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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona-Maßnahme aufgehoben Wie Stuttgart an der Ausgangssperre für Ungeimpfte scheiterte
In Stuttgart müssen Ungeimpfte abends zu Hause bleiben. Die Corona-Regel gilt nur noch für kurze Zeit, doch Auswirkungen hatte sie wohl ohnehin nicht – auch wegen fehlender Kontrollen.
Seit zehn Tagen herrscht in Stuttgart aufgrund der hohen Sieben-Tage-Inzidenz eine nächtliche Ausgangssperre für Ungeimpfte. In der Hauptstadt von Baden-Württemberg gilt noch bis zum Freitag: Wer nicht geimpft oder genesen ist, darf die eigene Wohnung zwischen 21 und 5 Uhr nur aus triftigen Gründen verlassen. Ähnliche Ausgangsbeschränkungen gibt es im ganzen Bundesland – und eigentlich hätte die Regelung noch länger Bestand halten sollen. Doch am Mittwoch ruderte die Landesregierung zurück.
Ab Freitag soll wieder die normale Alarmstufe gelten, Ausgangsbeschränkungen gibt es dann nicht ab einer Inzidenz von über 500, sondern erst ab einem Wert von mehr als 1.500 greifen. Doch hätte die Regelung überhaupt Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben können?
Stuttgart belebt – trotz Sperrstunde und Ausgangssperre
In der Stuttgarter Innenstadt war am vergangenen Samstagabend alles beim Alten: Um halb zehn waren die Lokale gut gefüllt und viele Paare und Grüppchen flanierten über die Königstraße, die Stuttgarter Einkaufsmeile.
Um den Hans-im-Glück-Brunnen befinden sich viele beliebte Bars. Auch gegen 22.30 Uhr war die Stimmung hier noch ausgelassen – trotz der Sperrstunde in der Gastronomie, die zu dieser Uhrzeit begonnen hatte. Die ersten Kneipen hatten schon geschlossen und die Gäste amüsierten sich auf der Straße weiter. In anderen Bars tummelten sich allerdings noch Feiernde.
Ausgangssperre in Stuttgart: "Nein, davon wusste ich noch nichts"
Eigentlich hätten alle Passanten, die noch draußen herumliefen, geimpft oder genesen sein müssen – doch ob diese Corona-Regel eingehalten wird, überprüfte zu diesem Zeitpunkt hier niemand.
Fragte man sich durch die Menge, ob Impfausweise oder Genesenenzertifikate bereits kontrolliert wurden, wurde verneint. Angesprochen auf die Ausgangssperre, zeigte sich eine sechsköpfige Gruppe, die aus einem Restaurant kam, durchweg überrascht. "Nein, davon wusste ich noch nichts", sagte ein Mann aus der Runde. Die anderen nickten. Ebenso zwei junge Frauen, die ein paar Meter weiter standen.
Stadt Stuttgart: "Wir haben nicht die Manpower"
Zwar ist das Angebot für Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, ohnehin recht dünn: In die Lokale kommen nicht immunisierte Nachtschwärmer derzeit ja gar nicht rein. Dennoch: Auch der Besuch bei Freunden etwa ist Ungeimpften in den nächtlichen Stunden nicht erlaubt.
Verhindern will das die Stadt nach eigenen Angaben mit stichprobenartigen Kontrollen. "Wir haben nicht die Manpower, das flächendeckend zu machen", räumte ein Sprecher der Stadt Stuttgart gegenüber t-online ein.
Man appelliere stattdessen an das Gewissen der Menschen. Der Sprecher warnte außerdem: "Man muss jederzeit damit rechnen, kontrolliert zu werden". So hätten Mitarbeitende des Ordnungsamtes am vergangenen Donnerstag immerhin 74 Personen in der Stadt kontrolliert. Bei ihnen seien keine Beanstandungen festgestellt worden.
Am Samstagabend habe es zudem eine gezielte Aktion mit Polizei und Ordnungsamt in der Arnulf-Klett-Passage und im Bereich des Hauptbahnhofs gegeben. Hierbei seien 197 Personen überprüft worden. Bis auf drei Personen ohne Mund-Nasen-Bedeckung und fünf Personen, die keinen Impfnachweis vorzeigen konnten, habe es jedoch keine Verstöße gegeben. "Die Leute scheinen sich daran zu halten", so der Sprecher. Sicher sein konnte er sich hier aber wohl auch nicht.
Polizei darf nicht nach Impfausweis fragen – dafür das Ordnungsamt
Eine flächendeckende Kontrolle der Stuttgarter Nachtschwärmer scheiterte in Stuttgart wohl auch an den unterschiedlichen Befugnissen der Einsatzkräfte. So sind etwa den Stuttgarter Polizeibeamten bei der Kontrolle des Gesundheitsstatus die Hände gebunden. "Die Polizei darf den Impfstatus nicht abfragen", so ein Sprecher der Polizei Stuttgart zu t-online.
Sie stellt stattdessen sicher, dass die Maskenpflicht an Haltestellen sowie in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs eingehalten wird. "Wer keine Maske trägt, den sprechen wir an. Aber die Mehrheit der Fahrgäste hält sich daran", ergänzte er.
Aufgehoben werden sollte die nächtliche Ausgangssperre für Ungeimpfte in Stuttgart erst wieder, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 500 unterschreitet. Doch das ist nicht abzusehen. Zuletzt lag die Inzidenz in der Landeshauptstadt bei 789,1 (Stand 25. Januar). Stattdessen hat das Land Baden-Württemberg die Corona-Verordnung nun angepasst. Hintergrund sei, dass wegen der Omikron-Virusvariante die Inzidenzen zuletzt stark gestiegen sind, die Verläufe bei einer Krankheit aber deutlich milder seien.
- Eigene Recherche vor Ort
- Nachrichtenagentur dpa
- Stadt Stuttgart