Erfurt Schlachthof-Schließung bringt Schweinehalter in Nöte
Die Schließung des größten deutschen Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück (Nordrhein-Westfalen) nach einem Corona-Ausbruch beschert Thüringer Schweinehaltern Absatzprobleme. "Die Situation ist sehr angespannt", sagte die Nutztier-Expertin des Thüringer Bauernverbandes, Anne Byrenheid, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Zwar würden an anderen Schlachthöfen Sonderschichten gefahren, doch der Abverkauf schlachtreifer Tiere stocke. Das führe nicht nur zu Einbußen bei den Mastbetrieben, auch die Schweinezüchter bekämen ihre Ferkel schlechter los.
Mehr als 1550 Beschäftigte des Schlachtbetriebs in Westfalen haben sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Deswegen war er geschlossen worden. Die weggebrochene Kapazität könne nicht sofort von anderen Schlachthöfen aufgefangen werden, betonte Byrenheid.
Nur etwa jedes zehnte in Thüringen gemästete Schwein wird den Angaben nach im Freistaat geschlachtet, viele kommen nach Weißenfels (Sachsen-Anhalt). Auch dort ist inzwischen ein Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Nach Angaben des zuständigen Landratsamtes war der Betroffene vor dem Arbeitsantritt am Mittwoch getestet worden. Laut Unternehmen hatte der Mitarbeiter an dem Tag die Arbeit noch nicht aufgenommen.
Der Fall in Westfalen habe zu einer Verschiebung am Gesamtmarkt geführt, betonte Byrenheid. "Der Abfluss der Tiere läuft auch bei uns in Thüringen deswegen nicht mehr reibungslos." Für die Bauern bedeute das höhere Kosten, etwa weil sie die Tiere länger füttern müssen. Zudem wachsen sie weiter und nehmen zu. Größere Tiere brauchen mehr Platz. Und weil die Abnehmer weitgehende genormte Schlachttiere haben wollen, bekämen die Bauern Preisabschläge bei zu schweren Tieren.
Auch komme es zu einem Rückstau bei den Ferkelerzeugern, wenn die Masttiere länger in den Ställen bleiben, erklärte die Expertin. Immerhin sei der Preis angesichts der guten Nachfrage in der aktuellen Grillsaison bisher stabil mit derzeit 1,66 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht.
Nach Einschätzung Byrenheids könnten die Schweinehalter die Mast ihrer Tiere um etwa zwei Wochen hinauszögern. "Alles darüber ist problematisch." Sie verweist auf die USA, wo es in ähnlichen Fällen Nottötungen gab. "Wir hoffen, dass das bei uns nicht nötig sein wird."
Grünen-Landeschefin Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt forderte angesichts der aktuellen Situation mehr dezentrale Schlachtstätten. Dies vermeide nicht nur lange Anfahrtswege und Tiertransporte, sondern könne auch die wirtschaftliche Abhängigkeit der Bauern von großen Schlachthöfen verringern. "Das Land sollte endlich die Förderung von mobilen Schlachtstätten überarbeiten und niedrigschwelliger gestalten sowie die Zulassung von alternativen, hofnahen Schlachtungen wie dem Weideschuss auf den Weg bringen." Landwirtschaftsbetriebe, die selbst eine Schlachtung betreiben oder aufbauen möchten, sollten vom Land Unterstützung durch Schulungen und Weiterbildungen erhalten. Das trage auch zur Wertschöpfung vor Ort bei.
Nach Angaben des Landesamtes für Statistik wurden zuletzt in Thüringer Betrieben mit mindestens 50 Tieren oder 10 Zuchtsauen mehr als 691 000 Schweine gehalten (Stichtag: 3. November 2019).