Eröffnung vor 90 Jahren Wie die Nazis die Lüge der Erfindung der Autobahn verbreiteten
Wenn Deutschland für eine Sache berühmt ist, dann für die Autobahn. Die erste ist vor 90 Jahren eröffnet worden und führt noch heute von Köln nach Bonn.
Als "Straße der Zukunft" hat Konrad Adenauer sie einst bezeichnet – die erste Autobahn Deutschlands. Heute trägt sie die Nummer A555 und bringt die Menschen schnell von Köln nach Bonn und umgekehrt.
In seiner damals bereits 15-jährigen Amtszeit als Kölner Oberbürgermeister hatte Adenauer schon so manches Großprojekt verwirklicht, darunter die Kölner Messe, die Hängebrücke, die in Rodenkirchen über den Rhein führt und eine Fabrik des amerikanischen Autobauers Ford.
Doch dies hier, das ahnte der spätere erste Bundeskanzler, war etwas Besonderes, etwas Bahnbrechendes, das weit über seine Heimatstadt hinauswies. "So werden die Straßen der Zukunft aussehen", prophezeite er an diesem 6. August 1932, der ebenfalls ein Samstag war. Er sollte Recht behalten.
Köln: Nazis vereinnahmten eine alte Ideee
"Ich hoffe, dass die nunmehr erzielte Zeitverkürzung und Fahrbequemlichkeit dem Rhein und den Schönheiten seiner Landschaft neue Freunde aus dem In- und Ausland zuführen möge." Freunde des Rasens kommen noch heute gerne hierher, gilt doch auf großen Abschnitten hier kein Tempolimit.
Obwohl Adenauer es war, der die erste deutsche Autobahn eingeweiht hat, hält sich hartnäckig das Gerücht, Adolf Hitler sei der Vater dieser Schnellstraßen gewesen. Dass Adolf Hitler auf diese Weise Hunderttausende Arbeitslose von der Straße geholt habe, ist vielleicht die langlebigste Nazilegende.
Dabei haben sich die Nazis diese Erfindung lediglich zu eigen gemacht. Propagandaminister Joseph Goebbels behauptete immer wieder, dass dem Führer die geniale Idee mit den Autobahnen schon während seiner Haftzeit nach seinem misslungenen Putsch von 1923 gekommen sei.
Für die Nazis galten Autobahnen als überflüssiger Luxus
In Wahrheit waren die Nazis bis zur Machtübernahme ausgesprochene Autobahngegner, so wie die meisten Parteien. In der Weimarer Republik war es nahezu Konsens, dass reine Autostraßen als purer Luxus für die oberen Zehntausend zu betrachten seien. Autos konnten sich damals nur sehr reiche Leute leisten. Für die Nazis passte es daher nicht ins Programm. Es war Geldverschwendung.
Trotz allem kamen mit den Jahren immer mehr Autos auf die Straßen. Von der Mitte bis zum Ende der 20er-Jahre stieg die Zahl der Kraftfahrzeuge um 300 Prozent. "Und diese stetig wachsende Mobilität führte auf den Landstraßen zu einer Häufung von Unfällen", erläutert Ulrich Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Köln.
Man muss bedenken, dass auch noch Pferdegespanne und Fahrräder auf den Straßen unterwegs waren. Gerade die Landstraße zwischen Köln und Bonn waren damals stark ausgelastet, erklärt der Experte: "Der gesamte Schwerlastverkehr wälzte sich über diese Straße", so Soénius. "Dazu kamen Touristen aus dem Ruhrgebiet, Düsseldorf und Köln, die am Wochenende ins Rheintal fuhren."
Auf der Landstraße nach Bonn drohte der Verkehrskollaps
Bürger forderten bald den Ausbau der Landstraße, auf der dann nur noch Autos fahren sollten. Deshalb wurden bald Stimmen laut, die Landstraße auszubauen und für Autos zu reservieren.
Die Autobahn zwischen Köln und Bonn wurde mitten in der Weltwirtschaftskrise realisiert. Dies hatte aus Sicht der Planer immerhin den Vorteil, dass Arbeitslose für den Bau zwangsverpflichtet werden konnten. Um die 5540 eingesetzten Arbeitslosen möglichst lange zu beschäftigen, wurden für den Bau der Autobahn Bagger und Förderbänder verboten.
"Der Bau, beginnend im Oktober 1929, ist also echte Handarbeit", so die Autobahn GmbH. Im Ergebnis sah die erste Autobahn schon fast so aus wie heute: vierspurig, schnurgerade, kreuzungsfrei. Die Planer hatten Standards geschaffen: Steigungen blieben gering, die Kurvenradien waren groß, und zur Seite fiel die Fahrbahn ganz leicht ab, damit das Regenwasser abfließen konnte.
A555 war früher sogar beleuchtet
Später kamen auch Leitplanken und Beleuchtung dazu. Das Einzige, was noch fehlte, war die Mittelleitplanke – stattdessen gab es nur einen dicken Streifen zur Abtrennung. Das führte in der Frühzeit dazu, dass nicht selten auf der Gegenfahrbahn überholt wurde.
Schon 1933 wurde Adenauers Autobahn von den Nazis wieder zur Landstraße herabgestuft, damit sich Hitler als Erfinder der Autobahn profilieren konnte. Heute aber gilt die A555 wieder als erste Autobahn – vielleicht nicht ganz zu Recht, wie Ulrich Soènius anmerkt:
In der Bonner Republik wurde A555 zur Diplomatenrennbahn
"Offiziell ist sie erst 1959 zur Autobahn erklärt worden. 1932 bei der Eröffnung wurde sie als "kreuzungsfreie Kraftwagenstraße" bezeichnet. Das Wort "Autobahn" hat da noch niemand benutzt." In der Bonner Republik bekam die A555 dann den Beinamen Diplomatenrennbahn.
Damals gab es hier noch keine Geschwindigkeitsbegrenzung und Politiker konnten rasend schnell von Bonn nach Köln und zurück. Auch heute kann man hier noch an vielen Stellen Gas geben. Der Nachteil: Es gibt immer wieder schwere Unfälle.
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche