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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wegen schwer vermittelbarer Hunde Tierheim am Limit: "Katastrophe" direkt voraus
Es ist mehr als der alljährliche Hilferuf des Tierheims in den Sommerferien. Diesmal ist die Not der Einrichtungen drängender. Geht es bald etwa um Hundeleben?
Diese Geschichte ist in den Medien vor allem im themenarmen Sommer alljährlich beliebt: die der überfüllten Tierheime, weil herzlose Urlauber ihre unliebsamen Vierbeiner wegen eines kurzen Vergnügens abgeben. Wer dafür nun beim Nürnberger Tierheim anfragt, der merkt schnell: Die aktuelle Notsituation geht über dieses Phänomen hinaus.
Tanja Schnabel schildert, dass sie bereits seit Monaten Aufnahmestopp hätten. Das Tierheim sei in allen Bereichen komplett ausgelastet. Das gehe so weit, dass sie schon seit Monaten keine Tiere von Privatpersonen mehr aufnehmen könnten. Sie seien am Limit.
Aus diesem Grund seien die Sommerferien allein nicht mehr das große Problem. Außerdem, erklärt die Leiterin: Es sei schon länger nicht mehr so, dass Tiere vermehrt "nur" in den Ferienzeiten ausgesetzt würden. Dies geschehe mittlerweile über das gesamte Jahr verteilt.
Jeden Tag zehn neue Tiere im Nürnberger Tierheim
Im Durchschnitt kommen zehn neue Tiere pro Tag hinzu, heißt es dazu auf der Tierheim-Homepage. Jeder Neuankömmling müsse zunächst untersucht und häufig auch gesund gepflegt werden. Bis zu 500 Tieren seien durchlaufend in der Einrichtung, die sich durch Spenden finanziert.
- "Voll bis unters Dach": Nürnberger Tierheim verhängt Aufnahmestopp
"Die Masse an Tieren ist derzeit unser Hauptproblem." Privathalter legten sich ohne jeden Hundeverstand Tiere zu, so Schnabel auf Nachfrage von t-online. Etwa aus dem Internet. Und sobald sie nicht mehr damit zurechtkommen, soll das ortsansässige Tierheim das "Problem" lösen.
Hunde mit Verhaltensauffälligkeiten sind nur schwer vermittelbar
Das gelte vor allem für Hunde mit "massiven Verhaltensauffälligkeiten", präzisiert Schnabel. Gerade solche würden auf ihrer Warteliste stehen – "zum großen Teil auch welche mit Beißvorfällen". Hier seien sie am Limit ihrer Kapazitäten. Denn solche Tiere bedürften eines sehr zeitaufwendigen Trainings – und selbst danach könnten sie oft nicht bedenkenlos in eine Familie mit Kindern vermittelt werden. Deren Vermittlung in ein neues Zuhause dauere also – und koste Platz, der an der Einrichtung an der Stadenstraße in Erlenstegen gerade so rar ist.
"Ein nettes, gesundes Tier wird schneller vermittelt als ein verhaltensauffälliges, krankes." Für letztere halte sich das Interesse oft in Grenzen, die Vermittlung gestalte sich deutlich länger und aufwendiger. "Und je länger die Tiere sitzen, desto länger dauert es, bis wir neue aufnehmen können – und desto länger werden die Wartelisten."
Petition für "Schattenhunde": Brandbrief an die Bundesregierung
Deshalb unterstützen sie das Bündnis "Schattenhund", erklärt Schnabel. Das fordert eine bessere Regulation für Tierhandel im Internet – um den schwer vermittelbaren "Problemhunden", auch "Schattenhunde" genannt, in den Auffangeinrichtungen entgegenzuwirken. Diese seien nicht nur in Nürnberg, sondern bundesweit ein Problem. "Verzweifelte Hundehalter lassen ihre Hunde bereits durch Tierärzte töten, töten sie selbst oder versuchen, sie unter Angabe falscher Tatsachen im Tierheim abzugeben oder im Internet zu verkaufen", berichtet das Bündnis auf ihrer Webseite drastisch.
Im Rahmen einer Online-Petition hat das Bündnis Mitte Juli auch einen Brandbrief an die Bundesregierung adressiert. Schnabel ergänzt: Seit Jahren würden Tierschützer predigen, dass hier Handlungsbedarf bestehe. "Jetzt steht die Katastrophe direkt vor der Tür."
Das Nürnberger Tierheim appelliert auf seiner Homepage derweil: "Wenn Sie ein Tier haben, tragen Sie dafür Verantwortung." Denn: "Ein Haustier abzugeben heißt, ein Familienmitglied zu verlieren."
- Anfrage beim Tierheim Nürnberg
- tierheim-nuernberg.de: Homepage (9. August 2023)
- buendnis-schattenhund.org: Homepage (9. August 2023)