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Krisenmodus ohne Ende: VW hadert mit der Weltpolitik


Wolfsburg
Krisenmodus ohne Ende: VW hadert mit der Weltpolitik

Von dpa
15.03.2022Lesedauer: 3 Min.
VolkswagenVergrößern des Bildes
Das Logo von VW ist an einem Markenpavillon in der Autostadt zu sehen. (Quelle: Swen Pförtner/dpa/Archivbild/dpa-bilder)

Es könnte ein trügerischer Glanz sein, der von Volkswagens eigentlich so starken Zahlen ausgeht. Nach dem Corona-Durchhänger 2020 fing der Autoriese einige Erschütterungen des Jahres 2021 noch ab - und das, obwohl die beinahe schon chronischen Versorgungsprobleme bei Mikrochips Belegschaft, Produktion und Verkäufe empfindlich trafen. Am Ende steht dennoch ein fetter Gewinn von über 15 Milliarden Euro. Aber zum Innehalten oder gar zum Feiern ist am Dienstag bei der Bilanzvorlage in Wolfsburg keinem zumute.

Ganz im Gegenteil. Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt, es drohen unabsehbare Folgen für die Energiekosten, vielleicht auch für Mobilität und Fahrzeugpreise. Niemand weiß, wie lange der blutige Konflikt in der Ukraine anhält, welche Konsequenzen er für die Weltkonjunktur und damit Deutschlands besonders exportorientierte Industrie hat. Weitere Lieferketten werden brüchig, seit der Pandemie gab es so gut wie keine Atempause. Und am Horizont taucht die bange Frage auf: Was könnte geschehen, falls sich das politische Klima eines Tages auch gegenüber dem allerwichtigsten Automarkt - China - wandeln sollte?

"Unter normalen Umständen hätten wir jeden Grund, optimistisch auf 2022 zu schauen", heißt es bei VW. Doch die Umstände sind alles andere als normal. Angesprochen auf eine mögliche Invasion Taiwans durch die Volksrepublik - sozusagen nach dem Muster des russischen Angriffs - meint Vorstandschef Herbert Diess: "Wir glauben, dass China ein bedeutender Markt für die Autowelt bleiben wird. Es ist ein Vorteil für uns, dort stark vertreten zu sein." Und das Reich der Mitte habe seinerseits wohl ein großes Interesse daran, fest in den Welthandel integriert zu bleiben. "Das lässt uns glauben, dass ein solcher Schritt nichts ist, was China ernsthaft erwägen würde."

Vorerst hat Deutschlands größtes Unternehmen bereits mit dem Krisenmanagement in Sachen Ukraine alle Hände voll zu tun. Gekappte Zulieferungen aus den westlichen Landesteilen, die nun zunehmend ebenfalls unter Beschuss geraten, bremsten die sächsischen Werke aus. Zumindest in Wolfsburg und Hannover gehen die Ausfälle weiter, wahrscheinlich auch anderswo - nach Monaten der Kurzarbeit in der Chipkrise. Eine zweite Taskforce unter Leitung von Einkaufsvorstand Murat Aksel und Personalchef Gunnar Kilian ist im Dauereinsatz.

Dazu die Inflation, besonders heftig bei Öl, Gas und Sprit. Sie setzt nicht nur Verbraucher und potenzielle Autokäufer unter Druck, sondern könnte den Herstellern selbst schaden. "Wir erwarten einen enormen Anstieg der Rohstoffpreise, wenn der Krieg weitergeht", sagt Diess zur Lage bei Energie- sowie Metallressourcen aus Russland und der Ukraine. Auch Währungsschwankungen wie der Absturz des Rubels dürften "Faktoren sein, die unser Geschäft beeinflussen". Zur Debatte über einen Importstopp russischen Erdgases äußert man sich nicht näher.

Die Volkswagen-Chefriege will keine übermäßigen Sorgen streuen. Die Entwicklung hänge vom konkreten Verlauf des Krieges ab, betont Diess. Doch sicher ist: Negative Auswirkungen gäbe es bei längerer Dauer "für Europa - und für Deutschland im Besonderen". Im schlimmsten Fall könnte das gesamte Wirtschaftssystem ins Wanken geraten: "Wenn sich der Krieg hinzieht, würde dies eine Weltordnung ernsthaft gefährden, die Freiheit und Wohlstand in viele Teile der Welt gebracht hat."

Drohende Enteignungen von Betriebskapital westlicher Firmen seien ein schwer einzuschätzendes Thema, ergänzt der VW-Chef. Bezogen auf sein globales Werksnetz ist die Verwundbarkeit des Konzerns eher gering. "Aber es würde unsere Tätigkeit in Russland schon treffen."

Seine russische Eigenproduktion und die Exporte hat VW eingestellt, so wie andere deutsche Hersteller. Ersatzteile erhalten Kunden in dem Land weiter. "Wir unterstützen auch unsere Kabelbaum-Lieferanten in der Ukraine, die - soweit es geht - ihren Betrieb aufrecht erhalten", erklärt Diess. Ein Umschwenken auf mehr als einen Hauptlieferanten sei bei den Komponenten ohne Einbußen in der Rentabilität schwierig machbar. Eine Extra-Kapazität der neuen Engpassteile soll für Europa aber aufgebaut, die Autoproduktion notfalls in andere Regionen wie China oder die USA verlagert werden. Menschen in der Ukraine bekommen auch von Volkswagen Geld- und Sachspenden sowie Transporthilfen.

Der Elektrostrategie immerhin dürften die steigenden weltpolitischen Risiken nicht direkt ins Gehege kommen. Jedenfalls solange sich nicht auch der Strom zum Laden ähnlich drastisch verteuert wie Benzin oder Diesel. "Wir brauchen keine höheren Energiepreise, um den Übergang zu E-Autos anzuschieben", so Diess. Die Nachfrage - 2021 gelang fast eine Verdoppelung des Stromer-Absatzes - sei über den Erwartungen. Für die Mitarbeiter schwingt eine andere Warnung mit: Ziehen die Ausgaben für Betriebsmittel und Vorprodukte weiter an, "beeinflusst das auch unsere Kostenbasis". Für die anschwellenden Einfuhrpreise aus der Rohstoffgroßmacht Russland gelte: "Wir müssen das verdauen."

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