Bundestagswahl im Südwesten Grün-schwarze Fliehkräfte? Was die Wahl fürs Land bedeutet
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Nach der Wahl ist vor der Wahl: Die CDU ist in Feierlaune, die Grünen starten geschwächt in den nächsten Wahlkampf. Aber einen Vorteil hat das Ergebnis der Bundestagswahl für die Ökopartei.
Es gehe nicht ums Feiern, sagt CDU-Landechef Manuel Hagel, nachdem seine Partei die Bundestagswahl gewonnen hat. Man müsse jetzt an die Arbeit gehen. Dabei dröhnt direkt hinter ihm im Adenauer-Haus die laute Partymusik. "Vielleicht nur kurz heute Abend."
Besonders bei der CDU im Südwesten dürften an diesem Abend die Korken geknallt haben: 31,6 Prozent holen die Christdemokraten in Baden-Württemberg nach vorläufigem amtlichem Endergebnis, mehr als im Bundesschnitt, deutlich mehr als noch bei der Bundestagswahl 2021. Das mag manchen Christdemokraten darüber hinwegtrösten, dass einige siegreiche Direktkandidaten der Partei wegen des neuen Wahlrechts nicht in den Bundestag einziehen dürfen.
Besonders wichtig: Die CDU holt auch mehr als doppelt so viel wie ihr größerer Koalitionspartner im Südwesten: Die Grünen kommen mit 13,6 Prozent nach CDU, AfD und SPD nur auf den vierten Platz. Von einem "stabilen Ergebnis" spricht zwar der Landeschef Pascal Haggenmüller - er stellt aber auch fest: "Wir sehen, dass sich Bundes- und Landesebene sehr annähern in den Werten." Für die Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist genau das ein massives Problem, denn in gut einem Jahr steht die nächste Landtagswahl an. Die Grünen stehen ordentlich geschwächt da.
Kretschmann-Effekt
Bisher hatten die Grünen immer auf den sogenannten Kretschmann-Effekt vertrauen können: In Baden-Württemberg schnitten sie meist besser ab als bundesweit. Schon bei den Europawahlen im vergangenen Frühsommer schmolz der Vorsprung deutlich ab, zwei Prozentpunkte lagen die Südwest-Grünen da vor den Bundes-Grünen. Und auch jetzt bei der Bundestagswahl ist das Ergebnis im Ländle nicht viel besser als im Bund.
Nicht gerade Rückenwind mit Blick auf die nächste Landtagswahl im Frühjahr 2026, denn dann werden die Karten im Südwesten neu gemischt: Der grüne Übervater Kretschmann tritt nach drei Amtsperioden nicht mehr an. Um seine Nachfolge bewirbt sich für die Grünen der scheidende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Ob er einen Teil des Kretschmann-Effekts auf sich übertragen kann, dürfte darüber entscheiden, ob die Ökopartei die Regierungszentrale weiter halten kann. Ebenso wie Kretschmann versucht er jedenfalls, das konservative Klientel in Baden-Württemberg anzusprechen.
Es wird schwer für die Grünen
Auch wenn sich CDU-Chef Hagel bisher nicht zur Spitzenkandidatur für die Landtagswahl geäußert hat, dürfte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der größte Konkurrent Özdemirs werden. Am Montagabend treffen die beiden erstmals im SWR direkt öffentlich aufeinander, seit Özdemir seine Kandidatur verkündet hat.
Für Hagel ist die Ausgangslage nicht nur wegen des Siegs bei der Bundestagswahl komfortabel. Die CDU liegt in den Umfragen zur Landtagswahl seit vielen Monaten mit deutlichem Abstand vor den Grünen, die letzte Erhebung des SWR sah sie bei 33 Prozent. Die Grünen landeten in der Umfrage bei 22 Prozent und holten damit mit der Bekanntgabe der Kandidatur von Özdemir immerhin vier Prozentpunkte auf.
Özdemir dürfte nach Bildung einer neuen Bundesregierung viel Zeit haben, sich im Südwesten weiter bekannt zu machen. Zwar verkörpert er das Scheitern der Ampel. Allerdings könnte ihm in die Karten spielen, wenn sich nun im Bund ein schwarz-rotes Bündnis unter einem Kanzler Friedrich Merz (CDU) bildet. Und Özdemir kann sich leichter absetzen von der Bundesregierung, wenn seine Parteikollegen in der Opposition landen.
Beobachter rechnen damit, dass nun der Landtagswahlkampf - mehr als ein Jahr vor dem Termin - zusehends an Fahrt gewinnen wird. "Wir gehen jetzt in Richtung Wahlkampf", prognostiziert etwa der Politikwissenschaftler Michael Wehner, der als Professor an der Universität Freiburg lehrt und die dortige Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung leitet. Özdemir werde sich nach der Regierungsbildung vollständig nach Baden-Württemberg orientieren und auch CDU-Chef Manuel Hagel werde alles dafür tun, im Südwesten bekannt zu werden, so Wehner. Die Arbeit in der grün-schwarzen Landesregierung dürfte dieses Duell wohl eher nicht vereinfachen.
Heiße Phase nicht vor Weihnachten
Mancher Landespolitiker sagt bereits hinter verschlossenen Türen, dass nun der Landtagswahlkampf beginnt. Grün-Schwarz jedenfalls hat nach Aussage der Spitzenvertreter so gut wie alle Vorhaben im Koalitionsvertrag inzwischen abgearbeitet. Experte Wehner jedoch meint: "Die heiße Phase des Wahlkampfes wird nicht vor Weihnachten beginnen."
Trotz der guten Vorzeichen darf sich die CDU aus Sicht des Experten nicht schon auf einen Sieg bei der Landtagswahl einstellen. Wichtig werde für die CDU vor allem, wie sich eine CDU-geführte Bundesregierung schlagen werde. "Entscheidend wird sein, ob sie in ihrer Leistungsbilanz im März 2026 positiv bewertet wird", sagt Wehner. Wenn Merz an den Megathemen Wirtschaft und Migration scheitern sollte, würde das ordentlich Gegenwind bedeuten für Hagel.
- Nachrichtenagentur dpa