Erfurt Kritik an Familienkarte-Umsetzung nicht nur aus Opposition
Die Landesvorsitzende der Thüringer Grünen, Ann-Sophie Bohm, hat die Umsetzung der Familienkarte im Freistaat kritisiert. "Ich bin mit der Umsetzung sehr unzufrieden", sagte Bohm am Rande einer Pressekonferenz zu familienpolitischen Vorstellungen der Grünen. Es sei zu kompliziert, dass man einen Brief erhalte, mit dem man dann zu einer Ausgabestelle gehen müsse, um die Karte zu erhalten. "Das Angebot ist nicht niedrigschwellig genug", sagte Bohm.
Aus Sicht der familienpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag, Beate Meißner, hat die Landesregierung die Familiencard "komplett an den Baum gefahren". Sie habe es nicht geschafft, die veranschlagten Mittel unter die Leute zu bringen.
Nach Angaben des Familienministeriums wurden bislang 100.000 Gutscheinhefte abgeholt. Das liege im Rahmen der Erwartungen, erklärte ein Ministeriumssprecher am Samstag. In Thüringen gibt es rund 360.000 kindergeldberechtigte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die einen Anspruch auf eine Familienkarte haben. "Damit sind auch viele über 18-Jährige anspruchsberechtigt, die sich von dem Angebot wahrscheinlich weniger angesprochen fühlen", teilte der Sprecher mit.
Mit der Familienkarte sollte jede Familie mit Kindern vom Land Gutscheine in Höhe von 50 Euro pro Kind erhalten, um ihnen kostenlose Besuche in Kultur- und Freizeiteinrichtungen zu ermöglichen. Sie kann noch bis einschließlich der Herbstferien genutzt werden. Rund 280 Einrichtungen nehmen nach Ministeriumsangaben mittlerweile an dem Programm teil. Seit dem Wochenende gilt sie auch für die Bundesgartenschau in Erfurt.
Geplant war der Start der Familienkarte mit Beginn der Sommerferien Ende Juli. Er verspätete sich dann allerdings auf Ende August. Ziel war es unter anderem, mit der Karte die Familien mit Kindern für die Entbehrungen während der Corona-Pandemie ein Stück weit zu entschädigen. Im Haushalt stehen dafür laut Familienministerium insgesamt 22,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Die CDU will nun mit einer mündlichen Anfrage herausfinden, wie viel von dem Geld nicht ausgegeben wurde. Sie gehe von einem zweistelligen Millionenbetrag aus, sagte Meißner. Mit dem nicht abgerufenen Geld solle die bisher nicht umgesetzte digitale Familienkarte direkt in eine Familien-App weiterentwickelt werden, forderte sie.
Grünen-Landesvorsitzende Bohm kritisierte auch, dass die Familienkarte nicht flexibel genug einsetzbar sei. Sie könne etwa ausschließlich genutzt werden, wenn die Kinder auch dabei seien. "Ich glaube, manche Eltern wären auch ganz froh, wenn sie mal etwas ohne ihre Kinder unternehmen könnten", sagte sie.
Das Familienministerium will weiter für die Familienkarte werben. Durch die Festlegung des Landtags, wonach der Erhalt der Familienkarte an den Bezug von Kindergeld geknüpft wird, sei eine unbürokratische Verteilung über Kitas und Schulen leider verhindert worden, sagte der Sprecher. Dennoch sei sie innerhalb weniger Wochen immerhin so bekannt geworden, dass sie von einem Drittel der Berechtigten genutzt werde.