Wolfsburg VW besorgt wegen Zuschärfung des Russland-Ukraine-Konflikts
Volkswagen und viele andere Unternehmen aus Niedersachsen sind wegen des weiter eskalierten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zunehmend beunruhigt. Man habe "mit Sorge und Betroffenheit die Verschärfung der Lage zur Kenntnis genommen", hieß es am Mittwoch aus Wolfsburg. Der größte europäische Autobauer hat in der Region wichtige Märkte, auch die Situation der Mitarbeiter dort beschäftigt die Konzernzentrale. VW hofft auf eine "schnelle, friedliche Lösung auf Grundlage des internationalen Rechts".
Ähnlich äußerten sich Wirtschaftsverbände. Tenor: Im Fall einer neuerlichen Zuspitzung müsse man sich klarmachen, was großangelegte Handelssanktionen bedeuten würden - und welche potenziellen Effekte diese auf die ohnehin schon sehr hohen Energiepreise haben könnten.
VW erklärte, es werde laufend geprüft, welche Auswirkungen es auf die Geschäfte in den betroffenen Ländern gebe. Vor allem müsse es nun darum gehen, die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten.
Die Autogruppe betreibt in Russland eine eigene Fertigung im Werk Kaluga im Südwesten Moskaus. Die gesamte Region Zentral-/Osteuropa ist für den nach Toyota zweitgrößten Autokonzern der Welt ein bedeutender Absatzmarkt. 2021 lieferten alle Marken dort gut 660.000 Fahrzeuge aus. Die Kernmarke kam im vergangenen Jahr in den zentral- und osteuropäischen Ländern auf rund 206.000 verkaufte Neuwagen.
Der Westen wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, mit der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten in der Ostukraine gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Unter anderem die EU, die USA, Großbritannien und Japan brachten daher schon Sanktionen auf den Weg.
Erste Strafmaßnahmen sind etwa Visasperren oder das Einfrieren von Konten einzelner Personen. Die EU zielt zunächst darauf ab, den Zugang Russlands zu Europas Finanzmärkten und den Handel mit den zwei abtrünnigen ukrainischen Regionen einzuschränken. Ob es darüber hinaus Konsequenzen für die Handels- oder Investitionsbeziehungen zu Russland geben wird, dürfte von der weiteren Entwicklung abhängen.
Die Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen, Maike Bielfeldt, warnte vor wirtschaftspolitischen Reaktionen Moskaus. "Wenn es zu weiteren Sanktionen kommt, wird das erwartbar Gegensanktionen auslösen", sagte sie. Es sei noch nicht genau abzusehen, welche Branchen es wie stark direkt treffen würde.
"Fest steht aber, dass alle der knapp 1000 in Russland engagierten niedersächsischen Unternehmen leiden werden", schätzte Bielfeldt. "Denn auch wenn sie in einem ersten Schritt nicht unmittelbar betroffen sein sollten, werden alle mit der Unsicherheit konfrontiert sein, welche Maßnahmen noch folgen werden." Das Risiko könne möglicherweise auch zu Rückzügen führen. Der bilaterale Handel mit Russland konzentriert sich auf Maschinen, Autos und Elektronik.
Die Metallarbeitgeber, die für so manchen Maschinen- und Anlagenbauer mit Osteuropa-Geschäft stehen, betonten das Thema Energieversorgung. "Die Auseinandersetzung mit Russland hat das Zeug, den Konjunkturmotor in Deutschland nach zwei Corona-Jahren das dritte Jahr in Folge abzuwürgen", so Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt. Weitere Preissteigerungen bei Erdgas müssten abgefedert werden - und es sei eine entschlossene Diversifizierung der Quellen nötig.
Verflüssigtes Erdgas (LNG) soll zum Beispiel aus den USA und anderen Ländern geliefert werden. Schmidt forderte in dem Zusammenhang eine raschere Planung möglicher LNG-Terminals in Stade und Wilhelmshaven.