Erfurt Opfer des Überfalls von Ballstädt kritisiert Landgericht
Ein Opfer des Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt vor mehr als sieben Jahren hat während des Prozesses vor dem Landgericht Erfurt seine Vorladung als Zeuge scharf kritisiert. Angesichts der Tatsache, dass den meisten Angeklagten durch das Gericht bereits Deals angeboten worden seien, widerspreche dies seinem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat, sagte der Mann am Montag in Erfurt während seiner Vernehmung als Zeuge.
Es ergebe keinen Sinn, dass die Betroffenen noch einmal im Angesicht der mutmaßlichen Täter Angaben machen müssten, wenn es doch Teil der Absprachen sei, dass die Angeklagten ihre Tatbeteiligung gestehen sollten. Die Vorsitzende Richterin wies die Kritik zurück.
Seit Mitte Mai wird der Ballstädt-Prozess erneut aufgerollt, bei dem sich nun zehn Männer und Frau dafür verantworten müssen, dass sie nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft vor mehr als sieben Jahren eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt (Landkreis Gotha) brutal überfallen haben. Sie werden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet.
Das erste Urteil in dem Verfahren war vom Bundesgerichtshof gekippt worden. Um das Verfahren abzukürzen, hatte das Gericht neun der Angeklagten auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft bereits Deals angeboten: Gegen Geständnisse können die meisten von ihnen auf eine Bewährungsstrafe von etwa einem Jahr hoffen. Am Montag wurden neben dem Mann noch weitere Opfer des Überfalls als Zeugen gehört. Zuletzt hatten auch die Anwälte der Nebenkläger Unverständnis darüber geäußert, dass ihre Mandanten noch einmal als Zeugen aussagen sollen.
Die Vorsitzende Richterin dagegen erklärte, die Vorladung der damaligen Opfer sei durchaus sinnvoll und sei im Interesse der Wahrheitsfindung. "Wenn ihre Aussage keine Bedeutung hätte, hätte ich Sie nicht geholt", sagte sie zu dem Mann. Es mache auch ihr keinen Spaß, Opfer im Gerichtssaal noch einmal das durchleben zu lassen, was sie in der Nacht des Angriffs durchgemacht hätten. Es sei aber nötig, die Geständnisse der Angeklagten zu überprüfen.
Gleichzeitig appellierte sie an den kritischen Zeugen, die Aussage für sich zu nutzen. "Nutzen Sie doch auch mal die Chance, aus der Opferrolle herauszutreten", sagte sie. Indem er als Zeuge Angaben mache, könne er aktiv zur Aufklärung beitragen.
An dem Verhandlungstag wurde deutlich, dass die zwei der elf Angeklagten, die den ihnen angebotenen Deals bislang nicht zugestimmt haben, auf eine Einstellung des Verfahrens gegen sie hoffen. Ein Angeklagter und die einzige Angeklagte boten Zahlungen in Höhe von 6000 Euro beziehungsweise 3000 Euro an die Opfer des Übergriffs an, sollten die Verfahren gegen sie eingestellt werden. Das Geld könnten sie innerhalb von sechs Monaten aufbringen, ließen sie durch ihre Verteidiger erklären. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Erfurt stimmte dem Angebot zu. Ob das Gericht dies auch tun wird, ist noch offen, gilt aber als wahrscheinlich.