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Mainzer Fastnacht: Wer hinter den Schwellköpp beim Rosenmontagszug steckt


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Tradition zur Fastnacht
Wer hinter den Schwellköpp beim Rosenmontagszug steckt


Aktualisiert am 22.02.2020Lesedauer: 3 Min.
Schwellköpp bei der Mainzer Fastnacht: Seit 90 Jahren gehörten sie in Mainz dazu.Vergrößern des Bildes
Schwellköpp bei der Mainzer Fastnacht: Seit 90 Jahren gehörten sie in Mainz dazu. (Quelle: Pacific Press Agency/Archiv/imago-images-bilder)

Sie heißen Knollenas, Rickes oder Hannebambel: Seit mehr als 90 Jahren gehören die Schwellköpp zur Mainzer Fastnacht. Dafür legen die Träger sieben Kilometer mit einem 25 Kilogramm schweren Gestell zurück.

Ausdauer, Geduld und keine Platzangst sind die Grundvoraussetzungen, um den Rosenmontag unter einem der insgesamt 30 Mainzer Schwellköpp zu verbringen. "Ich habe Rücken, ich bin raus", sagt Gilbert Korte, Vorsitzender des Schwell-Kopp-Träscher-Clubs (SKTC) in Mainz. Bisher haben sich aber immer ausreichend Freiwillige gefunden, die die langjährige Mainzer Fastnachtstradition fortführen.

Seit 1927 laufen neben Motivwagen, Tanzgruppen und Blasmusik auch Männer und Frauen mit, die auf ihren Schultern die überdimensionalen Gesichter von aufgemalten Kunstfiguren tragen. Schwellkopp ("geschwollener Kopf") nennt der Mainzer die satirisch überzeichneten Fastnachtsgestalten.

Mehr Interessierte als Schwellköpp

Als die Zahl der Bewerber zurückging und die Tradition Ende der 1990er Jahre einzuschlafen drohte, gründete Korte zusammen mit Fastnachtsfreunden den Schwell-Kopp-Träscher-Club. "In den letzten Jahren gab es immer deutlich mehr Interessierte als Schwellköpp", freut sich Korte. Eine vereinsinterne Jury entscheidet am Ende, wem die traditionsreiche Ehre zu Teil wird.

Auch bei meist frostigen Temperaturen im Februar tragen die Schwellköpp unter der Verkleidung oft nur ein T-Shirt. Denn auf der sieben Kilometer langen Zugstrecke und unter der gut 25-Kilogramm schweren Zusatzlast komme man schnell ins Schwitzen, meint Korte. Ein Gestell, auf dem der Kopf aufgesetzt ist, und Schulterpolster würden aber für ausreichend Tragekomfort sorgen: "Die vielen verwunderten, jubelnden und freudestrahlenden Blicke an der Strecke lassen die Strapazen schnell vergessen." Allerdings stellen die Träger nur selten Blickkontakt zu den Zuschauern her. Denn die kleinen Sichtschlitze befinden sich im Hals der Köpfe.

Immer wieder erreichen den Fastnachter Korte kuriose Anfragen – so wie im Sommer aus Stuttgart. Ihr Vater verfolge schon jahrelang den Wunsch, einmal einen Schwellkopp zu tragen, meldete sich eine junge Frau am Telefon. Zum 60. Geburtstag wollte sie ihm den Traum erfüllen. Er selbst hätte sich immer geziert, Initiative zu zeigen und sich zu bewerben. "Mit einem Schwellkopp-Gutschein konnte ich da jemanden sehr glücklich machen. Wie ich gehört habe, hat sich der gute Mann extra im Fitnessstudio angemeldet und bereits Hotelzimmer für seine Unterstützer am Straßenrand gebucht."

"Ich war drin"-Shirt als Anerkennung

Eingefleischte Träger hätten sogar den Ehrgeiz entwickelt, jeden Schwellkopp einmal zu tragen, sagt der SKTC-Vorsitzende Korte. Am Ende des Rosenmontagsumzugs erhalten alle Träger eine Urkunde und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich war drin". Als im vergangenen Jahr eine Sturmwarnung den Schwellköpp einen Strich durch die Rechnung machte und aus Sicherheitsgründen der Umzug erstmals ohne die bunten Köpfe stattfinden musste, zeigte sich der SKTC einfallsreich. Kurzerhand wurden die Schulterpolster und T-Shirts übergezogen und mit zwei Punkten der Schriftzug korrigiert: "Ich wäre drin" war dann für 500.000 Umzugsbesucher zu lesen. "Das hat uns viele Lacher eingebracht und bot erstmals die Gelegenheit zu sehen, wer unter den Köpfen steckt", sagt Korte.

Die ersten Schwellköpp baute der Mainzer Bildhauer Ludwig Lipp im Jahr 1927. Was genau die Vorlage für die Gesichter war, ist unklar. Was hingegen sicher ist: Die Mainzer fanden von Beginn an Gefallen an den Figuren. Schnell wuchs die Schwellkopp-Familie.

Heute haben die 30 Figuren alle Namen und stellen mit Knubbelnase, Blumenschmuck, Narrenkappe oder Pickelhaube unterschiedliche Charaktere dar, die alle ein Dauerlächeln aufsetzen. Die Figuren bestehen hauptsächlich aus Pappmaché und Styropor. Jedes Exemplar ist ein Unikat, das individuell modelliert wurde. Auch nach zahlreichen Restaurationen sind einige

Elemente der übergroßen Köpfe mehr als 50 Jahre alt. Die Kosten für eine Neuanfertigung belaufen sich auf über 7.000 Euro. Auch deshalb lagern die Köpfe in den Sommermonaten gut geschützt in den Hallen des Mainzer Carnevals-Vereins (MCV), der sich die Schwellköpp auch als Marke hat eintragen lassen.

Neben dem Umzug am Rosenmontag haben es die Schwellköpp auch in die Sitzungssäle geschafft. Gleich zwei Lieder sind den übergroßen Köpfen gewidmet. Auf die Melodie von "Is This The Way To Amarillo?" singt der Fastnachtssänger Thorsten Ranzenberger "Ich wär' so gern ein Schwellkopp-Träger". 2017 feierte das Lied auf der Fernsehsitzung "Mainz wie es singt und lacht" sein TV-Debüt im ZDF.

Mainzer Schwellköpp auch im Ausland beliebt

Seit einigen Jahren gibt es auch sowas wie eine Nachwuchsarbeit. Auf dem Kindermaskenzug tragen zwölf junge Narren kleinere Kinderschwellköppe. Doch damit nicht genug: Die Idee auf anderen Umzügen und in anderen Ländern aufzutreten, verfolgt SKTC-Vorstand Gilbert Korte schon länger.

Aus Valencia bekommt er beispielsweise regelmäßige Einladungen – auch dort schmücken auffallende Pappfiguren das Bild der Straßenfastnacht. Doch ein Auftritt dort kommt für Korte nicht in Frage: "Der spanische Brauch will, dass die Figuren am Ende der Fastnacht verbrannt werden – das käme für uns Schwellköpp nie in Frage."

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