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Corona/Mainz: Notbetrieb und leere Wohnheime – Studierendenwerk in der Krise


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Umdenken wegen Corona
Notbetrieb und leere Wohnheime – das Studierendenwerk in der Krise


05.01.2021Lesedauer: 4 Min.
Studentenwohnheim Inter II: Viele Zimmer bleiben unvermietet.Vergrößern des Bildes
Studentenwohnheim Inter II: Viele Zimmer bleiben unvermietet. (Quelle: Henrik Rampe)

Die Uni im Notbetrieb, die Mensen leer und Wohnheime ohne Mieter. Das Studierendenwerk Mainz verzeichnete 2020 ein Millionen-Minus – und ist auf finanzielle Hilfe angewiesen.

Pommes frites und Mainzer Studierende verbindet eine innige Beziehung. Kein Mensaessen ist so gefragt wie die frittierten Kartoffelstäbchen, kein Menü sättigt so kostengünstig. 100 Kilogramm Pommes gingen täglich über die Theken des Studierendenwerks – so war das zumindest vor der Pandemie.

Gegenwärtig gleicht der Campus einer Filmkulisse ohne Schauspieler. Wo sonst rund 30.000 Studierende der Johannes Gutenberg-Universität ihren Lebensmittelpunkt haben, ist wenig los. Wenig Studierende, wenig Pommes, wenig Betrieb an der Mensa-Theke. Wer heute ein Mittagsmenü will, füllt vorab einen Zettel mit seinen Kontaktdaten aus, bringt mit Mundschutz sein Tablett zum Platz und setzt sich anschließend an einen der Tische, an dem maximal zwei Personen zeitgleich essen können.

Saisonkräfte ohne Beschäftigung, Stammbelegschaft in Kurzarbeit

Von insgesamt fünf Mensen und Cafés auf dem Campusgelände haben aktuell nur noch zwei mit eingeschränktem Platzangebot geöffnet. Pfeilsysteme weisen den Weg zur Essenstheke, zu den Pommes, zum Ausgang. Der "Mensablitz", ein mobiler Verkaufswagen, düst in der Mittagszeit über den weitläufigen Campus. Er parkt auf dem Vorplatz der Campus-Wohnheime. Doch der Andrang hält sich in Grenzen. Da die allermeisten Univeranstaltungen digital stattfinden, verschlägt es nur wenige auf den Hauptcampus.

Wo sich weniger Studierende tummeln, werden auch weniger Arbeitskräfte gebraucht. Die 24 Saisonarbeiter, die im Gastronomiebereich des Studierendenwerks arbeiten, konnten seit März nicht mehr beschäftigt werden. Die knapp 300 Mitarbeiter sollten Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld vor betriebsbedingten Kündigungen schützen. Doch bereits im Sommer nahm Geschäftsführerin Alexandra Diestel-Feddersen das Wort "Personalabbau" in den Mund. "Sollte sich die Situation nicht wesentlich verbessern oder das Kurzarbeitergeld verlängert werden, dann können wir nicht ausschließen, dass wir sozial verträgliche Lösungen zum Personalabbau suchen müssen", erklärte Diestel-Feddersen im Gespräch mit der "Allgemeinen Zeitung Mainz". Sämtliche Mailanfragen von t-online über die aktuelle (Finanz-)Lage und die Planungen für das Jahr 2021 blieben seitens des Studierendenwerks unbeantwortet.

Zahlen Studierende am Ende für den Umsatzverlust?

In den Sommermonaten nahm das Studierendenwerk Gespräche mit dem Land Rheinland-Pfalz auf und verhandelte über finanzielle Hilfen, um die Umsatzeinbußen auszugleichen. Doch was droht, wenn die Unterstützung ausbleibt? "Wenn keine Hilfe vom Land kommt, müssen die Mieten und der Semesterbeitrag erhöht werden", erklärte Marius Esslinger, Referent für Soziales beim Asta Mainz. Das wiederum treffe dann vor allem die Studierenden. Alles bislang nur ein Gedankenspiel. Das Wirtschaftsministerium signalisierte früh, finanziell zu unterstützen. Allein zum aktuellen Stand der Verhandlungen wollte sich beim Studierendenwerk niemand äußern.

