Fußball Southgate als politischer Botschafter in Russland
St. Petersburg (dpa) - Nachdem er alle sportlichen Fragen beantwortet hatte, wurde der "Messias mit der Anzugweste" auch noch zum politischen Botschafter.
Nach zahlreichen Verstimmungen zwischen England und Russland, nach Boykott-Forderungen und einem Reise-Verzicht aller Würdenträger im Vorfeld bedankte sich Nationaltrainer Gareth Southgate ausdrücklich und in aller Form bei den "fantastischen" russischen WM-Gastgebern.
"Es wurde im Vorfeld viel geredet über die Beziehung unserer beiden Länder", sagte der 47-Jährige nach der 0:2 (0:1)-Niederlage gegen Belgien im Spiel um Platz drei: "Aber auf persönlicher Ebene hätten wir uns von den Menschen in Russland nicht willkommen geheißener fühlen können. Es war eine tolle Erfahrung für uns und sicher auch für all unsere Fans." Die russischen Journalisten im Saal klatschten nach Southgates Ausführungen.
Bei den Problemen beider Länder hatten sich in den vergangenen zwei Jahren der Fußball und die Politik immer wieder vermischt. Bei der EM 2016 hatten russische Hooligans in Marseille Jagd auf englische Fans gemacht. Einige britische Politiker rieten deshalb nun Anhängern von der Reise nach Russland ab. Zudem sind sich die Briten sicher, dass der ehemalige Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter in Salisbury von Russen vergiftet wurden, vereinzelt war daraufhin ein WM-Boykott des Nationalteams gefordert worden. Zuletzt hatte man sich darauf geeinigt, dass keine Würdenträger aus der Politik oder des Königshauses zur WM reisen. Dabei blieb Prinz William als Präsident des Fußballverbandes auch nach dem Einzug ins Halbfinale.
Southgates Dankesrede war kein Alleingang, mit dem Verbandssprecher hatte er sich zuvor kurz besprochen. Offizielle Reaktionen aus England oder Russland gab es zunächst keine. Es würde aber irgendwie zu Southgate passen, würde er am Ende einer starken WM der Three Lions auch noch eine politische Entspannung zwischen beiden Ländern vorantreiben.
Sportlich hatte er das Mutterland des Fußballs in seiner knapp zweijährigen Amtszeit zu neuem Glanz verholfen und in Russland zur erst dritten Halbfinal-Teilnahme der Verbandsgeschichte geführt. Die "Sun" hatte ihn daraufhin als "Messias mit der Anzugweste" gefeiert. Eine solche trägt Southgate bei fast allen öffentlichen Auftritten, ihr Absatz schoss während der WM in ungeahnte Höhen.
Den vierten Platz solle man aber keinesfalls überbewerten, versicherte Southgate, er sei auch auf glückliche Umstände zurückzuführen. "Wir waren hier unter den besten vier Mannschaften, aber wir wissen, dass wir noch nicht zu den vier besten gehören", sagte der Coach: "Wir sehen unsere Leistungsfähigkeit sehr realistisch und lassen uns von dem vielen Lob nicht blenden. Wir hatten einen relativ komfortablen Weg ins Halbfinale. Wir müssen und werden uns noch viel verbessern. Wir sind nicht im Vereinsfußball, wo man neue Spieler kaufen kann. Wir müssen sie entwickeln."
Das will Southgate in den nächsten Jahren weiterhin tun. Gutes Gelingen ist ihm dabei zuzutrauen.