Prozess Hochstapler beriet NRW-Regierung - Bewährungsstrafe
Er nannte sich Doktor und Professor, arbeitete lange für die NRW-Landesregierung. Dann flog auf, dass der Mann nie einen Uni-Abschluss geschafft hat. Ein Gericht hat ihn nun als Betrüger verurteilt.
Jahrelang hat ein vermeintlicher Professor in der NRW-Landesregierung Karriere gemacht und schließlich sogar Minister in Islamfragen beraten - nun ist er als Hochstapler verurteilt worden. Die Richter am Amtsgericht Duisburg waren überzeugt, dass er seine Titel und akademischen Abschlüsse aus Geltungssucht erfunden und gefälscht hatte. Sie verurteilten den einst gefragten Experten unter anderem wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.
Der 48-Jährige hatte die Vorwürfe weitgehend eingeräumt. Es ist das jähe Ende eines steilen Aufstiegs.
Steile Karriere im Ministerium
Jahrelang war der 48-Jährige als Experte überaus gefragt, sein Wort hatte Gewicht. Er erarbeitete sich einen Ruf als Fachmann für Integration, wurde landesweit als Referent eingeladen. Das NRW-Schulministerium wurde auf ihn aufmerksam, beschäftigte ihn jahrelang als wissenschaftlichen Mitarbeiter.
Im Ministerium habe er sich unter anderem mit den Folgen von Migration für das Schulwesen und schließlich immer mehr mit dem politisch hochumstrittenen Thema islamischer Religionsunterricht beschäftigt, erzählte er den Richtern.
"Gier nach Anerkennung"
Er habe hart gearbeitet, sich weitergebildet, an seiner Rhetorik gefeilt, berichtete er. Eine "Gier nach Anerkennung" habe sich entwickelt. Irgendwann habe er einen Doktor-Titel vor seinem Namen geführt, sich schließlich sogar als Professor bezeichnet.
Niemand schöpfte Verdacht. Er bekam Preise, war ein gefragter Redner, gab Fernsehinterviews zu Fragen der Integration. Er nahm an Diskussionsveranstaltungen etwa mit dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff teil. Schließlich ließen sich Minister der NRW-Landesregierung von ihm beraten.
Auch die Bezirksregierung bestätigte, dass der 48-Jährige mit seiner Arbeit stets die Erwartungen erfüllt habe. Deshalb verzichtete der Staat auch darauf, die jahrelangen Bezüge zurückzufordern, was bei Beamten durchaus möglich gewesen wäre.
Die Leistung spielte juristisch am Ende keine Rolle
2021 flog der ganze Schwindel auf, das Land NRW beendete öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit. Es gebe "begründete Zweifel in Bezug auf die akademische Laufbahn", schrieb die Landesregierung damals zur Begründung. Außerdem erstattete das Land Anzeige gegen den heute 48-Jährigen.
Dass der Mann offensichtlich jahrelang gute Arbeit ablieferte, spielte juristisch am Ende keine Rolle. Im Beamtenrecht gehe es nicht in erster Linie um die Leistung, sondern darum, dass für ein Beschäftigungsverhältnis die formalen Voraussetzungen erfüllt sein müssten, argumentierte die Vorsitzende Richterin. Doch der 48-Jährige hatte als angehender Lehrer schon das erste Staatsexamen nicht bestanden. Stattdessen fälschte er mehrere Urkunden über vermeintliche Studienabschlüsse.
"Ich glaube, da ist eine ganz ordentliche Portion Narzissmus bei Ihnen mit dabei", sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung zu dem vermeintlichen Professor. "Sie haben es genossen, dass sie so angesprochen werden."
"Ich habe es nicht geschafft, Nein zu sagen."
Der 48-Jährige selbst zeigte sich am Ende sogar erleichtert, dass das jahrzehntelange Versteckspiel nun vorbei ist. "Ich habe es als entlastend und befreiend wahrgenommen", sagte er. Er sei gefangen gewesen in der "Gier nach Anerkennung". "Ich habe Glück - oder Pech - gehabt, dass ich immer weiter gefördert wurde. Ich habe es nicht geschafft, Nein zu sagen."
Sein Mandant sei jedenfalls kein kalkulierender Hochstapler gewesen, betonte auch der Verteidiger. Die rasante akademische Karriere habe sich durch seine sehr guten Leistungen fast von allein entwickelt. Nur die formalen Voraussetzungen für die Laufbahn hätten eben gefehlt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung.
- Nachrichtenagentur dpa