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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Held des Monats" Der Mann, der Brücken baut
Als Geschäftsführer des Vereins für Deutsch-Afrikanische Kooperation (DAKO) bringt François Koutouan nicht nur Menschen zusammen: Seit 30 Jahren knüpft er wertvolle Bande zwischen gegensätzlichen Kulturen. Unser Held des Monats Juni.
Es ist ein Nachmittag in der Mensa der Universität Lyon, der das Leben des Mannes von der Elfenbeinküste für immer verändern soll. Denn hier lernt er Ute kennen. Für Koutouan, der zu diesem Zeitpunkt Betriebswirtschaftslehre und Arbeitsrecht studiert, ist die junge Frau der erste Kontakt nach Deutschland. Auch 40 Jahre später erinnert er sich an diese Begegnung, als wäre sie gestern gewesen.
"Damals war Deutschland für uns ein Tabu", erinnert er sich. Zum Nachbarland von Frankreich mit der schwierigen Vergangenheit habe man einfach keinen Bezug gehabt, sagt Koutouan. "Umso erstaunlicher war Ute für mich, die so begeistert von Deutschland sprach, dass ich es unbedingt näher kennenlernen musste."
Der Moment, als Deutschland ihm das Herz stiehlt
Ein Jahr später, im Oktober 1980, reist er für einen Kurzurlaub zum ersten Mal mit einem Freund in das Land der Brezeln und des Weißbiers. Nach München, um genau zu sein – und sofort erobert das eigenwillige Bundesland sein Herz.
Er kehrt wieder nach Frankreich zurück, zieht später für kurze Zeit nach Hannover, um die deutsche Sprache zu erlernen. Wieder zurück nach Frankreich, bevor er 1987 endgültig in Deutschland seine neue Heimat findet: in Köln, der Stadt mit "Hätz am Rhing".
Kölner Verein will Menschen miteinander "connecten"
In Köln dauert es nicht lange, bis Koutouan versteht, wie die Dinge hier laufen. Er sieht das Zusammenspiel der Kulturen, die Chancen und Möglichkeiten. Er hat allerdings auch Augen für die Gefahren und die Hürden, ist sensibel für die Bedürfnisse anderer Menschen. Schnell wird dem Ivorer klar, dass es am System hapert und viele Menschen Hilfe brauchen.
1989, nur zwei Jahre nach seiner Ankunft in Köln, gründete er mit Freunden den Kölner Ableger des in Stuttgart beheimateten Verein Cetia, um "Landsleuten zu helfen und Menschen zu connecten." Als immer mehr Menschen das Angebot des Vereins in Anspruch nehmen, platzt der Verein aus allen Nähten – und Koutouan schaut sich nach neuen Wegen um.
Integrationsverein für Aufklärung, Bildung und Ressourcenstärkung
Mehrere Vereinstätigkeiten und etwa 15 Jahre später – im Jahr 2004 – entsteht der DAKO-Verein, der nicht nur im Inland hilft, sondern seine Fühler auch auf den afrikanischen Kontinent ausstreckt. Der Integrationsverein, der sich vorwiegend an afrikanische Eltern richtet, organisiert Schwimmkurse, bietet Beratungsgespräche und Ausflüge an und trifft sich allwöchentlich in der Alten Feuerwache zum gegenseitigen Austausch.
Mit den Säulen "Aufklärung, Wissensvermittlung und Ressourcenstärkung" setzt sich der Verein für die Stärkung demokratischer Strukturen ein und finanziert in Afrika Projekte, die ebenjene Säulen stützen. "Ohne Bildung gibt es keine Demokratie", teilt Koutouan seine Überzeugung. "Aber Demokratie ist ein Prozess, der sich nur langsam aufbaut." Man wolle mit den Projekten die Grundsteine legen, damit sich demokratische Systeme in afrikanischen Ländern entwickeln können.
"Im Internet sieht man nur das schillernde Europa. Das ist falsch"
"Afrika ist im Umbruch", sagt der Geschäftsführer, "so stark wie lange nicht mehr." Die demographische Entwicklung mit einer Vielzahl an jungen Menschen ermögliche es, diese demokratischen Prozesse in den nächsten Jahrzehnten in Gang zu setzen. Dafür müsse sich aber noch viel ändern.
"Das Problem ist das Bild, das viele Afrikaner von Europa haben. Im Fernsehen oder im Internet sieht man nur das schillernde Europa, mit tollen Autos und leuchtenden Werbereklamen. Das ist falsch."
In erster Linie müsse es darum gehen, dieses Bild in ein realistisches und sodann in ein nationales Bewusstsein zu verwandeln, sodass die Menschen in Afrika bereit seien, sich für ihr eigenes Land zu engagieren, weg von korrupten Strukturen, hin zu mehr Bildung und Teilhabe.
Mit Projekten in Afrika für mehr Demokratie
Die Voraussetzungen dafür seien gegeben. "Der afrikanische Kontinent ist ein Paradies. Diesen Gedanken müssen die Leute vor Ort wieder fassen." Aber: Mit dem Bild eines wohlstandverwöhnten Europas, das fälschlicherweise vorgebe, jede Person kriege hier das Geld hinterhergeschmissen, tue man den Menschen in Afrika keinen Gefallen.
"Die Familien schicken teilweise ihre 9-jährigen Söhne nach Europa und erwarten eine Woche später die erste Überweisung. Dass das nicht funktionieren kann, sollte eigentlich allen klar sein." Schuld dafür sehe er auch bei den hiesigen Politikern: "Die Politik muss endlich aufhören, Geld an die korrupten Machthaber zu schicken. Die Korruption muss enden."
Menschen zu helfen, treibt Koutouan an
Die Projekte hätten bisher immerhin erste Prozesse angestoßen, auch wenn dies bei Weitem nicht ausreiche. Ein Projekt der Wasserförderung für eine Schule im Kongo, eine Schulpartnerschaft in Madagaskar sowie ein Aufforstungsprojekt in Tansania würden die richtigen Weichen stellen, so Koutouan, "aber in Zukunft wollen wir natürlich noch mehr machen." Behördliche Irrwege, die die Durchführung der Projekte ungemein erschwerten, seien zwar lästig, würden ihn aber nicht aufhalten.
"Es gibt nichts Besseres als das Wissen, dass sich durch unser Handeln etwas verändert", verrät François Koutouan seine Motivation, die ihn immer wieder antreibt. "Wenn wir alleine das Leben einer alleinerziehenden Mutter durch die Hilfe bei einem Behördengang erleichtert haben, hat sich unsere Arbeit schon gelohnt."
Disclaimer: Das Nachrichtenportal t-online ist ein Angebot der Ströer Content Group, in deren Zusammenarbeit die "Held des Monats"-Aktion entstanden ist.
- Gespräch mit François Koutouan
- Eigene Recherche