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So streitet Leipzig über neuen grünen Mega-Radstreifen


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Provokation oder Segen?
So streitet Leipzig über den neuen grünen Mega-Radstreifen


Aktualisiert am 11.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Neuer Radfahrstreifen am Dittrichring: "Maßnahme nach dem Motto: Wir zeigens euch mal."Vergrößern des Bildes
Neuer Radfahrstreifen am Dittrichring: "Maßnahme nach dem Motto: Wir zeigens euch mal." (Quelle: Christian Grube)

Ein dicker grüner Fahrradweg auf dem Innenstadtring bringt die Autolobby in Leipzig derzeit in Rage – er nimmt einen ganzen Autofahrstreifen ein. Doch manchen geht diese Verkehrsmaßnahme noch nicht weit genug.

Der Innenstadtring ist das pulsierende Herz des Leipziger Autoverkehrs, dort bewegen sich täglich im Schnitt 31.000 Autos. Wer die Stadt motorisiert durchquert, kann ihm kaum ausweichen.

Doch die Kraftfahrzeuge haben jetzt nur noch halb so viel Platz, denn ein frisch aufgemalter Radstreifen nimmt neuerdings eine ganze Autofahrspur ein. Leuchtend grün ist er auf den schwarzen Asphalt gemalt, daneben bilden sich jeden Tag lange Staus.

Stadt setzt Urteil des Oberverwaltungsgerichts um

Wegen eines Gerichtsurteils muss die Stadt Leipzig den Innenstadtring fahrradfreundlich machen. Mit dem Radstreifen setzt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen um, laut dem der City-Ring auch für Radfahrer nutzbar gemacht werden müsse.

Doch lange Staus und nicht behobene Gefahrenstellen zeigen: Der neue Radfahrstreifen stellt bisher keine Seite zufrieden.

Der Feierabendverkehr rollt nun noch langsamer als sonst über den Dittrichring. Genervte Blicke, schrilles Hupen, eine Autoschlange bis zur Runden Ecke. Seit gut einer Woche werden die ersten grünen Abschnitte des neuen Radfahrstreifens auf den Asphalt gemalt.

Bis zum 26. Mai sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann sei das nächste Etappenziel erreicht, um im Stadtverkehr mehr Sicherheit zu schaffen, teilt das Verkehrs- und Tiefbauamt mit.

Fahrrad-Club Leipzig: "Die Stadt gehört allen Verkehrsformen"

Sicher scheinen sich die meisten Radfahrerinnen und Radfahrer dennoch nicht zu fühlen. Kurz vor der Kreuzung Dittrich-/Martin-Luther-Ring endet der grüne Radweg abrupt. Einige Radler biegen in weiser Voraussicht schon an der vorhergehenden Einmündung auf den Gehweg ab, andere müssen die Bremsen betätigen, um nicht in das nächste Auto zu rauschen, das sich vor ihnen wieder nach rechts auf die Fahrbahn drängt.

Dennoch bekräftigt Robert Strehler, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs in Leipzig (ADFC), dass die Maßnahme richtig und vor allem rechtlich verpflichtend sei: "Die Stadt gehört nicht nur einer Verkehrsform, sondern allen! Der Stadtrat hat mehrheitlich beschlossen, dass alle Verkehrsformen zu gleichen Teilen behandelt werden müssen. Braucht es ab und zu auch mal ein starkes Zeichen oder ein mutiges Signal? Ja! Und das muss auch ausgehalten werden!"

IHK: "Offensichtliche Fehlinterpretation durch das Gericht"

Auf Verständnis stößt Strehler bei den im Feierabendverkehr wartenden Automobilisten nicht – immerhin fahren an Spitzentagen bis zu 40.000 Fahrzeuge über den Ring.

"Zur Bewältigung solcher Verkehrsmengen empfehlen die Richtlinien zur Anlage von Stadtstraßen die Vorhaltung von vier Fahrstreifen", sagt Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig (IHK). "Im Jahr 2018 kam es dann zu einer offensichtlichen Fehlinterpretation dieser Richtlinien durch das Oberverwaltungsgericht Bautzen."

ADAC: "Maßnahme nach dem Motto: Wir zeigens euch mal!"

Der Radweg sei "in einer Hauruckaktion entstanden" – statt andere Maßnahmen abzuwägen, schimpft Hofmann. "Für wirklich sinnvolle Maßnahmen muss man Geld in die Hand nehmen", meint Helmut Büschke, ADAC-Vorstandsmitglied für Verkehr und Technik in Sachsen. Ein Strich sei keine Mauer, also gebe er auch keine Sicherheit.

Die Ziele der Stadt hätten besser mit dem Umbau der zum Dittrichring parallel verlaufenden Fahrradstraßen erreicht werden können. "Gerade ist das nur eine Maßnahme gegen den Autofahrer, nach dem Motto: Wir zeigens euch mal!", findet Büschke.

Ökolöwe: "Es muss gleich weiter markiert werden"

Doch ein Blick auf besagte Fahrradstraßen zeigt: Dass hier eigentlich das Rad Vorfahrt hat, interessiert viele Autofahrer herzlich wenig. Die Radler fahren hintereinander und schauen sich bei jedem Abbiegen und Ausweichen ängstlich um, während der SUV mit Tempo 60 statt den erlaubten 30 vorbeisaust.

"Fahrradstraßen, wie an der Westseite des Innenstadtrings, enden im Nichts oder sind wie an der Thomaskirche für Kfz touristisch oder für Lieferverkehr freigegeben", moniert Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Umweltbundes Ökolöwe.

Das bisherige Vorhaben geht ihm noch nicht weit genug: Auch auf benachbarten Hauptstraßen, wie etwa der Harkortstraße Richtung Bundesverwaltungsgericht, müsse gleich weiter markiert werden.

Zunächst plant die Stadt aber auf der gegenüberliegenden Seite, also vom Neuen Rathaus Richtung Goerdelerring, den nächsten dicken, grünen Radweg. Auch hier soll es laut Aussagen der Stadt Teile für "Mischverkehr" geben – und auch hier soll auf eine Auto-Spur verengt werden.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit allen Protagonisten des Textes
  • Recherchen vor Ort
  • Zahlen des Verkehrsamtes der Stadt Leipzig
  • Zahlen des Umweltbundes Ökolöwe
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