Gladbach-Legende Die Karriere von Günter Netzer
Bereits mit neun Jahren geht Günther Theodor Netzer zu Borussia Mönchengladbach. Er durchläuft mehrere Jugendauswahlteams bei den Fohlen, ehe er 1963 mit 19 Jahren einen Profivertrag beim damaligen Regionalligisten unterschreibt. Nur zwei Jahre später steigt er mit Gladbach in die Bundesliga auf. Die Fans geben ihrem Maskottchen, einem Fohlen, den Namen "Jünter" – benannt nach Günter Netzer. Hier ist er 1965 beim Spiel gegen Preußen Münster zu sehen.
Schnell wird den Gladbachern klar, welch ein Talent in dem neuen Mittelfeldstrategen schlummert. Nach der Etablierung in der Bundesliga dominieren die Gladbacher zusammen mit dem FC Bayern Deutschlands höchste Spielklasse. Netzer wird zur zentralen Figur innerhalb der Mannschaft und prägt das Offensivspiel mit langen Pässen und Läufen aus der Tiefe des Raumes.
Anfang der 70er-Jahre avanciert Netzer zu einem der größten Stars der Liga. Am Ball ist er ein Ästhet - jede Bewegung timt er genau, jeder Pass in die Spitze kommt millimetergenau an. Zudem strahlen seine Regieanweisungen an die Teamkollegen immer absolute Autorität aus. So wird er in der "Fohlenelf" unter Trainer Hennes Weisweiler schnell zum unangefochtenen Anführer der Mannschaft. Zu seinen damaligen Teamkollegen gehören Berti Vogts und Jupp Heynckes.
Kapitän Netzer (unten) führt die Borussia 1970 als Kopf der Mannschaft zur ersten deutschen Meisterschaft. 1971 gelingt Borussia Mönchengladbach als erstem Verein in der Geschichte der Bundesliga dann sogar die Titelverteidigung. Während seiner aktiven Zeit gibt er bei Borussia Mönchengladbach die heute noch existierende Stadionzeitung "Fohlenecho" heraus.
1971 erscheint das erste Buch über den schillernden Fußballstar Netzer: Der bekannte Biograph Peter Bizer veröffentlicht "Günter Netzer: Rebell am Ball" - hier zeigt Netzer das großformatige Buch, das neben vielen Hintergrundinformationen auch viele Schnappschüsse enthält, seinem Trainer Hennes Weisweiler (li.).
Den Anstoß zum Freundschaftsspiel zwischen einer Kombination von Fortuna Düsseldorf und Borussia Mönchengladbach gegen Ajax Amsterdam führt 1972 Sänger Heino aus. Jupp Heynckes (li.) und Günter Netzer schauen zu.
Bei diesem im Grunde unbedeutenden Spiel bekommt es Netzer (li.) mit einer weiteren Größe des internationalen Fußballs zutun: Der legendäre Johan Cruyff von Ajax Amsterdam - hier in Zivilkleidung - kommt auch zum Testspiel nach Düsseldorf, nimmt aber nicht teil. Vor Spielbeginn gibt es Blumen und Geschenke für die beiden Stars.
Beim Aufeinandertreffen mit dem FC Bayern kommt es 1972 zum Duell zwischen Gladbachs Kapitän Netzer und Bayerns "kaiserlichem" Spielführer Franz Beckenbauer (li.). In der Liga sind sie Konkurrenten, in der Nationalelf haben sie das gleiche Ziel. Und das verfolgen sie mit Erfolg: 1972 werden beide unter Bundestrainer Helmut Schön erst Europameister, 1974 dann Weltmeister.
1965 wird Netzer (li.) zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen. 1970 steht er im WM-Aufgebot für Mexiko, verletzt sich aber kurz vor der Abreise. Zwei Jahre später fährt er mit zur EM nach Belgien - und wird Europameister. Insgesamt macht er zwischen 1965 und 1975 37 Länderspiele und erzielt dabei sechs Tore. Hier ist er am Ball, im Hintergrund steht der Kölner Wolfgang Overath. Das Duell zwischen den beiden Konkurrenten bestimmte vor allem die frühen 1970er Jahre.
