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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wave-Gotik-Treffen beginnt Leipzig: Gothics strömen in die Stadt
In Leipzig startet das Wave-Gotik-Treffen, Patchouli-Duft liegt in der Luft, es wird opulent und düster. Seit dem Morgen strömen zehntausende Gruftis, Gothics, Steampunks in die Stadt. Unser Reporter war unterwegs und traf die ersten schwarz verhüllten Besucher.
Es ist ein schöner Freitagmorgen in Leipzig. Die Sonne wärmt den schwarzen Asphalt. Doch statt kurzen Hosen und bunter T-Shirts sieht man in der Innenstadt lange Kleider, wehende Mäntel, hohe Stiefeln. Hier trägt man keine bunte Sommermode, alles ist in schwarz. Denn heute beginnt das 29. Wave-Gotik-Treffen.
Seit 1992 strömen jedes Jahr zehntausende Menschen nach Sachsen, um sich mit anderen Mitgliedern der Gotik-Szene zu tummeln. Es gibt spezielle Filmvorführungen, Partys, Konzerte, Picknicks und vieles mehr. Zwei Jahre mussten die Gotik-Fans wegen Corona stillsitzen – jetzt geht es endlich wieder los.
Leipzig: Schwarze Spitze an der Moritzbastei
"Acht mal war ich schon dabei", erzählt Karin Schott. Sie ist Ende 40 und trägt ein elegantes Kleid mit schwarzer Spitze. "Es lohnt sich jedes Mal. Diese Geschäfte und Läden, die gibt es nur hier". Sie zeigt hinter sich auf die Moritzbastei, wo ab 11 Uhr der Mittelaltermarkt "Wonnemond" stattfinden wird. Leider hat sie dieses Mal nur Zeit für einen einzigen Tag in Leipzig, sagt sie. "Aber gleich gehe ich zum Viktorianischen Picknick in den Clara-Zetkin-Park. Das wird ein Erlebnis."
"Da würden wir nicht hinpassen", lacht hingegen Chris. Er und Michele sind die Nacht hindurch aus Dortmund nach Leipzig gefahren. Michele hat die Haare an einer Kopfhälfte abrasiert, Chris hat viele Piercings. Beide tragen Lederjacken. "Es gibt in der Gotik-Szene viele verschiedene Strömungen", erklärt er "bei diesem Picknick wären wir wie Gaffer".
"Wir freuen uns auf Nosferatu"
Er hat Recht. Sieht man genauer hin, bemerkt man die unterschiedlichen Stilrichtungen der Schwarzgekleideten. Da gibt es die Cyberpunks, die direkt aus Science-Fiction-Romanen zu stammen scheinen und auch bunte Sachen tragen. Steampunks, mit Zylindern und altmodischen Fliegerbrillen. Gruftis, geschminkt und ganz in Schwarz. Und eben den Viktorianischen Stil, zu dem Chris und Michele sich nicht zählen.
"Wir freuen uns besonders auf die Bands: Nosferatu, Lacrimosa und andere", sagt Michele "und darauf, Leute wiederzusehen. Wir haben Freunde aus Mexiko und Südafrika hier." Denn für das Treffen reisen keineswegs nur Menschen aus Dortmund und Berlin an. "Ich bin aus Chile", sagt ein Mann mit schwarzem Hemd im Vorbeieilen. "Wir sind aus Mailand!", ruft eine Gruppe in Ledermänteln, bevor sie in die Tram einsteigt.
Gothics in Leipzig: "So eine Gemeinschaft gibt es nur hier"
Doch was zieht all diese Menschen Jahr für Jahr nach Leipzig? "Diese Gemeinschaft! Die hat man nur hier", meinen Chris und Michele. "Man sieht sich manchmal jahrelang nicht, aber dann ist es wieder, als wäre kein Tag vergangen." Sie freuen sich darauf, mit Gleichgesinnten zu feiern und das Wochenende zu genießen.
Karin hat auch noch einen anderen Grund, gibt sie verschmitzt zu. "Hier gibt es ein paar Geschmacksrichtungen Federweißer, die hat man anderswo nicht." Für gute Musik, alte Freunde, Feiern und vielleicht auch den gelegentlichen Traubenmost füllen sich also die Leipziger Straßen dieses Wochenende. Nach zwei Jahren Pause ist die Vorfreude groß. Das Treffen kann also beginnen.
- Rundgang in der Leipziger Innenstadt und Gespräche mit den zitierten Menschen