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Zwangsimpfung von Ukrainerin Inna Z.: Anzeigen gegen Richterin und Aktivisten


"Querdenker" versteckten Inna Z.
Zwangsimpfung: Anzeigen gegen Richterin und Aktivisten


18.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Die Figur der Justitia (Symbolbild): Wollte ein Stuttgarter seinen Verwandten töten lassen?Vergrößern des Bildes
Die Figur der Justitia (Symbolbild): Das Amtsgericht Stuttgart spricht von einer Nachrichtenflut in bislang noch nicht erlebten Dimensionen. (Quelle: imago images/imagebroker)

Der Fall Inna Z. zieht weiter Kreise: Mehrere Anzeigen wurden erstattet und Strafverfahren eingeleitet. Ihr Anwalt verurteilt die persönlichen Angriffe.

Die Zwangsimpfung der 85-jährigen Inna Z. aus Stuttgart beschäftigt die Justiz nun auch außerhalb des Beschwerdeverfahrens: gleich mehrere Anzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingegangen. Das Amtsgericht Stuttgart spricht von einer Nachrichtenflut in bislang noch nicht erlebten Dimensionen – und hat zwei Strafverfahren eingeleitet.

Eine Strafanzeige wurde gegen die Richterin am Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt eingereicht. Eine weitere gegen die Betreuerin der 85-jährigen Dame wegen "Zwangsimpfung" sowie eine Strafanzeige wegen "Entführung". Das bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart t-online.

Die Behörde muss nun prüfen, ob sich die mutmaßlich aus der "Querdenker"-Szene stammenden Aktivisten strafbar gemacht haben, indem sie die 85-Jährige vor der Impfung versteckt haben. Gleiches gilt für die Betreuerin der Frau, die die Impfung gerichtlich beantragt hatte, und für die Richterin, die diesem Antrag zustimmte.

Gerichtssprecherin: "Solche Dimension noch nicht erlebt"

Als der Fall in der vergangenen Woche bekannt wurde, schlug er schnell hohe Wellen. Vor allem von "Querdenkern", Impfskeptikern und Corona-Leugnern wurden in den sozialen Netzwerken Beiträge geteilt, die sich kritisch mit dem Entscheid des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt auseinandersetzten. Auch t-online berichtete kritisch über das Urteil: Gleich zwei Experten äußerten Bedenken, ob eine Impfung gegen den erklärten Willen der psychisch kranken Frau wirklich notwendig sei.

Darum geht es

Die 85-jährige Ukrainerin und Holocaust-Überlebende Inna Z. soll in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingeliefert und vorher zwangsweise geimpft werden. So hat das Betreuungsgericht des Amtsgerichts Stuttgart Bad-Cannstatt im Dezember geurteilt. Der entsprechende Beschluss war in der vergangenen Woche öffentlich geworden und hat vor allem unter "Querdenkern" und Impfskeptikern hohe Wellen geschlagen. Das ging sogar so weit, dass Aktivisten die Frau vor der Polizei versteckten.

Inna Z. leidet laut einem Gutachten unter schweren psychischen Problemen, die unter anderem ein gestörtes Sozialverhalten und Aggressivität umfassen. Ihre Berufsbetreuerin hat deshalb beim Betreuungsgericht eine Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie beantragt. Gleichzeitig beantragte sie, dass die in Stuttgart wohnhafte Frau geimpft werden solle. Das Gericht stimmte den Anträgen zu.

Vor allem in Telegramkanälen und auf Twitter wurde der Beschluss vom 6. Dezember tausendfach kommentiert und kritisiert. Wenig überraschend also, dass auch beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt zahlreiche Nachrichten eingingen. Doch die Art und Weise, wie der Vorfall von manchen kommentiert wird, ist nicht nur kritisch – sondern möglicherweise auch justiziabel.

