Erfurt Thüringens Laienrichter sollen bei Nachbarstreit schlichten
Die Schiedsstellen in Thüringen, die Streitigkeiten außergerichtlich klären, bekommen mehr Aufgaben. Sie sollen künftig auch die Schlichtung nachbarrechtlicher Streitigkeiten übernehmen können, sagte Justizminister Dirk Adams (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Das bisherige Gesetz aus dem Jahr 1996 sei entsprechend überarbeitet worden. "Ich glaube, dass Nachbarschaftsstreitigkeiten nicht unbedingt vor Gericht ausgetragen werden müssen."
Er werbe dafür, die 210 Schiedsstellen, die es in Thüringen gibt, verstärkt bei zivilrechtlichen und kleineren strafrechtlichen Sachen und künftig auch bei Streit unter Nachbarn einzuschalten. Dabei könne es beispielsweise um das Errichten von Zäunen, überhängende Bäume oder immer wieder störenden Lärm gehen.
Das überarbeitete Thüringer Schiedsstellengesetz habe er dem Landtag vorgelegt, und es werde derzeit dort beraten, sagte Adams. Er hoffe, dass es noch vor der im September geplanten Landtagswahl von den Abgeordneten beschlossen wird. Es werde an die Regelungen, die es bereits in anderen Bundesländern gibt, angepasst.
Als das Gesetz 1996 verabschiedet wurde, sei das Nachbarschaftsrecht ausgeklammert worden, "weil man damals meinte, dass Rechtspositionen der DDR bei Schiedsverfahren nachwirken könnten. Das ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß", sagte Adams.
Als weitere Neuerung enthalte die Gesetzesnovelle die Möglichkeit, dass sich die Streitparteien auch von Bevollmächtigten vertreten lassen können. Das könnten auch Vorsorgebevollmächtigte von Menschen sein, die solche Dinge nicht mehr allein regeln könnten.
Der Minister bezeichnete die ehrenamtliche Arbeit der Laienrichter als wichtig für das Zusammenleben in der Gesellschaft. "Das ist eine tolle Sache." Ihre Erfolgsquote sei recht hoch. In den Fällen, in denen beide Streitparteien zu der Schlichtungsverhandlung erschienen, liegt sie bei zivilrechtlichen Angelegenheiten nach Zahlen des Ministeriums im Schnitt zwischen mehr als 70 und 80 Prozent. Bei kleineren Strafsachen schwanke sie sehr stark.
Im vergangenen Jahr landeten nach Angaben des Ministers 137 zivilrechtliche Streitigkeiten bei den Schiedsstellen. "In 109 Fällen wurde verhandelt, weil beide Parteien erschienen, in 88 Fällen war die Schlichtung erfolgreich und es wurde eine Vereinbarung getroffen", so der Minister. Hinzu kämen 385 sogenannte Tür- und Angelfälle. "Da wurden die Mitglieder von Schiedskommissionen quasi auf der Straße angesprochen und haben ohne förmliches Verfahren Auskunft erteilt. Das macht ihre große Leistung aus: da zu sein, sich zu kümmern und Tipps zu geben, die das Zusammenleben im Wohnumfeld einfacher machen", sagte Adams.
Wie in vielen anderen Bereichen sei es auch bei den Laienrichtern immer schwerer, Ehrenamtler zu finden. Die Zahl der Schiedsstellen im Freistaat ist nach den Angaben des Ministeriums von 286 im Jahr 2000 über 250 im Jahr 2010 auf derzeit 220 gesunken. Die Zahl der Fälle, die bei ihnen landeten, hat sich in diesem Zeitraum mehr als halbiert.
Er gehe davon aus, dass die Erweiterung der Aufgabe der Schiedsstellen auf Nachbarstreitigkeiten funktionieren könne, so der Grünen-Politiker. "Es ist noch keine Überlastung zu befürchten. Aber wir behalten das im Blick."
Die Kosten für ein Schiedsverfahren liegen laut Ministerium bei Beträgen zwischen 10 und 35 Euro zuzüglich von Auslagen wie beispielsweise das Zustellen von Unterlagen.