Kiel Landtag streitet über Schleswig-Holsteins Haushalt für 2022
Wenige Tage vor der Bundestagswahl am 26. September haben sich Regierung und Opposition im Landtag einen Schlagabtausch über Schleswig-Holsteins Haushalt geliefert. Vertreter der Jamaika-Koalition verwiesen am Mittwoch bei der ersten Lesung des Etatentwurfs für 2022 auf die angespannte Finanzsituation. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) wertete den Kurs milliardenschwerer Notkredite als Erfolg: "Die Entscheidung, die wir zu treffen hatten, hieß: Sparprogramm oder Notkredit, Arbeiten auf Sicht oder mit Fernrohr."
Hineinsparen sei in der Corona-Krise nicht die richtige Antwort, sagte Heinold. "Und wenn wir uns die Entwicklung der Wirtschaft, des Tourismus und der Steuereinnahmen anschauen, bestätigt diese Entwicklung den von uns eingeschlagenen Weg." Der Landtag hatte bereits 2020 Notkredite über 5,5 Milliarden Euro bewilligt, davon 2,5 Milliarden für Infrastruktur.
Heinold betonte, es handele sich bei ihrem Etatentwurf nicht um einen Wahlkampfhaushalt. Die Steuereinnahmen entwickelten sich deutlich besser als erwartet. "Ende August lagen wir mit einem Plus von 10,3 Prozent deutlich über der Erwartung von 3,9 Prozent." Sollte sich dieser Trend bestätigen, komme das Land 2022 mit weniger Schulden als bisher geplant aus.
Oppositionsführerin Serpil Midyatli war im Wahlkampfmodus. Sie machte einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Selbstbild der Koalition und tatsächlichen Regierungshandeln aus. Der Versuch von CDU, Grünen und FDP, Ökonomie und Ökologie zu verbinden, falle ernüchternd aus. "Schleswig-Holstein stagniert bei der Energiewende." Es sei unklar, wohin die Koalition mit dem Land wolle, sagte Midyatli und sprach von Planlosigkeit. "Sie wurschteln nur vor sich hin." Für SSW-Fraktionschef Lars Harms zeigt der Haushalt, dass sich die Koalition nicht mehr auf große neue Projekte einigen könne. Der Haushalt 2022 sehe ein bisschen aus wie der des laufenden Jahres.
Midyatli warf Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor, immer dann in Erscheinung zu treten, "wenn es nette Bilder gibt", aber nicht bei Themen wie dem geplanten Aus mehrerer Standorte des US-Maschinenbauers Caterpillar. Als dringende Aufgaben nannte sie eine flächendeckende E-Ladestruktur und Investitionen in eine klimaneutrale Industrie. Konkreter wurde sie nicht.
Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben wandte sich deshalb direkt an die SPD-Fraktionschefin: "Liebe Frau Midyatli, was konkret hat eigentlich die SPD vor?" Die Rede habe sich ja nicht mit dem kommenden Haushalt befasst.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch sprach vom schwierigsten Haushalt der seit 2017 regierenden Jamaika-Koalition. Das Land habe in den ersten Jahren Schulden getilgt und den "Jahrzehntelangen Sanierungsstau" abgebaut. Er plädierte erneut für die Beibehaltung der Schuldenbremse. Zuletzt hatten die Grünen eine Anpassung der Regel gefordert. Ein Zurück in die Schuldenmacherei früherer Jahrzehnte sei keine Alternative. Eine Fortsetzung der Koalition mit Grünen und FDP nach der Landtagswahl im Frühjahr bezeichnete er als wünschenswert.
Der Haushaltsentwurf der Regierung für das kommende Jahr sieht bereinigte Einnahmen in Höhe von voraussichtlich rund 13,5 Milliarden Euro und Ausgaben von 14,4 Milliarden Euro vor. Um die Lücke von etwa 965 Millionen Euro zu finanzieren, ist eine Nettokreditaufnahme von rund 67 Millionen Euro geplant. Aus dem vom Landtag bewilligten Notkredit sollen 694 Millionen in Anspruch genommen werden. Hinzu kommen 204 Millionen Euro Rücklagen aus dem Investitionsprogramm "Impuls".
Geplant sind Investitionen in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro. Das entspricht einer Investitionsquote von 10,8 Prozent. FDP-Fraktionschef Christopher Vogt betonte, diese Ausgaben seien "kein Fetisch der FDP", sondern für die Zukunftsfähigkeit des Landes nötig. "Wer seine Infrastruktur nicht pflegt, der zahlt doppelt. Das merken wir jetzt schmerzlich."
Der AfD-Abgeordneter Jörg Nobis nannte den Haushalt eine Mogelpackung voller schwarz-grün-gelber Wahlgeschenke. Die Regierungsfraktionen sowie SPD und SSW hätten die Corona-Situation für einen milliardenschweren Notkredit missbraucht, um diese Mittel zum Teil "zweck- und Verfassungswidrig" zu verwenden.