Strafvollzug Mehr Ältere, mehr Nordafrikaner und Ersttäter in Haft
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Ältere Menschen werden nicht nur zu Opfern, sie sitzen auch immer häufiger als Täter im Gefängnis. Nicht die einzige Herausforderung für die Justiz.
Hinter Gittern sitzt zunehmend auch ein Abbild der Gesellschaft. Ähnlich wie außerhalb der Gefängnismauern wird die Gruppe der älteren Häftlinge in Baden-Württemberg größer, sie wird internationaler, aggressiver und es kommen immer mehr Menschen zum ersten Mal in Haft.
"Unsere Gefängnisse sind längst nicht mehr mit der gleichen Gefangenenklientel wie vor zehn Jahren belegt", sagt Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU). Die Gefangenenstruktur habe sich spürbar verändert – sowohl in Bezug auf die Herkunft als auch auf die Altersgruppen und die Art der begangenen Straftaten. Deshalb gebe es inzwischen unter anderem auch mehr Dolmetscher, spezielle medizinische Betreuung und stärkere Sicherheitsmaßnahmen.
Ein Blick auf die jüngsten Veränderungen in der Strafvollzugsstatistik:
Es kommen immer mehr Menschen ins Gefängnis
Nach Angaben des Justizministeriums sitzen derzeit 6.579 Menschen im geschlossenen Vollzug (Stichtag 20.2.2025). Das ist der höchste Wert seit fünfeinhalb Jahren. Landesweit stehen 6.730 Haftplätze im geschlossenen Vollzug zur Verfügung.
Mehr Ausländer in Haft
Immer häufiger werden Ausländer verurteilt. Nach Angaben des Ministeriums stammen die größten Gruppen im baden-württembergischen Vollzug aus der Türkei, Algerien, Syrien und Rumänien. Inzwischen haben etwa 53 Prozent der Häftlinge keinen deutschen Pass.
Für die bessere Kommunikation wurde ein Video-Dolmetscherdienst etabliert, neben den klassischen Bildungsangeboten sind zudem die Alphabetisierungs-, Deutsch- und Integrationskurse ausgebaut worden. So sollen Gefangene sich später besser für einen Beruf qualifizieren können, wie das Ministerium mitteilte. In der Gesundheitsversorgung werde mehr auf Telemedizin und Telepsychotherapie gesetzt, um Gefangene zu betreuen, die kein Deutsch verstehen können.
Anteil der Nordafrikaner nimmt zu
Den größten Zuwachs unter den ausländischen Inhaftierten haben Menschen aus Nordafrika. Zwischen März 2023 und dem vergangenen März stieg die Zahl der inhaftierten Algerier laut Statistik um 27 Prozent, die der Marokkaner um 52 Prozent und die der Tunesier um knapp 47 Prozent. Bis Ende Januar 2025 legten diese Gruppen um weitere 17,5 (Algerien) bis 50 Prozent (Marokko) zu.
Derzeit kommt laut Statistik etwa jeder Zehnte aus einem nordafrikanischen Land, ein Drittel der Häftlinge in Baden-Württemberg gehört der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Deshalb möchte das Land mittelfristig flächendeckend Seelsorger für die religiöse Betreuung anbieten.
Mehr Ersttäter im Gefängnis
Auch der Anteil nicht vorbestrafter Strafgefangener wird deutlich größer. Lag er im vergangenen Jahr noch bei 59,3 Prozent oder 4.087 Gefangenen, so waren zwei Jahre zuvor 53,9 Prozent oder 3.350 Gefangene das erste Mal in Haft. Vorgeworfen werden ihnen vor allem Diebstahl und Unterschlagung, Drogenhandel und Körperverletzung.
Demographischer Wandel auch im Gefängnis
Laut Statistik sind die meisten Strafgefangenen zwischen 25 und 40 Jahre alt (47,3 Prozent oder 3.263 Gefangene), sie machen fast die Hälfte aller Inhaftierten aus. Mehr als jeder Vierte (28,9 Prozent oder 1.995 Gefangene) ist zwischen 40 und 60 Jahre alt.
Anstieg bei jüngeren Häftlingen überdurchschnittlich
Besonders auffällig ist aus Sicht des Justizministeriums der überproportionale Anstieg bei den jungen Inhaftierten unter 21 Jahren. Der Anteil dieser Gruppe ist allerdings mit 7,4 Prozent oder 510 Gefangenen weiterhin vergleichsweise klein.
Auch zunehmend ältere Menschen in den Zellen
In baden-württembergischen Gefängnissen sind auch Zahl und Anteil der Senioren weiter gestiegen. Ein Trend, keine Momentaufnahme: Denn allein seit der Jahrtausendwende hat sich unter den Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten sowie den Untersuchungshäftlingen der Anteil der Inhaftierten der Generation 60plus stetig gesteigert. Vor rund einem Jahr saßen laut Ministerium 368 Gefangene über 60 Jahren ein. Ein Jahr zuvor waren es in dieser Altersgruppe 334 und Ende März 2022 waren es 308.
Zwar seien eher wenige der Gefangenen und Sicherungsverwahrten Inhaftierte im Rentenalter. "Dennoch spiegelt sich der demographische Wandel auch in der Altersstruktur der Inhaftierten wider", teilte das Landesamt bereits zur Statistik des Jahres 2023 mit. Die Herausforderungen für den Strafvollzug seien beträchtlich.
- Nachrichtenagentur dpa