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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Karte zeigt auffällige Häufung Fast alle Harz-Waldbrände liegen an der Strecke der Brockenbahn
t-online-Recherchen werden bestätigt: Sachsen-Anhalt listet erstmals alle Harz-Waldbrände der letzten 28 Jahre auf. Sie ziehen sich entlang der Dampflok-Strecke.
Das Jahr 2022 wird vielen Bewohnern des Harzes im Gedächtnis bleiben. Spektakuläre Waldbrände versetzten die Region in Aufruhr. Bereits im Juni und August berichtete t-online von dem Verdacht, dass die meisten Brände etwas mit der beliebten Brockenbahn zu tun hatten.
Dies beruhte auf der Beobachtung, dass die Mehrzahl der Brände im Waldgebiet entlang der Bahnstrecke der Harzer Schmalspurbahnen entstand. Der Landkreis Harz machte dagegen den Nationalpark wegen seiner Totholzpolitik für viele Brände mitverantwortlich.
Harz: Offizielle Grafik zeigt erstmals Waldbrände der letzten 28 Jahre
Landrat Thomas Balcerowski (CDU) habe in der "Harzer Volksstimme" gar vom Nationalpark als "Zustandsstörer" gesprochen, berichtet die Grünen-Politikerin Cornelia Lüddemann. Eine Kleine Anfrage ihrer Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Magdeburg bringt nun etwas mehr Klarheit in der Frage nach den Brandursachen im Harz.
Eine neu erstellte Übersichtskarte zeigt deutlich, dass sich die große Mehrheit der Brandereignisse im Nationalpark Harz perlschnurartig entlang der Brockenbahntrasse zieht. Eine besondere Häufung ist im Brockengebiet und im Gebiet nordöstlich des Bahnhofs Schierke zu sehen. Dies geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Antwort der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf die Grünen-Anfrage hervor.
Weiterhin bestätigt die Landesregierung, dass "die Nationalparkverwaltung Harz als Untere Forstbehörde die Flächengröße des Brandes zuständigkeitshalber und objektiv ermittelt – diese ist damit amtlich festgestellt."
Damit wird dem Nationalpark recht gegeben, der bereits Mitte September mitteilte, dass die vom Landkreis Harz ermittelten Brandflächen teils um den Faktor zehn zu hoch gewesen seien. Tatsächlich sind die Brandflächen aber viel kleiner gewesen und damit auch viel punktueller entlang der Bahnstrecke zu verorten. Sollte dieser Ursprung verschleiert werden?
Harz: Brandfläche teilweise viel zu groß angegeben
Beim letzten Brandgeschehen vom 3. bis 9. September im Bereich des Königsberges unterhalb des Brockens sprach die Kreisverwaltung öffentlich von 450 Hektar Brandfläche. Im Nachgang ermittelte der Nationalpark eine Fläche von zirka zwölf Hektar. Ein Brand im August 2022 wurde zuerst mit etwa 50 Hektar Fläche angegeben. Die Landesregierung teilt nun mit, dass dieser Brand nur etwa zweieinhalb Hektar groß war.
"Im Weiteren ist festzustellen, dass die Zahlen des Nationalparks zu den Flächengrößen der aktuellen Brandereignisse bestätigt wurden. Ich hoffe, dass das zur Versachlichung der Debatte beiträgt. Insbesondere der Landkreis sollte sich auf seine Rolle als Erstzuständiger für die Brandbekämpfung besinnen, wie die Landesregierung auch zu Recht anmerkt", sagte die Grünen-Politikerin Cornelia Lüddemann.
Der Leiter der Nationalparkverwaltung, Roland Pietsch, stellte im September bereits fest: "Der Brand ist in der Region nachvollziehbarerweise mit großer Sorge wahrgenommen worden. Während einer Einsatzlage ist dabei durch die Rettungskräfte verständlicherweise nur eine grob überschlägige Schätzung möglich. Umso wichtiger ist es, transparent, offen und faktenbasiert über die abschließend betroffene Fläche zu informieren."
Die Kreisverwaltung widersprach zuletzt dem Nationalpark vehement und behauptete weiterhin, dass die von der Feuerwehr ermittelten Zahlen korrekt seien. Dass hier Interessenkonflikte aufeinanderprallen, ist offenkundig.
Totholz oder Dampflok: Konflikt über die Ursache der Brände
Landrat und Kreisbrandmeister favorisieren die Totholz-Theorie zur Erklärung der Waldbrände. Demnach wäre die Praxis des Nationalparks, umgestürzte Bäume im Wald liegen zu lassen, für die Häufung der Brände mitverantwortlich. Der Nationalpark hat reagiert und Brandschneisen angelegt.
Runde Tische von Ministerium und anderen Beteiligten brachten im Sommer nur dürftige Ergebnisse. Die Harzer Schmalspurbahn reagierte nach dem Brand im August und erklärte, dass man ab höheren Waldbrandstufen nicht mehr mit Dampfloks auf den Brockengipfel fahren wolle.
Auf Anfrage von t-online teilte der Nationalpark mit, keine Stellung zu den neuen Erkenntnissen nehmen zu wollen.
- Telefonat mit dem Büro der Grünen-Abgeordneten Cornelia Lüddemann
- Anfrage beim Nationalpark Harz
- gruene-fraktion-lsa.de: Pressemitteilung zur Kleinen Anfrage vom 25. Oktober 2022
- Eigene Recherchen