In der Regel komme es selten vor, "dass Verfahren von unbeteiligten Dritten kommentiert werden", schreibt eine Sprecherin des Amtsgerichts auf Nachfrage an t-online. Das sei in diesem Verfahren jedoch anders gewesen: "Eine solche Dimension von Eingängen wie in dem angesprochenen Verfahren habe ich noch nicht erlebt", erklärt die Sprecherin. "Insbesondere am Mittwoch (11. Januar) stellte die Sichtung und Bewertung der Eingänge sowie die Entgegennahme der Anrufe eine tagesfüllende Beschäftigung dar", schreibt sie weiter. Danach habe es jedoch nachgelassen.

Amtsgericht sieht drei Kategorien von Nachrichten

Die Nachrichten lassen sich laut Amtsgericht grob wie folgt einteilen: "Ein Großteil der Absender nutzt einen vorformulierten Text, der entweder unverändert oder mit geringen Veränderungen an uns übersandt wird." Darin werde, so die Sprecherin, das Entsetzen über den Inhalt des Beschlusses, die Aufforderung, dieses "Verbrechen" zu verhindern und die behauptete Wirkungslosigkeit von Impfungen gegen SARS-CoV-2 formuliert. "Ein weiterer großer Teil enthält individuell formulierte Kritik an dem Beschluss, ein geringer Teil fragt nach, wie die persönlichen Daten der Betroffenen ins Internet gelangen konnten."

Dass diese Daten beziehungsweise der gesamte Beschluss geleakt wurden, hat wohl auch unangenehme Folgen für die Richterin. So gab es mindestens zwei Nachrichten, in denen die Frau bedroht wurde. In beiden Fällen wurde laut Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt ein Strafverfahren eingeleitet.

Auch die Polizei sei eingeschaltet worden, um eine eventuelle Bedrohungslage abschätzen zu können, die möglicherweise weitere Schutzmaßnahmen erforderlich gemacht hätte. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen, so das Amtsgericht weiter.

Anwalt hofft auf Lernprozesse

Dass es so weit kommen musste, findet Holger Fischer, Anwalt von Inna Z., nicht gut: "Es geht nicht, dass man Leute persönlich angreift", sagt er im Gespräch mit t-online. Ihm wäre lieber, wenn stattdessen die Justiz das Ganze aufarbeiten würde. "Es ist wichtig, dass die Richterin die Gelegenheit hat, ihre Fehler zu erkennen."


Quotation Mark

"Zum Rechtsstaat gehört nicht, dass man Leute persönlich beleidigt, bedroht und beschimpft"


Holger Fischer, Rechtsanwalt


Fischer "hätte es besser gefunden, wenn man den Fall erst einmal betreuungsrechtlich bearbeitet hätte" – und die Justiz den Fehler korrigiert hätte, der seiner Meinung nach begangen wurde. "Das gehört zum Rechtsstaat dazu, nicht dass man Leute persönlich beleidigt, bedroht und beschimpft", findet der Hanauer Anwalt. Am Ende gebe es ja auch Möglichkeiten und Verfahren, mit denen Entscheidungen von Richtern explizit hinterfragt werden dürften.

Fischer meint, "es wäre schön, wenn die Öffentlichkeit etwas aus dem Fall lernen könnte". Etwa, dass anders mit Menschen umgegangen werden müsse. Damit meint er nicht nur die Richterin, sondern explizit auch die älteren, auf Betreuung angewiesenen Menschen wie Inna Z. Diese würden nur allzu oft schnell und bequem eingewiesen, ohne deren Bedürfnisse sowie Alternativen zu einem solchen Vorgehen ausreichend zu berücksichtigen.

Verwendete Quellen
  • Schriftliche Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart
  • Telefonat mit dem Landgericht Stuttgart
  • Schriftliche Anfrage beim Amtsgericht Stuttgart
  • Telefonat mit Rechtsanwalt Holger Fischer
  • Recherchen auf Twitter
  • Eigene Recherchen
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