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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sorgen vor EM-Sieg? Warum ein englischer Platzsturm unwahrscheinlich ist
Im heimischen Wembley-Stadion könnte sich England am Sonntag den ersten EM-Titel seiner Fußballgeschichte sichern. Der Jubel wäre grenzenlos. Die Sorgen um Randale und Chaos sind jedoch gering.
Mit dem Schlusspfiff im Londoner Wembley-Stadion könnten am Sonntag 55 Jahre des Schmerzes für die englische Fußballöffentlichkeit zu Ende gehen. Die "Three Lions", die neuen Europameister. Das ist das Wunschszenario auf der Insel.
Der Jubel in der mit dann 65.000 Zuschauern gefüllten Arena im Nordwesten Londons sowie im gesamten Rest Englands dürfte grenzenlos sein. Und es ist schwer vorauszusehen, in welche Bahnen sich die kollektive Freude kanalisieren könnte. Feststehen dürfte wohl nur: einen Platzsturm, wie er unter anderem in Deutschland bei Meister- oder Aufstiegsfeiern fast üblich ist, wird es im Wembley-Stadion wohl nicht geben. Der Grund hierfür liegt im "Football Offences Act" aus dem Jahr 1991.
Flitzen und Platzstürmen ist in England eine Straftat
Traumatisiert von den Tragödien im Brüsseler Heysel- (1985, 39 Tote) und dem Sheffielder Hillsborough-Stadion (1989, 96 Tote) setzte die konservative Regierung von Premierministerin Margaret Thatcher eine tiefgreifende Gesetzesreform durch, die viele mögliche Verfehlungen in einem Fußballstadion kriminalisierte. Darunter auch das Platzstürmen.
Zum Vergleich: Während Flitzern in Deutschland nur niedrige vierstellige Bußgelder vom DFB, mögliche Schadensersatzansprüche von den Vereinen sowie in seltenen Fällen noch eine geringe gerichtliche Strafe wegen einer Ordnungswidrigkeit drohen, gilt das Betreten des Spielfelds durch einen Stadionzuschauer in Großbritannien als eine im Gesetzestext verankerte Straftat, die mit einer mehrjährigen Haftstrafe geahndet werden kann. Zudem werden die Platzstürmer im gesamten Vereinigten Königreich lebenslang von allen professionellen Sportveranstaltungen ausgeschlossen.
Dieses rigorose Verbot in Kombination mit der engmaschigen Videoüberwachung in den Arenen hat durchaus einen Effekt. So gab es in der Saison 2010/2011 etwa nur 419 Verletzte in englischen Erstligastadien zu vermelden. Zum Vergleich: im selben Zeitraum registrierten die Behörden mit 846 mehr als doppelt so viele verletzte Personen bei den Bundesligaspielen in Deutschland. Kurios übrigens, dass den größten Anteil von 109 Fällen in England dabei Fans einnahmen, die von in der Menge gelandeten Bällen getroffen worden sind.
Uefa mit "umfassenden Sicherheitsplan" vorbereitet
Gewalt und Eskalation im Stadion löste der "Football Offences Act" jedoch nicht gänzlich in Luft auf. So wurde im Jahr 2019 der englische Nationalspieler Jack Grealish im Stadtderby zwischen Birmingham City und Aston Villa von einem aufs Feld gelaufenen City-Fan per Faustschlag niedergestreckt.
Sorgen um die Sicherheit der Spieler beim EM-Finale macht sich die Uefa dennoch nicht. "Die Uefa hat gemeinsam mit den lokalen Behörden und Sicherheitskräften einen umfassenden Sicherheitsplan aufgestellt", erklärt der europäische Fußball-Dachverband auf t-online-Nachfrage. Was dies konkret bedeutet, bleibt jedoch unklar: "Details dieses Plans geben wir nicht bekannt." Auch die Londoner Stadtverwaltung ließ einen Fragenkatalog, welche Sicherheitsmaßnahmen im Stadtbereich getroffen werden, unbeantwortet.
- Eigene Recherche
- Anfragen an Uefa und die Londoner Stadtverwaltung
- Football Offences Act, 1991 c. 19 Section 4
- "Watson": Welche Strafe kriegen Flitzer bei Fußballspielen?
- "Die Presse": Großbritannien: Rigoros gegen Hooligans
- "Statista": Anzahl der verletzten Personen der Bundesliga-Spielzeiten (kostenpflichtig)
- "Sport1": In England geht die Angst um