Leerstand in den Wohnheimen

Fest steht: Im Juli kalkulierte die Geschäftsführung mit einem Umsatzverlust von rund fünf Millionen bis zum Jahresende 2020 – und das allein in der Hochschulgastronomie. Neben dem Catering ist der Bereich Wohnen die zweite große Stütze des Studierendenwerks, das 4.300 Zimmer an zehn Standorten vermietet. Weil aber seit Monaten Zimmer unvermietet leer stehen, summieren sich die Mietausfälle.

Anders als in vergangenen Jahren, als bis zu 500 Studierende auf Nachrückerlisten notiert waren, standen zum Semesterstart Anfang November knapp zehn Prozent der Wohnheimzimmer leer. Zuletzt wurde auf den eigenen sozialen Netzwerken aktiv um jeden neuen Bewohner geworben. Bereits im April änderte das Studierendenwerk seine Mietsatzung, sodass auch Nicht-Studierende Zimmer beziehen können. Rund 50, vorwiegend Auszubildende, fanden so zu einer Bleibe in Mainz. Doch es stehen noch immer Zimmer leer.

Wie erleben Studierende die Situation?

Seit neun Monaten wohnt Lena alleine in ihrer Zweier-WG im Wohnheim Hechtsheim. Im März bezog eine italienische Erasmus-Studentin das Nebenzimmer, keine zwei Wochen später zog sie überstürzt wieder aus und studiert seit Beginn der Pandemie wieder in ihrer Heimat. Gesehen haben sich die beiden nur noch einmal – als die Italienerin Monate später ihre verbliebenen Sachen aus dem verwaisten Zimmer abgeholt hat. "Wenn ich nicht schon Freunde hier im Wohnheim gehabt hätte – es wäre sehr einsam geworden", meint Lena. Gesellige Bar-Abende, gemütliche Filmsessions im Kinosaal oder auspowern im eigenen Kraftraum: Auf all diese Vorzüge des Wohnheimlebens kann momentan niemand zurückgreifen.

Besonders unter ausländischen Studierenden sind die preisgünstigen Wohnheimzimmer eine gefragte Bleibe auf Zeit. Oder besser gesagt: Sie waren es. Denn auf den Gängen ist von internationalem Flair momentan wenig zu spüren, die meisten Austauschprojekte wurden abgesagt. Von vormals 30 Prozent ausländischen Studierenden sind nur noch eine Hand voll in Mainz. Aber auch viele Studienanfänger entscheiden sich immer häufiger gegen einen Wohnortwechsel mit Studienbeginn.

Viele Studierende beklagen Internetprobleme

Katharina hat sich trotz aller Einschränkungen für einen Umzug nach Mainz entschieden und wohnt seit Oktober im Wohnheim Kisselberg. "Es soll hier auch gute Bar-Abende geben – aber die kenne ich nur vom Hörensagen", erzählt die Politikstudentin. Den Alltag erlebt sie als anonym, die wenigen Gesichter, die sie auf den Fluren trifft, sind ihr weitgehend unbekannt. Zum digitalen Studienstart werden Laptop und stabiles Internet zur wichtigsten Vorausetzung.

Aber vor allem die Internetverbindung erlebt Katharina als schwankend. Wenn vormittags alle Studierenden des Wohnheims gleichzeitig den Laptop aufklappen, stockt die Videoübertragung regelmäßig. Das Studierendenwerk verspricht aufzurüsten. Allein im Wohnheim Hechtsheim werden 300.000 Euro in die digitale Infrastruktur investiert. "Die Internetverbindung war schon immer ein Glücksspiel. In manchen WGs klappt es, in anderen nicht. Ich merke auch nicht, dass sich da viel verbessert hat", sagt Lena, die im Stadtteil Hechtsheim wohnt. Ihr Konzept: Stecker rein- und wieder rausstecken, warten und hoffen, dass sie in der Zeit ohne Internet nicht so viele Lehrinhalte der Videosession verpasst.

Da mit Präsenzveranstaltungen in großen Vorlesungssälen wohl frühestens im Spätherbst 2021 zu rechnen ist, wird so schnell auch nicht auf allen Briefkästen der studentischen Wohnanlagen ein Name stehen. Ein Großteil der Mensen wird vorerst geschlossen bleiben, der große Andrang auf die Pommes wird ausbleiben. Das Studierendenwerk Mainz sucht nach Lösungen, damit das Angebot für Studierende auch nach der Krise Bestand hat.

Verwendete Quellen
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