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Kiel: Brexit trifft Spediteure härter als Corona-Pandemie


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"Schlimmer als Corona"
Brexit trifft Kieler Spediteure hart

Von Sven Raschke

03.03.2021Lesedauer: 3 Min.
Ein Lkw der Spedition Petersen Mordhorst Logistics: Wegen des Brexit verzögern sich die Lieferungen.Vergrößern des Bildes
Ein Lkw der Spedition Petersen Mordhorst Logistics: Wegen des Brexit verzögern sich die Lieferungen. (Quelle: Sven Raschke/leer)

Speditionen, die von und nach Großbritannien liefern, haben seit Jahresbeginn mit tagelangen Verzögerungen und ausufernden Zollformalitäten zu kämpfen. Teilweise wurden Transporte komplett ausgesetzt.

Anfang des Jahres trat der Brexit in Kraft. Und mit ihm die Zollbeschränkungen zwischen Großbritannien und der EU. Die Auswirkungen spüren auch die Kieler Speditionen, die Waren von und zur Insel befördern. "Es kommt zu immensen Verzögerungen",heißt es von Petersen-Mordhorst Logistics. Vor dem Brexit hätte die Lieferung von Kiel nach Großbritannien oder umgekehrt fünf Tage gedauert. Selbst Corona habe daran kaum etwas geändert. "Jetzt sind wir oft bei zwei Wochen, zum Teil sogar noch länger.“

Schuld sind die seit Jahresbeginn anfallenden Zollformalitäten und Kontrollen auf Produktstandards. "Wir können nicht mehr einfach von A nach B fahren", beklagt eine Mitarbeiterin des Unternehmens. "Es müssen Ausfuhrdokumente erstellt werden, drüben muss es dann verzollt werden. Und die Trailer müssen warten." Bereits vor Weihnachten sorgte das für kilometerlange Staus an der Grenze. "Man hat gemerkt, dass die Firmen vorm Brexit verstärkt noch so viel wie möglich im- und exportiert haben", so die Exportsachbearbeiterin.

Tagelange Verzögerungen an der Grenze

Eine vergangene Woche veröffentlichte Umfrage des Chartered Institute of Procurement & Supply (CIPS) deutet an, dass die Situation sich seit Jahresbeginn sogar noch verschlechtert hat. Von den 350 befragten Lieferkettenmanagern in Großbritannien gaben knapp 60 Prozent an, dass es inzwischen länger dauert, Waren zwischen dem Kontinent und Großbritannien hin und her zu bewegen als noch im Januar.

63 Prozent der Befragten klagten über mindestens zwei bis drei Tage Verzögerung beim Warentransport vom Kontinent nach Großbritannien. Im Januar hatten das nur 38 Prozent angegeben. Nur leicht besser ist die Situation bei Exporten von Großbritannien: Hier gaben 44 Prozent an, zwei bis drei Tage längere Lieferzeiten in Kauf nehmen zu müssen. Wichtigster Faktor sind nach Ansicht von knapp der Hälfte der Lieferkettenmanager längere Bearbeitungszeiten durch Zollbeamte an der Grenze.

Landtransporte wurden mitunter komplett ausgesetzt

Die Transport- und Logistiksparte der Deutschen Bahn DB Schenker, die auch eine Niederlassung in Kiel betreibt, hatte die Landtransporte in das Vereinigte Königreich zwischenzeitlich ganz ausgesetzt. Bei der Bewältigung der Zollformalitäten habe man erhebliche Probleme im Warenverkehr zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich beobachtet, wie es in einer Pressemitteilung des Unternehmens vom Januar heißt. Bei einem Großteil der Sendungen seien die Zolldokumente unvollständig oder fehlerhaft gewesen.

Mittlerweile hat Schenker die Landtransporte wieder aufgenommen. Eine "Brexit-Taskforce", bestehend aus Experten für Zoll, Betriebsabläufe, Kommunikation und Vertrieb soll die Verzögerungen und Komplikationen möglichst in Grenzen halten. Auf die zusätzliche Arbeitsbelastung bei den Grenzabwicklungen hat Schenker mit der Verstärkung seiner Zoll-Teams reagiert.

"Die Engländer sind einfach überfordert mit der gesamten Abwicklung", so heißt es seitens Petersen Mordhorst Logistics. Mit anderen Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz oder Norwegen habe man diese Probleme nicht. Was wohl auch daran liege, dass der zwar lang abzusehende Austritt Großbritanniens dann doch sehr plötzlich entschieden wurde.

Probleme durch Brexit größer als durch Corona

Durch die Schwierigkeiten an der Grenze ist für Petersen Mordhorst Logistics der bürokratische Aufwand deutlich gestiegen. "Das bedeutet mehr Arbeit für uns und mehr Kosten für die Kunden", erklärt eine Mitarbeiterin. Sie schätzt die Probleme aufgrund des Brexit größer ein als die durch die Corona-Krise verursachten.

Das Geschäft mit der Insel einzustellen, kommt für das Unternehmen jedoch nicht in Frage. "Es läuft alles weiter", erklärt sie. Sie geht davon aus, dass die Lage sich irgendwann normalisieren wird. Wann es aber soweit ist, könne man unmöglich sagen.

Weitere Probleme erwartet

CIPS-Chefökonom John Glen befürchtet, dass die Situation zunächst sogar noch schlimmer werden könnte, wenn Übergangsfristen von britischer Seite auslaufen und weitere Importerklärungen anfallen. Glen warnt: "Die Domino-Effekte dieser Verzögerungen werden durch die Lieferketten sickern und schließlich zu Engpässen bei Lagerbeständen und höheren Preisen für Verbraucher führen."

Eine Auswirkung auf die Kieler Händler liegt zwar nahe, lässt sich aber laut Handelsverband Nord zurzeit nicht messen. "Das ist im Moment wegen Corona schwer herauszufinden", so die Geschäftsführerin des Verbandes Mareike Petersen. Die Auswirkungen der Pandemie würden etwaige Brexit-Effekte überlagern. "Deshalb ist für uns gerade kein Unterschied aufgrund des Brexit zu merken. Wenn Corona vorbei ist und die Auswirkungen klar definierbar sind, kann man mehr sagen."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Kirsten Milbrandt-Boldt, Exportsachbearbeiterin des Spediteurs Petersen Mordhorst Logistics
  • Mareike Petersen, Geschäftsführerin Handelsverband Nord
  • Material der dpa
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