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Nazis vor Gericht: Wie Ludwigsburger Ermittler die Spur verfolgen


Die letzten Nazis vor Gericht
Wie Ermittler die Spur verfolgen

Von dpa
01.01.2024Lesedauer: 3 Min.
Zentrale Stelle Aufklärung nationalsozialistische VerbrechenVergrößern des Bildes
Thomas Will, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung von nationalsozialistischen Verbrechen, steht im Archiv. (Quelle: Bernd Weißbrod/dpa/dpa-bilder)
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Es kann nicht mehr lange dauern, dann werden die letzten NS-Verbrecher gestorben sein. Die, die noch leben, sind 98 Jahre alt und älter.

Erst konzentrierten sich die Nazijäger auf deutsche Vernichtungslager, dann Konzentrationslager und seit einiger Zeit sind es darüber hinaus die Kriegsgefangenenlager: Der Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen hat das Suchfeld nach Nazis ausgeweitet, seit er die Führung in Ludwigsburg übernommen hat. Viel Zeit bleibt Oberstaatsanwalt Thomas Will nicht, denn es geht um mutmaßliche Beschuldigte der Jahrgänge 1924 bis etwa 1927 - also Menschen, die jetzt 97 und älter sein dürften und verhandlungsfähig wären.

Im Blick sind dabei Lager in Nürnberg (Bayern), Paderborn-Sennelager (NRW) und Mühlberg mit Zeithain in Sachsen. "Auch Nebenlager von Konzentrationslagern sind für uns noch interessant", sagte Will.

Die Ludwigsburger Vorermittlungsbehörde übergab jüngst ein Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaft in Celle. Es geht dabei um eine Frau, die in einem Kriegsgefangenenlager tätig war.

Suche nach NS-Tätern: Fall in Hessen noch nicht entscheiden

Über einen Fall in Hessen wurde noch nicht entschieden. Die Staatsanwaltschaft Gießen hatte Anklage gegen einen Mann erhoben, der als Heranwachsender Wachmann im KZ Sachsenhausen gewesen sein soll. Dem Angeschuldigten aus dem Main-Kinzig-Kreis werde zur Last gelegt, von Juli 1943 bis Februar 1945 in mehr als 3300 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. Über die Zulassung der Anklage hat die Jugendkammer des Landgerichts Hanau noch nicht entschieden. Der jetzt 99 Jahre alte Mann war zur Tatzeit Heranwachsender.

Offen ist auch noch der Fall eines mutmaßlichen Wachmanns eines Kriegsgefangenenlagers der Wehrmacht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte ihn wegen Beihilfe zum grausamen Mord in mindestens 809 Fällen angeklagt. Als junger Mann soll er demnach von Ende November 1942 bis zum 20. März 1943 im Lager Wladimir-Wolynsk auf dem Gebiet der heutigen Westukraine eingesetzt gewesen sein, wo sowjetische Soldaten unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten wurden.

Viele Gefangene verhungerten oder starben an Krankheiten. Doch der jetzt 100-Jährige kam nicht in Berlin vor Gericht. "Das Berliner Kammergericht hat den Nichteröffnungsbeschluss des Landgerichts aufgehoben, da man ihn für verhandlungsfähig erachtet. Das Landgericht muss nun neu entscheiden", sagte Will.

Urteil: Beihilfe zum Mord

Nach der Verurteilung des Wachmanns John Demjanjuk im Jahr 2011 wegen Beihilfe zu tausendfachem Mord werden auch Wachleute niedriger Ränge strafrechtlich verfolgt. Nach dieser geänderten Rechtspraxis wird die einfache Wachtätigkeit in einem KZ, in dem systematisch Menschen ermordet wurden, als Beihilfe zum Mord gewertet.

Will sagt, er versuche die Zentrale Stelle in der letzten Phase ihrer Tätigkeit noch so zu führen, dass "wir unserem Auftrag nachkommen und noch Täter oder Taten auffinden". "Das wird von Jahr zu Jahr natürlich schwieriger." Doch wie geht es mittelfristig mit der Zentralen Stelle weiter?

Sie solle nach Abschluss der Strafverfolgungsaufgaben in ein Zentrum für Dokumentation, Forschung, Information, Erinnerung und Begegnung weiterentwickelt werden, hieß es aus dem Justizministerium dazu. "Dessen Ziel soll es sein, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte zu fördern. Mit der Erarbeitung eines Umsetzungskonzeptes wurde das Haus der Geschichte Baden-Württemberg beauftragt, hierfür sind in etwa zwei Jahre veranschlagt."

Ludwigsburger Ermittler machen weiter

Hoffnung auf weitere Hinweise setzen die Ludwigsburger Ermittler auch in Akten einiger Staatsanwaltschaften, an die Verfahren in den vergangenen Jahrzehnten abgegeben wurden. "Manche Staatsanwaltschaften haben die Komplexe rund um Einsatzgruppen richtig groß ermittelt. Und da haben wir festgestellt, dass möglicherweise nicht alle Personalien zu uns gelangt sind. Jetzt geht es darum, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten mit unseren Erkenntnissen abzugleichen. Da hoffen wir noch Namen zu generieren."

Einsatzgruppen waren mobile Mordkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes und verübten nach dem Einmarsch deutscher Truppen vor allem in Polen und später in der Sowjetunion planmäßige Massaker.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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