Der Mittelfeldmann aus der Slowakei begann seine Profi-Karriere als zweite Spitze, spielte dann als Zehner und nun ist er ein vielfältiger Achter, der auch treffen kann. Mit 114 Toren fehlt ihm nur eines, um Diego Armando Maradona auf Platz Eins der Neapel-Torjägerliste einzuholen.

Der Vorteil gegenüber der Konkurrenz

Sehr wichtig für die Balance der Mannschaft ist auch der Brasilianer Allan: In Manchester ließ ihn Sarri zunächst auf der Bank und stieß deswegen auf Kritik. Zudem gilt die Viererkette als Fixpunkt seines Systems, immer mit einer hoch organisierten Raumdeckung. Im Vergleich zu den Serie-A-Konkurrenten hat Neapel den Vorteil, den Kader fast unverändert zusammen gehalten zu haben. Sarri ist übrigens kein großer Fan von Rotation, was auf Dauer etwas gefährlich werden könnte. Aber noch nicht jetzt. Gerade jetzt funktioniert die Maschine am besten – wie auch Pep Guardiola weiß.

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