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Zum journalistischen Leitbild von t-online.1.600 Fahrzeuge legen Innenstadt lahm So war der Bauernprotest in Halle
1.600 Fahrzeuge blockierten am Montag die Hallenser Innenstadt – und verursachten ein Verkehrschaos auf den Straßen. Wie der Bauernprotest ablief.
Die gelben Rundumleuchten und weißen Scheinwerfer der Maschinen sind nicht zu übersehen, als sich Dutzende Traktoren und Lkw im Morgengrauen auf den Landstraßen von Sachsen-Anhalt zu langen Kolonnen aufreihen. Am Montagmorgen fahren sie aus verschiedenen Himmelsrichtungen nach Halle, um sich mit Handwerkern und Spediteuren zu einer Kundgebung zu versammeln. Ihr gemeinsamer Nenner: der Unmut gegen die Agrarpolitik der Ampelregierung.
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In gedrosseltem Tempo rollen die Maschinen über die Autobahn, werden von der Polizei eskortiert. Kilometerlange Staus und stockender Verkehr sind die Folge. "Denkt dran: Nur 30 Kilometer pro Stunde", mahnt ein Ordner eine Kolonne aus dem Saalekreis an, "alle sollen mitkommen". Tatsächlich sind sowohl kleine Traktoren mit gerade einmal 30 PS unterwegs als auch modernste Schlepper, die das Zehnfache an Zugkraft auf die Straße bringen.
Der Bauernprotest organisiert sich über soziale Medien
"Dass mein chinesischer Trecker einmal über die Autobahn tuckelt, hätte ich nicht gedacht", schreibt einer der Teilnehmer in einer WhatsApp-Gruppe. Weder Heizung noch Dach schützen den Fahrer vor Kälte und Schnee.
Seit Tagen hatten sich die Landwirte in WhatsApp-Gruppen organisiert. Sogenannte Ordner streuten die Treffpunkte und Uhrzeiten, teilten die Regeln mit: rechts fahren, im Korso bleiben, rote Ampeln dürfen auf dem Hinweg überfahren werden, auf dem Rückweg aber nicht. Symbole wie Galgen seien nicht erwünscht, man solle friedlich bleiben.
Als die Traktoren auf der B80 gen Innenstadt zum Stehen gekommen, beobachten Ursel (67) und Bernd (73) das Geschehen von der Brücke aus. "Wir müssen uns das mal anschauen. Sonst sehen wir es nur im Fernsehen", so die beiden Rentner.
1.600 Menschen kommen auf dem Riebeckplatz zusammen
In der Zwischenzeit ist der Riebeckplatz zum Schauplatz der Unzufriedenheit der Landwirte geworden. Statt Pkw und Bussen bilden Hunderte Lkw und Traktoren eine Schlange durch die Innenstadt – und verursachen damit ein Verkehrschaos. Laut Polizei haben sich 1.600 Menschen versammelt.
Wer sich in der Menge umhört, stellt schnell fest, dass die Menschen unterschiedliche Beweggründe auf die Straße treiben. Der Punkt, auf den sie sich einigen können, ist die Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung. Der Bühnenzuruf "Die Ampel muss weg" wird vom Publikum im Chor wiederholt.
Chef des Bauernverbands Saaletal: "Die Ampel muss weg"
Gegen Nachmittag kann Jan-Friedrich Rohlfing, Chef des Bauernverbands Saaletal, zum ersten Mal an diesem Tag durchatmen. Er organisiert den Protest: "Wir sind heute hier alle der gleichen Meinung: Die Ampel muss weg", sagt er.
Ob die bevorstehende Aktionswoche weiterhin so viel Zulauf erfahren wird? "Ich bin da ganz optimistisch", so Rohlfing. Der Höhepunkt der Proteste sei kommenden Montag in Berlin zu erwarten.
Mahnfeuer und Autobahnblockaden – Aktionswoche geht weiter
Um 13 Uhr löst sich die Kundgebung auf und die Landwirte brechen gen Heimat auf. "Denkt daran, ab jetzt ist jeder wieder für sich selbst verantwortlich", ermahnt Rohlfing die Teilnehmer noch zuletzt, "und vergesst nicht, wieder an den roten Ampeln zu halten."
Die Sternfahrt nach Halle ist Teil der Aktionswoche, die bis Freitag geplant ist: In den nächsten Tagen wollen Bauern Mahnfeuer, "Schleichfahrten" sowie Autobahnblockaden durchführen. Am Montag, dem 15. Januar, ist darüber hinaus eine weitere große Kundgebung in Berlin geplant.
Transparenzhinweis: Der Vater der Autorin ist Landwirt in Querfurt (Saalekreis).
- Reporterin vor Ort
- bauernverband-st.de: "Haushalt"
- presse.sachsen-anhalt.de: "Zwischenbilanz von Verkehrseinschränkungen am 08. Januar 2024 im Stadtgebiet von Halle (Saale)"