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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kampagne gegen Fangewalt "Darf ich jetzt nur noch unter der Dusche singen?"
Mit ihrer neuen Kampagne wollte die Stadt Köln für mehr Miteinander und weniger Gewalt werben. Hohn und Spott waren die Reaktion.
Am Mittwoch am Geißbockheim war die Kampagne der Stadt Köln eines der Gesprächsthemen am Rande des Trainings des 1. FC Köln. Mehrere hundert Fans waren gekommen, um die FC-Stars zu bewundern. Aus Sicht der Kölner Ordnungshüter positiv: Die Fans hielten sich mit Gesängen zurück.
Denn diese, so darf man die neue Kampagne "für friedliche Fußballfeste" der Stadt Köln verstehen, gehören in die Fußballstadien – und nirgendwohin sonst. Zum Hintergrund: Eines der Plakate der Kampagne zeigt eine Mitarbeiterin des Kölner Ordnungsdienstes und legt ihr den Satz in den Mund: "Ich freue mich auf die neue Saison, besonders auf die Fangesänge, aber bitte nur im Stadion."
1. FC Köln: "Das Singen gehört zur Stadt wie der Dom"
Diese und weitere Details der Kampagne sorgen seit Beginn dieser Woche für Kopfschütteln in Köln. Auch am Mittwoch am Geißbockheim. "Wer sich das hat einfallen lassen, war noch nie bei einem Fußballspiel", sagte der 71-jährige FC-Fan Harald Gerlach.
Der Rentner schaute sich das Training der Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart an, schüttelte über seine Heimatstadt aber nur den Kopf. "Das Singen gehört doch zur Stadt wie der Dom. Beim FC, im Karneval, überall – wir singen, weil wir ein fröhliches Völkchen sind."
So sahen es auch Stefan und seine Frau Ulli, die in FC-Trikots gekommen waren und nach dem Training Autogramme der Spieler sammelten. "Ich finde jeden Aufruf gut, der sich gegen Gewalt richtet", sagte Ulli, "aber da wird doch alles in einen Topf geschmissen. Jetzt sollen schon die hüpfenden Fans in den Bahnen ein Problem sein? Wir können es mit den Regeln auch übertreiben."
Auch auf Twitter regt sich Unmut gegen die Kampagne. Dort fragt ein User, wo er zukünftig denn noch singen dürfe, etwa unter Dusche.
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Stadionbesucher werden über einen Kamm geschoren
Die Stadt hatte in ihrer Kampagne nicht nur gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen aufgegriffen, sondern auch andere Themen eingebunden: das Hüpfen und Singen in den Straßenbahnen, das Wegwerfen und Zerbrechen von Glasflaschen oder die Belästigung durch den Autoverkehr rund ums Stadion.
So entstand bei vielen Fans der Eindruck, dass alle Stadionbesucher über einen Kamm geschoren wurden. Auch weil Stadtdirektorin Andrea Blome auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Kampagne von einer "zunehmenden Verrohung der Gesellschaft" gesprochen und zusammen mit Polizeipräsident Falk Schnabel den Fokus vor allem auf Gewalttäter gelegt hatte, die seit vielen Jahrzehnten auch im Umfeld von Fußballspielen auftreten.
Nur in einer Hinsicht einig mit der Stadt
Für Timo Klemm (41) ein kontraproduktives Vorgehen: "Als ob eine solche Kampagne irgendwas bewirken würde", sagte der FC-Fan. "So fühlen sich viele Fans doch nur ungerecht behandelt." So mancher, vermutete Klemm, werde alleine schon aus Trotz beim ersten Bundesliga-Heimspiel der Saison besonders laut singen und in der Bahn hüpfen.
In einer Hinsicht waren sich zwar alle mit der Stadt Köln einig: Gewalt gehört nicht in die Fußballstadien. Doch das hätte die Stadt wohl auch anders kommunizieren und das Geld für die Kampagne anders investieren können.
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