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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schweißtreibende Jobs im Ruhrgebiet Maloche bei fast 40 Grad: "Gehört auf dem Bau dazu"
Arbeiten bei über 30 Grad sind eine harte Belastung. Wie machen das Menschen in schweißtreibenden Berufen? Ein Besuch auf Baustellen und in der Dönerbude.
Peter Sommer wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Autouhr zeigt erst kurz nach neun, aber es sind bereits über 30 Grad. In seiner langen Schutzhose hievt der Straßenbauarbeiter Gerätschaften von der Ladefläche des Transporters. In der glühenden Hitze beginnt er, mit seinem Kollegen Pflastersteine zu lösen. "Die Hose ist leider Pflicht, da lässt sich auch bei solchen Temperaturen nichts machen", sagt der Bochumer.
Er ist seit früh morgens auf den Beinen. "Wir haben schon um sechs Uhr angefangen und versuchen so viel wie möglich morgens zu schaffen", sagt der Arbeiter. Auf die Stahlkappenschuhe tropft schon wieder Schweiß, Sommer wischt sich mit der Hand durchs Gesicht. "Spaß macht das an diesen Tagen nicht", gibt er zu. Man müsse versuchen, es so erträglich wie möglich zu gestalten.
"Wir machen häufiger Pause, halten uns im Schatten auf und meiden die pralle Sonne", sagt er. Der Arbeitgeber stelle auf dem Betriebshof Getränke und Eis zur Verfügung. "In der Schule hat man früher bei solchen Temperaturen schon lange Hitzefrei bekommen, aber die Arbeitswelt sieht eben anders aus", sagt er. Einen allgemeinen Anspruch auf "hitzefrei" gibt es tatsächlich nicht. Arbeitgeber haben aber Fürsorgepflichten und dürfen ihre Arbeitnehmer nicht gefährden.
Büros sind bei mehr als 35 Grad laut den technischen Regeln für Arbeitsstätten ohne Abhilfemaßnahmen nicht mehr als Arbeitsraum geeignet, bei der Arbeit im Freien gibt es keine absolute Temperaturobergrenze, bei der die Arbeit eingestellt werden darf. Um Arbeitsschutz zu gewährleisten, sind Maßnahmen wie angepasste Arbeitszeiten, Sonnenschirme und kostenlose Sonnencreme denkbar.
Arbeiten auf dem Dach zu gefährlich
"Wir haben keine Klimaanlage im Auto und trinken bis zu sechs Liter am Tag", sagt Sommer. Das Wasser, manchmal landet es auch über dem Kopf, schafft Abhilfe. Die körperliche Arbeit aber – sie bleibt anstrengend und schweißtreibend. "Manchmal funktionieren Maschinen bei der Hitze nicht optimal, beispielsweise Rüttelplatten", erzählt der Arbeiter. Er habe schon bei über 40 Grad gearbeitet, aber die aktuellen Temperaturen seien wieder rekordverdächtig.
Auch wenige Kilometer weiter, auf der Baustelle der Firma Jan Snel, sind gegen Mittag schon Dutzende Liter Wasser geflossen. Bei dem Großprojekt ziehen die Arbeiter im Modulbau ein riesiges Studentenwohnheim in die Höhe. "Wir arbeiten aber heute nicht auf dem Dach, das ist zu gefährlich", sagt Bauleiter Freddy Stockhausen.
Eine Studie des Deutschen Wetterdienste, des Umweltbundesamts und des Robert-Koch-Instituts zeigt, wie gefährlich: Zwischen 2018 und 2020 ist zum ersten Mal ab dem Jahr 1992 eine Übersterblichkeit wegen Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufgetreten. Allein 2018 gab es den Schätzungen zufolge 8.700 Todesfälle, die durch Hitze bedingt waren.
Am stärksten betroffen sind zwar die ältesten Bevölkerungsteile, aber allgemein gilt: Ab einer Temperatur von 37 Grad kann es für den Menschen gefährlich werden, bei hoher Luftfeuchtigkeit auch bereits bei geringeren Temperaturen. Der menschliche Körper versucht, seine Temperatur konstant auf 37 Grad zu halten. Steigt diese über 42 Grad, kann das tödlich enden.
"Gehört zum Baugewerbe dazu"
In Ländern, in denen ein tropisches Klima herrscht, sind diese Probleme traditionell größer. Stockhausen war beispielsweise bereits mehrere Jahre auf Baustellen in Katar unterwegs. "Da wird nachts gearbeitet, das sehe ich hier aber noch nicht kommen", sagt er. Jeder Arbeiter müsse für sich selbst entscheiden, wann seine Belastungsgrenze erreicht sei.
"Solche Temperaturen gehören im Baugewerbe dazu, im Winter ist es umgekehrt", so Stockhausen. In Südeuropa seien solche Temperaturen allerdings Normalität, erinnert er. Manche haben gefrorene Flaschen mitgebracht, die nach und nach auftauen. "Wir raten unseren Mitarbeitern, häufiger Pause zu machen", sagt der Bauleiter.
Auch bei der Dachdeckerfirma Monteton in Wattenscheid erinnert man die Arbeiter an die Gefahr, die von der Hitze ausgeht. "Die Temperaturen sind schon extrem. Kopfbedeckung und Sonnencreme sind sehr wichtig", sagt Junior-Chef Luca Monteton. Gearbeitet wird deshalb nur bis zu Mittagszeit.
In der Vergangenheit habe ein Mitarbeiter bereits wegen Schwindel abbrechen müssen. "Da ist es wichtig, auf seine körperlichen Signale zu hören", erinnert er. Sobald das Thermometer über 30 Grad zeige, sei das Arbeiten für Dachdecker schon deutlich belastender. "Ich fürchte, dass wir in Zukunft häufiger solche Hitzewellen erleben werden", sagt Monteton.
Vor der Tür seiner Dönerbude zeigt das Thermometer 35 Grad, drinnen sind es aber noch einmal etwa zehn Grad mehr. "Wenn die Kunden bestellt haben, warten sie meist draußen", sagt Servet Korkmaz. Trotz der brüllenden Hitze am Dönerspieß: Auch an Tagen wie diesen will Korkmaz seinen Job nicht eintauschen. "Das gehört eben dazu. Im Winter ist es dafür hier drinnen schön gemütlich warm", findet er.
Auch Lasse H., der im Garten- und Landschaftsbau arbeitet, bereut seinen Beruf nicht – trotz fast 40 Grad, Schnittschutzhose und Arbeit auf dem offenen Feld. "Ich weiß ja, worauf ich mich eingelassen habe", sagt der Forstarbeiter. Man dürfe die Wichtigkeit von Pausen nicht unterschätzen und aufhören, wenn es nicht mehr geht. "Ich habe schon Urlaub in Asien gemacht, solche Temperaturen sind mir bekannt", sagt er. Das Arbeiten bei fast 40 Grad – man kann es also auch als Training für den Fernurlaub sehen.
- Eigene Recherchen und Gespräche vor Ort