Fußball Bereit für EM-Anpfiff? Polizei setzt zusätzliche Beamte ein
Sicherheit ist das abseits des Fußballs Thema Nummer eins rund um die bevorstehende Heim-EM. Jetzt haben Polizei und Feuerwehr einen Einblick gegeben in ihr Konzept.
"Entscheidend ist auf"m Platz", lautet eine gängige Redensart, wenn es um den Fußball geht. Etwas mehr als zwei Wochen vor der Europameisterschaft scheint für viele aber die Sicherheit Thema Nummer eins zu sein. Kann das vierwöchige Turnier in Zeiten der Kriege und der internationalen Gefahren ein Fest werden? Die baden-württembergischen Sicherheitsbehörden geben sich überzeugt. Wo liegen die Risiken, wie bereitet sich die Polizei vor und womit müssen Fans rechnen?
Wie hat sich die Lage im Vergleich zur WM 2006 verändert?
Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) spricht mit Blick auf die Weltlage von einer "Mega-Herausforderung". "Wir haben Krieg in Europa. Der sich zuspitzende Nahost-Konflikt und der Ukraine-Krieg sind auch bei uns spürbar", sagte er am Dienstag in Stuttgart. "Das hat natürlich Auswirkungen auch auf die Sicherheitslage hier bei uns." Seit dem terroristischen Angriff der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 hat sich auch die Bedrohungslage durch islamistischen Terrorismus nach Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden verschärft. Militante Islamisten versuchten, Unruhe in Deutschland zu stiften und riefen zu Anschlägen auf. Außerdem könnten Großveranstaltungen wie die EM als Bühne für Proteste Unzufriedener dienen, teilte die Polizei mit. Kommt hinzu, dass es 2006 Bedrohungsszenarien wie Cyber- und Drohnenangriffe noch nicht gab.
Wie viele Polizisten und Rettungskräfte sind bei der EM im Einsatz?
Mit mehreren Tausend zusätzlichen Sicherheitskräften bereiteten sich Polizei und Rettungsdienste vor. Denn die erwartete Fan-Masse ist gewaltig: Neben den 270 000 Fußballfans bei den fünf Spielen im Stadion werden nach Angaben der Stadt weitere zwei Millionen Besucher allein rund um die EM in Stuttgart erwartet. Vor allem bei den Hochrisikospielen ist die Polizei mit in Spitzenzeiten bis zu 2500 zusätzlichen Polizisten aus dem Land und den angrenzenden Bundesländern im Einsatz, sagte der Stuttgarter Polizeipräsident Markus Eisenbraun. Die Feuerwehr verzehnfacht ihre Einsatzkräfte um landesweit 1000, das Deutsche Rote Kreuz spricht von 6000 Ehrenamtlichen bundesweit.
Auf welche Gefahren bereiten sich die Behörden vor allem vor?
Die Liste der Risiken liest sich wie der Klappentext eines Katastrophenromans. In mehreren großen Übungen haben sich die Sicherheitsbehörden vorbereitet auf Lebensmittelvergiftungen und Unwetterlagen, auf eine Giftgasattacke, eine Amokfahrt oder einen wild gewordenen Messerstecher im Fanblock. "Auch die Gefahren im Luftraum sind andere als bislang", sagte Eisenbraun. Deshalb seien bei der EM Polizeidrohnen und Hubschrauber im Einsatz, 15 Polizeikameras in der Stadt zeichneten ebenso auf wie die Videoüberwachung an Eckensee und Schlossplatz. An den Grenzen sollen ebenso wie an den Bahnhöfen und auf dem Flughafen bis zu 2000 zusätzliche Bundespolizisten in Uniform und Zivil im Einsatz sein. Für 10,5 Millionen Euro schuf die Stadt Dutzende Barrieren mit hydraulischen und fest verbauten Pollern sowie Keilbarrieren, die aus der Straße hochgefahren werden können.
Wie werden die einzelnen Spiele in Stuttgart bewertet?
Vier der fünf Partien in Stuttgart sind Vorrunden-Paarungen, dazu kommt ein Viertelfinale, das sich bislang nur theoretisch vorbereiten lässt. Zwei dieser Spiele - die Partien zwischen Deutschland und Ungarn sowie Schottland und Ungarn - gelten als Hochrisikospiele, weil vor allem die ungarische Hooliganszene gefürchtet wird. "Slowenien gegen Dänemark, das hat natürlich nicht diese Brisanz, die Deutschland und Schottland angeht", sagte Eisenbraun. Auch die Fußballfans seien sehr unterschiedlich: "Schottischen Fans wird nachgesagt, sie seien friedlich und trinkfest. Darauf muss sich eher die Gastronomie vorbereiten." In der letzten Vorrunden-Partie trifft die Ukraine auf Belgien. Die Fans gelten dort laut Polizei eher als unkritisch, aber die politische Lage erhöht die Vorsicht.
Haben sich Staatsgäste angekündigt?
Bislang steht nach Polizeiangaben noch kein Staatsoberhaupt fest auf der Gästeliste. "Wir erwarten aber aus allen bislang angemeldeten Nationen entsprechende Staatsgäste", sagte Eisenbraun. Derzeit gebe es Absprachen. Es sei aber bekannt, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ein ausgesprochener Fußballfan sei. "Mit seiner Anreise rechnen wir mindestens einmal, wenn nicht zweimal."
Wie viele Fans werden aus dem Ausland erwartet?
Das ist unklar. Die Bundespolizei rechnet mit den meisten Anreisen per Auto und Bahn, sie hat aber auch sogenannte Billigflüge zum Baden-Airpark und nach Friedrichshafen im Blick. In Stuttgart wird nach Polizeiangaben unter anderem mit 50 000 bis 100 000 Fans aus Schottland gerechnet, aus Ungarn werden zahlreiche Anhänger der zum Teil gewaltbereiten und exzentrischen Hooliganszene erwartet. Vor allem am Stuttgarter Hauptbahnhof, seit vielen Jahren eine Großbaustelle, könnte es angesichts der Masse anreisender Fans zu Problemen kommen. Die Präsenz der Bundespolizei soll deutlich auf bis zu 2500 Beamte in Spitzenzeiten erhöht werden, es sollen zudem uniformierte Polizeikräfte aus den Teilnehmerländern vor Ort sein. "Bei festgestellten Straftaten reagieren wir mit niedriger Einschreitschwelle", sagte der Präsident der Bundespolizeidirektion in Stuttgart, Carsten Laube.
Wie bereiten sich Bund und Länder noch auf mögliche Gefahren vor?
Das sogenannte International Police Coordination Center (IPCC) in Neuss soll Dreh- und Angelpunkt für die Auswertung sicherheitsrelevanter Informationen rund um das Turnier sein sowie für den Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern sorgen. Neben Polizisten finden Experten von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und der Cybersicherheitsbehörde BSI Platz. Dabei geht es laut BMI um allgemeine, organisierte oder politisch motivierte Kriminalität, Hooliganismus oder die Begleitung von Demonstrationen im Umfeld der Spielstätten. Die Polizei Baden-Württemberg ist mit 16 Beamtinnen und Beamten in verschiedenen Funktionen dort vertreten.
- Nachrichtenagentur dpa