Die "Wembley-Elf" von 1972 wird mit Spielgestalter Netzer (re. oben), Torjäger Gerd "Bomber" Müller (3.v.re. oben) und Libero Franz Beckenbauer (1.v.li. oben) Europameister. Bis heute gilt sie als spielstärkste DFB-Elf aller Zeiten. Hier posiert das Team (u.a. Torwart Sepp Maier, Uli Hoeneß, Paul Breitner, Jupp Heynckes, usw.) mit dem gewonnenen EM-Pokal. Zwei Jahre später wird Netzer bei der WM 1974 im eigenen Land dann Weltmeister - obwohl er nur einmal zu einem Kurzeinsatz kommt.
Kein anderer Mittelfeldspieler verkörpert den klassischen Spielmacher so perfekt wie das Gladbacher Aushängeschild. Bis heute gilt Netzer als einer der besten Strategen in der Geschichte der Bundesliga.
Aber auch abseits des Rasens ist Netzer stets in guter Gesellschaft: Von 1971 bis 1973 betreibt der noch aktive Spieler nebenbei die angesagte Diskothek "Lover's Lane" in Mönchengladbach. Heute steht in der Waldhausener Straße kein Tanzlokal mehr, sondern das Gasthaus "Mamba".
Ende der Saison 1972/73 gibt er seinen Wechsel zum spanischen Topklub Real Madrid bekannt. Sein letztes Spiel für die Gladbacher ist das DFB-Pokalfinale 1973 gegen den Lokalrivalen 1. FC Köln. Und anfangs ist es kein schönes "Abschiedsspiel" für Netzer. Trainer Hennes Weisweiler lässt ihn im Düsseldorfer Rheinstadion bis kurz vor Spielschluss auf der Bank schmoren. Es steht 1:1, Netzer geht zum Trainer und sagt: "Jetzt spiele ich!". Er wechselt sich selbst ein und schießt kurz darauf den 2:1-Siegtreffer.
Somit beschert Netzer (re.) den Gladbachern zum Abschied noch einen Titel und wird als erster deutscher Spieler überhaupt zweimal in Folge Fußballer des Jahres (1972 und 1973). Insgesamt erzielt er während seiner Laufbahn in Gladbach 108 Tore in 297 Spielen.
Netzer und Weisweiler verbindet eine enge Freundschaft. Vor allem nach der Kritik an Weisweilers Nichtnominierung seines besten Spielmachers bricht Netzer eine Lanze für seinen Trainer: "Weisweiler hat uns in dieses Finale gebracht. Weisweiler hat aus diesem Provinzklub vom linken Niederrhein überhaupt erst eine nationale und europäische Größe gemacht. Seine Vorstellung von Fußball war die Grundlage dafür, dass man uns verklärte und zum Mythos erhob."
Netzer kommt 1973 als erster deutscher Spieler überhaupt zu Real Madrid. Dort trifft er auf den Vereinspräsidenten Santiago Bernabeu (li.), der in Netzer große Hoffnungen und Erwartungen legt. Nach Bernabeu ist das heutige Stadion der Madrilenen benannt.
Bei Real kann sich Netzer erst nach Anlaufschwierigkeiten durchsetzen, gewinnt mit dem weißen Ballett 1974 den spanischen Pokal, 1975 das Double aus Meisterschaft und Pokal sowie 1976 erneut die Meisterschaft in der Primera Division. Insgesamt steuert er in 85 Ligaspielen neun Treffer für die Königlichen bei.
Nach der WM 1974 spielt Netzer (li.) in Madrid mit Paul Breitner (Nummer 8) zusammen. Beide bilden im Mittelfeld ein kongeniales Duo, das das Offensivspiel der Madrilenen entscheidend prägt.
