Klinsmann-Rücktritt: Seine größten Visionen – und was aus ihnen wurde
Jürgen Klinsmann ist am Dienstag überraschend als Trainer von Hertha BSC zurückgetreten. Der 55-Jährige hatte den Posten erst Ende November mit großer Vision angetreten. Er wollte den Verein zu einem europäischen Topklub formen, einem "Big City Club". Doch aus diesem Vorhaben wurde nichts – der Ex-Nationaltrainer gab nach nur 78 Tagen im Amt auf. Dies war nicht sein einziges ehrgeiziges Projekt, das gescheitert ist. t-online.de stellt die größten Klinsmann-Visionen vor – und was aus ihnen wurde.
Als Nachfolger des gescheiterten Rudi Völler übernahm Jürgen Klinsmann im Juli 2004 das Traineramt der deutschen Nationalmannschaft – sein erster Trainerjob. Klinsmann sollte das Team zu einer erfolgreichen Heim-WM 2006 führen. Sein Ziel: Der WM-Titel. "Die Fans haben den Wunsch und die große Hoffnung, dass wir 2006 im eigenen Land Weltmeister werden. Dies ist auch meine Zielsetzung", sagte er bei seiner Vorstellung.
Klinsmann baute von Anfang an vermehrt auf junge Spieler und sortierte gestandene Nationalspieler aus. Damit machte er sich nicht nur Freunde. Nur wenige Monate vor der Weltmeisterschaft blamierte er sich mit 1:4 im Testspiel gegen Italien und stand kurz vor dem Aus. Viele Fans forderten danach seinen Rauswurf, doch der DFB hielt an ihm fest.
Bei der Heim-WM 2006 zeigten sich Klinsmann und das DFB-Team wie ausgewechselt: Die Mannschaft um Kapitän Ballack eilte von Sieg zu Sieg und ritt auf der Euphoriewelle, die im ganzen Land herrschte. Doch trotz "Sommermärchen" erreichte Klinsmann sein ambitioniertes Ziel WM-Titel nicht: Deutschland scheiterte im Halbfinale an Italien (0:2), sicherte sich aber den dritten Platz gegen Portugal (3:1).
Wenige Wochen nach der WM trat Klinsmann als Bundestrainer zurück und übergab die Mannschaft an Jogi Löw, der bis dahin Klinsmanns Co-Trainer gewesen war. Löw erreichte 2014 schließlich Klinsmanns Ziel und holte den WM-Titel nach Deutschland.
Nach dem Bundestraineramt ließ sich Klinsmann auf das nächste Abenteuer ein und unterschrieb 2008 beim FC Bayern München. Er trat damit die Nachfolge von Klublegende Ottmar Hitzfeld an. Bei seiner Vorstellung als Übungsleiter träumte er einmal mehr von großen Erfolgen. Als Ziel erklärte er einen "ständigen Platz unter den Top Ten in Europa."
Beim Rekordmeister kam Klinsmann nie wirklich in Fahrt. Obwohl zu der Zeit Luca Toni, Franck Ribery und Miroslav Klose bei den Bayern stürmten, lief der Verein seinen Ansprüchen hinterher. Klinsmann fiel vor allem auch durch eine ungewöhnliche Transferpolitik auf. So verpflichtete er Spieler wie den US-Amerikaner Landon Donovan (im Bayern-Trikot), der noch heute zu den größten Flops der Bayern-Geschichte gezählt wird.
Der Tiefpunkt von Klinsmanns Bayern-Zeit war die 1:5-Klatsche im April 2009 gegen den späteren Meister VfL Wolfsburg. Sinnbildlich dafür war das letzte Gegentor durch Wolfsburgs Grafite, der die halbe Münchener Hintermannschaft ausspielte und den Ball schließlich mit der Hacke versenkte. Klinsmann wurde wenige Wochen später entlassen, als der Verein auf den dritten Platz der Liga abgerutscht war. In der Champions League waren die Bayern in der Saison im Viertelfinale am FC Barcelona gescheitert.
Nach dem Desaster in München wurde Klinsmann 2011 Nationaltrainer der USA. Der Blondschopf übernahm die Mannschaft auf Platz 31 der Fifa-Weltrangliste. Sein Ziel: Die US-Boys endlich zu einem Weltklasse-Team formen und sie in die Weltspitze führen.
Insgesamt blieb Klinsmann fünf Jahre lang im Amt. Sein größter Erfolg war der Gewinn des CONCACAF Gold Cups 2013, der Kontinentalmeisterschaft für Nord- und Mittelamerika und der Karibik, und die WM-Teilnahme 2014. Doch 2016 musste er nach verpasster WM-Qualifikation den Hut nehmen. Sein ehrgeiziges Ziel Weltspitze hatte Klinsmann meilenweit verpasst und lag am Ende in der Weltrangliste sogar hinter Costa Rica und Mexiko.
Nachdem er bereits Anfang November 2019 Aufsichtsratsmitglied der Hertha geworden war, übernahm Klinsmann am 27. November 2019 das Traineramt beim Hauptstadtklub. Er ersetzte den erfolglosen Ante Covic. Der 55-Jährige äußerte bei seiner Vorstellung wie gewohnt große Ziele. Mithilfe der Millionen von Investor Lars Windhorst wollte er zuerst den Abstieg verhindern und in der Folgesaison mit der Hertha um die europäischen Plätze kämpfen. Langfristig wollte er den Verein in einen europäischen Topklub verwandeln, einen "Big City Club".
Kurzfristig konnte er die Haupstädter aus dem Tabellenkeller hoIen. Der neue Trainer hatte für einen regelrechten "Hertha-Hype" gesorgt und in der Wintertransferperiode viele Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben. Doch nach der 1:3-Niederlage gegen Mainz am 21. Spieltag kehrte die Hertha endgültig zurück in den Abstiegskampf. Daraufhin verkündete er über Facebook seinen Rücktritt als Trainer. Seine Bilanz fällt durchwachsen aus: Drei Siege, drei Unentschieden und vier Niederlagen.