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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ungewöhnliches Konzept gewinnt Gründerpreis Abendmenü ohne Teller: Wie ein Restaurant in Stuttgart Wasser sparen will
Keine Teller: In diesem veganen Stuttgarter Restaurant isst man das Abendmenü direkt vom Tisch. Die Inhaberin will auf diese Weise Wasser sparen.
Tanja Goldstein empfängt zum Gespräch in lässiger Jeanslatzhose. Die Stuttgarter Restaurantchefin hat an diesem Freitagvormittag nicht etwa die Menüplanung auf der Agenda, sondern fährt den Kompost der vergangenen Tage auf die Deponie. Dieser entsteht in einer speziellen Kompostieranlage im Lager von Heaven's Kitchen, dem einzigen veganen Zero-Waste-Restaurant in Baden-Württemberg.
Auch sonst ist hier einiges anders als in den meisten Restaurants. Für ihr Konzept hat die Gastronomin bereits Preise erhalten. Die 2022 eröffnete Gastronomie an der Theodor-Heuss-Straße begrüßt mit einem LED-Sternenhimmel, warmem Licht und Tischen aus Altholz und sattgrünen Kletterpflanzen an den Wänden. Zum Essen kommen Freunde des veganen Genusses, aber auch jene, die einfach nur Erlebnisgastronomie schätzen.
Nicht belehren
Denn Tanja Goldstein gehe nicht über die Schiene des Belehrenden, sagt sie. "Wir bespielen gar nicht die typische Zielgruppe. Zu uns kommen viele Menschen um die 50, die noch nie vegan gegessen haben", erklärt die Gastronomin. Das Highlight des Restaurants, das anfangs als Tagescafé gestartet ist, ist das Heaven's 7 Senses. Das Abendmenü soll alle sieben Sinne ansprechen und kommt ohne Teller daher.
Vor den Gästen an ihrem jeweiligen Tisch legt das Servicepersonal ein braunes Papier aus. Was zunächst nicht allzu glamourös wirkt, wird es spätestens, wenn die Mitarbeiter die vielen Wägelchen in den Raum rollen und das Essen darauf anrichten. "Es ist eine wahnsinnig haptische Erfahrung", sagt Tanja Goldstein. Alle sechs bis acht Wochen wechselt das Abendmenü. Auf den Tisch kommt vor allem Saisonales.
Lauch-Pilz-Creme auf Papier
Das Zwei-Gänge-Menü besteht aus mehreren Komponenten. Aufs Papier drapiert wurde schon ein mit Lauch-Pilz-Creme gefülltes Hokkaido-Nest, neben Teriyaki-Portobello mit Asia-Slaw, einem Trüffel-Kartoffel-Vulkan, Auberginen-Humus, Fenchel-Pilz-Risotto und einiges mehr. Nur für das Dessert wird ein neues Papier ausgebreitet. Was woanders in mehreren Gängen auf zahlreichen Tellern daherkommt, soll im Heaven’s Kitchen möglichst ressourcenschonend und ohne Müll über den Tisch gehen.
Denn seit der Eröffnung verfolgt das Restaurant ein Zero-Waste-Konzept. Wie viele Ressourcen sie abends einspart, rechnet Goldstein vor: "Bei unserem Abendmenü bräuchten wir pro Person sechs Teller. Geht man von bis zu 80 Personen pro Abend aus, würde die Spülmaschine circa 50 Mal laufen. Im Jahr kommt man so auf 20.000 Liter Wasser."
Papier statt Teller
Das Papier kommt von einem französischen Hersteller und wird nach Gebrauch je nach Kapazität der Anlage kompostiert oder entsorgt. "Unser Gemüsehändler nimmt die Verpackungen wieder mit. Ansonsten machen wir vieles selbst und verwerten, was übrig bleibt", sagt sie. Abgeschnittene Tomatenenden koche man beispielsweise zu Sugo ein.
Gründerpreis für Konzept
Für die nachhaltige Gastronomie gewann Heaven's Kitchen 2023 den Deutschen Gastro Gründerpreis und den WeltverbEsserer Preis. Als Vorreiterin sieht Goldstein sich nicht, "aber wir wollen ein Beispiel sein. Zudem ist jeder vermiedene Müllberg gut."
Infos zum Restaurant Heaven's Kitchen
Öffnungszeiten:
Heaven's Kitchen hat Mittwoch bis Samstag von 10 bis 15 Uhr geöffnet und von Donnerstag bis Samstag zusätzlich von 18 bis 23 Uhr.
Adresse:
Heaven's Kitchen
Theodor-Heuss-Straße 26
70174 Stuttgart
Webseite:
heavenskitchen.rocks
Ihr unkonventionelles Konzept wird jedenfalls immer bekannter. "Manchmal stehen Leute mittags im Laden und sind dann ganz enttäuscht, dass das Essen auf dem Teller kommt", sagt Tanja Goldstein. Das sei jedoch personell sehr aufwendig. Zudem kämen die meisten Menschen tagsüber lediglich auf einen Kaffee und eine Kleinigkeit zum Essen vorbei.
- Eindrücke vor Ort
- Gespräch mit Tanja Goldstein