Auch privat fühlt sich der Lebemann sichtlich wohl in der spanischen Hauptstadt. Hier ist er im August 1974 mit seiner damaligen Freundin Hannelore (re.) und Hund Kira vor seiner Villa zu sehen.
Eine seiner großen Leidenschaften sind exklusive Sportwagen. Hier steigt der Gladbacher 1972 in einen seiner Ferraris ein.
Seine aktive Karriere als Fußballprofi lässt er 1977 als 33-Jähriger bei Grasshopper Zürich ausklingen. Anschließend kehrt er nach Deutschland zurück und übernimmt von 1978 bis 1986 den Managerposten beim HSV. In dieser Zeit verändert er die Mannschaft auf vielen Positionen und lotst Trainer Branko Zebec und Ernst Happel in die Hansestadt. Die Veränderungen fruchten, der HSV wird dreimal Deutscher Meister (1979, 1982, 1983) und gewinnt 1983 in Athen nach einem 1:0 gegen Juventus Turin den Europapokal der Landesmeister.
Von August 1991 bis April 1992 wird Netzer dann Manager des FC Schalke 04. Er arbeitet von seinem schweizerischen Wohnort Zürich aus und erhält den despektierlichen Spitznamen "Telefonmanager". Seine Aufgabe: Er soll den Vorstand beraten und damit den klassischen Manager ersetzen, so die Idee des damaligen Präsidenten Günter Eichberg. Doch der Versuch scheitert. In dieser Zeit sucht Netzer stets auch den Kontakt zu seinem langjährigen Freund Berti Vogts, der mittlerweile zum Bundestrainer aufgestiegen ist.
Im Januar 1987 heiratet Netzer das deutsche Fotomodell Elvira Lang (re., mit Sonnenbrille). Bis heute sind sie ein Paar - sie haben eine gemeinsame Tochter namens Alana. Auf die Frage, ob es bei ihr Liebe auf den ersten Blick gewesen sei, antwortet Lang 2008: "Nach den ersten 30 Kilometern bei Günter im Auto wusste ich - das ist der Mann meines Lebens!"
2004 veröffentlicht er seine erste Autobiographie "Aus der Tiefe des Raumes. Mein Leben". In dem 270 Seiten umfassenden Werk schreibt er, was ihn geprägt hat, welche Menschen ihm wichtig sind und wie er über den Fußball und das Business denkt.
Netzer und seine Frau Elvira sind seit 1987 verheiratet. Hier besuchen die beiden mit Tochter Alana im Jahr 2012 einen Grand-Prix-Tanzball im Kurhaus Baden-Baden.
Netzer arbeitet daraufhin 13 Jahre lang als Experte, Berichterstatter und Fernsehkommentator neben Sportmoderator Gerhard Delling für die ARD. Im Jahr 2000 erhalten beide den Grimme-Preis, 2008 wird das Kult-Duo für sein "hohes sprachliches Niveau" mit dem Medienpreis für Sprachkultur ausgezeichnet. Beide sind bis heute eng befreundet, obwohl dies bei einigen gemeinsamen Moderationen ganz anders rüberkommt. Mit der WM 2010, die er noch mit Delling moderiert, endet die gemeinsame Fernsehtätigkeit.
Von März 2012 bis Mai 2013 ist Netzer auch als Experte beim privaten Fußball-Radio 90elf tätig und kommentiert gemeinsam mit Wilfried Mohren ausgewählte Spiele. Heute ist Netzer Medienunternehmer. Aktuell schreibt er eine eigene Kolumne in der Bild-Zeitung, die regelmäßig erscheint. Zudem übt er bei der Schweizer Sportrechte-Agentur Infront Sports & Media AG die Position des Executive Director aus. Auf dem Bild unterschreibt er im Mai 2014 ein Plakat beim "Fest der deutschen Weltmeister" in Düsseldorf.