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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krise der Clubkultur Wer rettet Stuttgarts Nachtleben?
Nachtmanager als Teil der "Koordinierungsstelle Nachtleben" gesucht – so lautet die Ausschreibung der Stadt Stuttgart offiziell. Sie möchte zwei Personen einstellen, die die insbesondere durch Corona belastete Clubkultur retten.
Der Job scheint begehrt zu sein: 32 meist junge Leute haben sich auf die Stelle des "Nachtmanagers" beworben, die die Stadt spätestens im Frühjahr besetzen will. Auf der Webseite des Pop-Büros der Landeshauptstadt stellen sich die Kandidaten vor. Das Feld ist bunt gemischt. Studenten, Kulturmanager, Barkeeper, Werbekauffrauen, Juristinnen, ehemalige und aktuelle Clubbetreiber und viele mehr fühlen sich berufen. Alle haben sich das Ziel gesetzt, das Stuttgarter Nachtleben auf Vordermann zu bringen und zwischen den Beteiligten zu vermitteln, also zwischen Clubbetreibern, Partygängern, der Stadt und natürlich auch den Anwohnern.
Im Oktober hatte die Stadt entschieden, sogar gleich zwei Stellen für das Nachleben zu schaffen, die zusammen die "Koordinierungsstelle Nachtleben" bilden. Während der Nachtmanager nach außen hin wirkt, wird eine weitere Person als verwaltungsinterner Lotse in Sachen Nachtkultur bringen. Per Online-Voting können Stuttgarterinnen und Stuttgarter bis zum 25. Januar ihren Favoriten für die Stelle des Nachtmanagers wählen. Die fünf Kandidaten mit den meisten Stimmen kommen in eine Endrunde. Dazu kommen weitere fünf Kandidaten, die eine Jury bestimmt. Dann folgen weitere Auswahlrunden, am Ende stehen klassische Bewerbungsgespräche. Mit der Wahl des geeigneten Kandidaten macht es sich die Stadt nicht leicht, denn auf den Nachtmanager – oder die Nachtmanagerin – warten große Aufgaben.
Stuttgarter Nachtkultur aufleben lassen
Denn die Club- und Subkultur galt in Stuttgart schon vor der Corona-Pandemie als angeschlagen, einst beliebte Clubs mit Kultstatus hatten aus verschiedenen Gründen aufgegeben. Mit den neu geschaffenen Stellen will man wichtige und vernachlässigte Themen bearbeiten und die Stuttgarter Nachtkultur wiederaufleben lassen. Dass der Gemeinderat Geld für die Stellen locker macht, zeigt auch, dass Stuttgart verstanden hat, wie wichtig eine attraktive Club- und Nachtkultur für einen Standort ist. Im Wettstreit der Großstädte um qualifizierte Fachkräfte spielt das Nachtleben mittlerweile eine gewichtige Rolle und ist nicht mehr nur "nice to have".
Das Konzept des Night Mayors, des Nachtbürgermeisters also, stammt aus großen Metropolen, wurde aber mittlerweile auch von vielen kleineren Großstädten kopiert. New York engagierte vor zwei Jahren seine erste Nachtbürgermeisterin, Ariel Palitz. Ihre erste Amtshandlung bestand darin, die Sorgen der Anwohner anzuhören, denen Partygänger um 3 Uhr nachts vor die Tür kotzen. Konfliktmediation wird auch in Stuttgart eine zentrale Aufgabe des Nachtmanagers sein. Denn jeden Sommer drängen sich Menschenmassen in der verhältnismäßig kleinen Innenstadt. Lärmprobleme sind da vorprogrammiert.
Das nackte Überleben
Doch es geht auch um Erleichterungen für die Clubs. Der Nachtmanager – oder die Nachtmanagerin – könnten den Gastronomen und Clubbetreibern künftig viel Arbeit abnehmen. Denn diese müssen sich bislang mit ihren Anliegen teils an eine ganze Handvoll Behörden gleichzeitig wenden. Künftig hätten sie dann nur noch eine Ansprechperson, die die Anliegen der Szene bei der Verwaltung vorbringt und konstruktive Lösungen in die Wege leitet.
Für die Clubs geht es aber auch darum, nach der Coronakrise wieder auf die Beine zu kommen. Manche sind bereits klinisch tot, für andere geht es ums nackte Überleben. "Es ist wichtig, dass wir beide Stellen zum Frühjahr besetzt haben. So können die dringend notwendigen Öffnungskonzepte schnell implementiert werden", sagte die 1. Vorsitzende des Stuttgarter Interessenverbands Club Kollektiv, Hannah Japes, zur Entscheidung des Gemeinderats, die Stellen zu bewilligen. Das Club Kollektiv hatte die Initiative als erstes eingebracht.
- Eigene Recherche
- Website des Pop-Büros Stuttgart
- Website der Stadt Stuttgart