Erfurt Afghanische Flüchtlinge sollen nach Thüringen kommen können
Mit einem eigenen Landesaufnahmeprogramm will Thüringen Angehörigen von Afghanen unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, in den Freistaat zu kommen. Eine neue Aufnahmeanordnung sieht unter anderem vor, dass Afghanen mit Angehörigen in Thüringen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können. Sie wurde am Dienstag in einer Kabinettssitzung beschlossen. Voraussetzung für das Programm ist aber auch die Zustimmung des Bundesinnenministeriums. Bislang ist damit unklar, ob Thüringen seine Pläne umsetzen können wird.
"Jede einzelne Person, die wir dadurch schaffen aus Afghanistan herauszuholen, ist die Mühe wert", sagte Thüringens Migrationsminister Dirk Adams (Grüne).
Das geplante Landesaufnahmeprogramm sei bewusst so ähnlich gestrickt wie ein Aufnahmeprogramm, das es schon einmal für syrische Flüchtlinge gab. "Wir wählen dieses Programm, mit dem wir schon gute Erfahrungen gemacht haben, um schnell zu sein", sagte Adams. Er hoffe auf die Zustimmung des Bundesinnenministeriums.
In der Anordnung heißt es, infolge kriegerischer Auseinandersetzungen in Afghanistan seien viele Menschen innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht. "Viele sind in Sorge um Leib und Leben und fürchten sich vor Rachemaßnahmen und Repressalien durch die militant-islamistischen Taliban."
Die Landesregierung halte es daher "aus humanitären Gründen für geboten, afghanischen Staatsangehörigen, die vom Krieg in ihrem Heimatland betroffen sind, den Weg zu einer Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen", steht in dem Entwurf. Adams kritisierte, dass der Bund nicht in der Lage gewesen sei, "frühzeitig, zielgerichtet und effektiv" zu helfen. Auch deshalb sei ein Landesaufnahmeprogramm wichtig.
Eine Reihe von Voraussetzungen müssen jedoch erfüllt sein, damit afghanische Angehörige über das geplante Programm nach Thüringen kommen können. Unter anderem werden verwandtschaftliche Beziehungen zu Menschen verlangt, die in Thüringen aufenthaltsberechtigt sind und die selbst oder durch Dritte "bereit und in der Lage sind, den Lebensunterhalt ihrer Verwandten während des Aufenthalts in Deutschland zu sichern", heißt es in der geplanten Anordnung. Laut Adams können solche Bürgschaften auch Dritte, also zum Beispiel Vereine, übernehmen.
Die Angehörigen in Thüringen müssen einen Aufenthaltstitel haben und sich schon mindestens seit einem Jahr in Deutschland aufhalten. Außerdem müssen sie ihren Hauptwohnsitz seit mindestens sechs Monaten in Thüringen haben.
Die Einreisewilligen können sich der Anordnung zufolge noch in Afghanistan aufhalten oder in einem der Anrainerstaaten Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan oder China. Das alles gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass sich Thüringen mit dem Bundesinnenministerium einigen kann.
Die Aufenthaltserlaubnis soll nach der geplanten Anordnung zunächst für zwei Jahre erteilt werden. Mit ihr könnten die Eingereisten in Deutschland auch eine Arbeitsstelle annehmen.
Angehörige, die wegen Delikten, die auch in Deutschland eine Straftat wären, verurteilt wurden, sollen nicht über das Programm nach Thüringen kommen können. Dafür sieht der Entwurf eine Ausschlussklausel vor. Auch Menschen, bei denen es Anhaltspunkte gibt, dass sie in Verbindung mit kriminellen oder terroristischen Vereinigungen stehen, sollen nicht an dem Programm teilnehmen dürfen.
Den Plänen zufolge soll das Programm zunächst zeitlich beschränkt sein: Anträge könnten demnach nur bis 31. Dezember 2022 gestellt werden.
Adams erinnerte daran, dass über das Programm für syrische Flüchtlinge pro Jahr durchschnittlich etwa 200 Menschen nach Thüringen gekommen seien. Dies zu erreichen sei auch diesmal die Zielsetzung.
Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen begrüßten das geplante Landesaufnahmeprogramm, wobei die Linke Nachbesserungen forderte. Es müsse eine Möglichkeit der digitalen Visumsbeantragung geschaffen werden, verlangte der migrationspolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Patrick Beier. Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sprach sich dafür aus, zusätzlich zum Familiennachzugsprogramm ein Aufnahmeangebot für Schutzbedürftige Personen aus Afghanistan auf den Weg zu bringen.
Die geschäftsführende Landesmigrationsbeauftragte Annett Roswora forderte ein Aufnahmeprogramm des Bundes für afghanische Flüchtlinge. "Viele Menschen müssen jetzt alles riskieren, um aus Afghanistan zu kommen und ihr Leben zu retten", sagte Roswora. Man dürfe die Nachbarstaaten Afghanistans damit nicht alleine lassen.