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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gymnasiasten bei Klimastreik Ministerium macht Schule nach Demo-Besuch Ärger
Eine zehnte Klasse eines Leipziger Gymnasiums hat als Unterrichtsstoff eine "Klimastreik"-Demo besucht. Das zieht jetzt Kreise in die Politik.
Die "Klimastreik"-Teilnahme einer Leipziger Schulklasse schlägt weiter Wellen. Das Sächsische Kultusministerium erklärte in einem Tweet, mit dem Vorgehen habe die Schule "ganz klar eine Grenze überschritten". Ein Demobesuch darf demnach nicht Teil des Unterrichts sein. Der Vorfall werde mit der Schule ausgewertet.
Das Thema der Schüler im Demozug war am Wochenende durch einen Elternbrief an die Öffentlichkeit gelangt, der in Teilen manipulativ geschwärzt war: Eine 10. Klasse der Gerda-Taro-Schule Leipzig war am Freitag im Rahmen eines Projekttags zum Thema Nachhaltigkeit unter den Teilnehmern des "Klimastreiks"-Demozugs in Leipzig. Bei einer Auswahl unter verschiedenen Exkursionsmöglichkeiten hatten sich die Schüler mehrheitlich für dieses Ziel entschieden. Während diese Information in dem verbreiteten Brief geschwärzt war, war ein anderer Satz: hervorgehoben: "Die Teilnahme an der Veranstaltung sowie der Vor- und Nachbereitung sind aber verpflichtend."
Schule stellte Alternative in Aussicht
Das hatte in sozialen Netzwerken erheblichen Wirbel und Diskussionen ausgelöst, die bis zu DDR-Vergleichen reichten: Wieder würden Schüler zum Demonstrieren befohlen. Aus dem Elternbrief ging nicht die Info hervor, dass die Schule doch Alternativen angeboten hatte: Bei einem Elternabend nach Erstellung des Briefs war demnach angeboten worden, andere Lösungen zu finden für Jugendliche, die nicht Teil des Demonstrationszugs sein wollten.
Diese Jugendlichen hätten sich demnach an dem Tag bei einem Projekt einer anderen zehnten Klasse beteiligen oder sich in einer der achten Klassen beschulen lassen können, die nicht an dem Projekttag teilnahmen. Davon machte nach Angaben der Schule niemand Gebrauch. In der Schule herrschte nach der Demo offenbar der Glaube vor, das Thema habe seine Brisanz verloren – bis der Elternbrief im Netz auftauchte.
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Angesichts der Aufregung haben sich Ministerium wie auch Landesamt für Schule und Bildung am Montag bei der Schule informiert, heißt es aus dem Haus von Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Zur Bewertung gefragt, ging das Ministerium an die Öffentlichkeit. Es sei klar eine Grenze überschritten worden: "Eine verpflichtende Teilnahme widerspricht dem Überwältigungsverbot des Beutelsbacher Konsens."
Der Beutelsbacher Konsens ist die Richtlinie für politische Bildung. Das "Überwältigungsverbot" ist einer von drei zentralen Punkten und soll sicherstellen, dass keine Indoktrination stattfindet. Aus Sicht des Ministeriums ist das Vorgehen der Schule in dem Fall problematisch, unabhängig von der Frage, ob es eine Teilnahmepflicht gab oder nicht. Ministeriumssprecherin Susann Meerheim sagte t-online: "Das Problem ist, dass die Demonstration zum Unterrichtsbestandteil gemacht worden ist."
Der Philologenverband sieht das ähnlich. Der sächsische Landesvorsitzende Thomas Langer sagte t-online: "Die Teilnahme an einer Demonstration ist kein Teil des Unterrichts. Es gilt das Überwältigungsverbot des Beutelsbacher Konsens." Eine Lehrkraft dürfe Schülerinnen und Schüler nicht zu einer bestimmten Meinung drängen – auch wenn das Anliegen des Kampfes gegen die Klimakrise ein wichtiges sei.
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An der Schule war offenbar die Gefahr nicht gesehen worden, die Schüler könnten durch die Teilnahme einer Indoktrination ausgesetzt sein. Einer Power-Point-Präsentation zur Vorbereitung zufolge gab es auch den Hinweis an die Schülerinnen und Schüler, kritische Distanz zu wahren.
Für den Fall, dass sich Schüler unwohl in ihrer Rolle im Demonstrationszug gefühlt hätten, hätten sie sich bei den beiden betreuenden Lehrkräften melden sollen, um eine Lösung zu finden. Nach dem Ende der Kundgebung war eine Besprechung angesetzt, um über den Verlauf zu reflektieren. Schulleiter Uwe Schmidt sagte t-online, Zehntklässler ließen sich auch nicht mal eben überrumpeln. "Bei Fünftklässlern hätte man das auch noch einmal anders bewerten müssen."
Berlin: "Teil der Demokratiebildung"
Allerdings haben ohne öffentliche Folgen bereits 2019 in Berlin Grundschüler im Rahmen einer Projektwoche eine "Fridays for Future"-Demonstration besucht. In einer t-online vorliegenden Elterninformation hieß es, die Exkursion mit Kindern aus erstem bis drittem Schuljahr sei nicht als Streik geplant, sondern Teil der Demokratiebildung und werde mit den Schülern gemeinsam vor- und nachbereitet. Die damaligen Berliner Regierungsparteien von SPD, Grünen und Linken hatten sogar alle Berliner Schulen aufgerufen, den Globalen Klimastreiktag am 20. September 2019 zum Projekttag für die Einhaltung des Pariser Abkommens zu machen.
- twitter.com: Post von @Bildung_Sachsen
- Telefonat mit der Pressestelle
- spdfraktion-berlin.de: "Gemeinsame Presseerklärung der Koalitionsfraktionen: Globalen Klimastreiktag zum Projekttag für Klimaschutz machen"