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Michael Rummenigge im Interview: "Leipzig ist Nummer zwei – nicht der BVB"


Interview
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Michael Rummenigge vor Bayern-Spiel
"RB Leipzig ist die Nummer zwei – nicht der BVB"

InterviewVon Dietmar Nolte

Aktualisiert am 22.05.2022Lesedauer: 6 Min.
Michael Rummenigge bei einem Hallen-Fussballturnier (Archivbild): Laut ihm hat der BVB im Vergleich zum FC Bayern München kaum eine Chance.Vergrößern des Bildes
Michael Rummenigge bei einem Hallen-Fussballturnier (Archivbild): Laut ihm hat der BVB im Vergleich zum FC Bayern München kaum eine Chance. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)
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Michael Rummenigge hat die Trikots von FC Bayern und BVB beide getragen. Für das Spiel am Samstag drückt er der Borussia die Daumen – auch wenn es ihr an Qualität und Mentalität fehlt, wie er betont.

Seit seiner Zeit beim BVB ist Michael Rummenigge mit seiner Familie heimisch geworden in Dortmund. Fünf Jahre lang hat er von 1988 bis 1993 bei der Borussia gespielt, zuvor sieben Jahre bei den Bayern. Das Geschehen bei seinen Ex-Klubs verfolgt er immer noch aufmerksam – und hat eine klare Meinung dazu.

Im Interview erklärt Rummenigge, warum die Borussia aus seiner Sicht am Samstag chancenlos ist, welcher Verein ihr den Status als Nummer zwei in Deutschland abgelaufen hat und was beim BVB passieren muss, damit die Mannschaft wieder titelreif wird.

t-online: Michael Rummenigge, hat der BVB am Samstag überhaupt eine Chance, bei den Bayern zu bestehen?

Michael Rummenigge: Wenn man sich die ganze Saison anschaut, hat Borussia Dortmund eigentlich jedes wichtige Spiel verloren oder ist ausgeschieden – ob es die Niederlage gegen die Bayern im Hinspiel war, das Pokalspiel in St. Pauli, das Europa-League-Spiel gegen Glasgow oder zuletzt die Partie gegen RB Leipzig. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison, dass die Mannschaft bei allen Big Points versagt hat. Und in München gab es in den letzten Jahren immer ganz deutliche Niederlagen. Da habe ich wenig Hoffnung, dass sich das für die Borussia am Samstag ändert. Die Bayern können mit einem Sieg Meister werden, dadurch das Ausscheiden in der Champions League etwas in den Hintergrund rücken und auch etwas von den Problemen ablenken, die in München gerade hochkochen. Für den BVB habe ich da wenig Hoffnung.

Ist es doppelt bitter für die Dortmunder, als geschlagener Herausforderer in München anzutreten und dann auch noch für die Meisterschaft Spalier stehen zu müssen?

Das habe ich 1990 selbst erlebt, als wir am letzten Spieltag in München antreten mussten. Den Bayern wurde die Schale übergeben und wir haben auch noch 0:3 verloren. Jetzt ist es ja kein ungewohntes Bild – die Bayern sind seit zehn Jahren Deutscher Meister und die Konkurrenz schwächelt Jahr für Jahr. Und es traut sich niemand, den Bayern überhaupt mal den Fehdehandschuh hinzuwerfen.

Müssten andere Klubs wie der BVB mehr Selbstbewusstsein zeigen?

Ob es Dortmund ist, Wolfsburg, Leverkusen, Gladbach oder Leipzig – vor jeder Saison laufen die Prognosen darauf hinaus, dass sowieso die Bayern wieder Deutscher Meister werden. Es muss sich doch auch mal einer von den anderen großen Klubs hinstellen und sagen, wir wollen dem FC Bayern Paroli bieten und die Phalanx brechen – selbst auf die Gefahr hin, dass es nicht klappt. So etwas würde ich zur neuen Saison dann auch von Leipzig hören wollen, die aktuell für mich die Nummer zwei in Deutschland sind – und nicht Borussia Dortmund.

Das wird man beim BVB nicht gerne hören …

Leipzig hat in zwei Pokalwettbewerben noch gute Chancen auf den Titel. Der Tabellenplatz in der Bundesliga spiegelt es noch nicht ganz wider, aber Leipzig hatte in der Hinrunde auch große Probleme, weil der Trainer nicht zur Mannschaft passte. Aktuell sind sie für mich unter Tedesco klar die zweitbeste Mannschaft hinter den Bayern und ich hoffe und denke, sie haben auch Ambitionen. Bei den Dortmundern habe ich manchmal ein wenig das Gefühl, dass man sich damit abgefunden hat, Zweiter zu werden und damit in der Champions League sicher dabei zu sein. Aber das ist ganz fatal. Und da greift auch nicht das Dauerargument, das Gehaltsgefüge sei so weit auseinander.

Der BVB war mal näher dran, als man unter Klopp zweimal die Schale geholt hat und mit den Bayern im Champions-League-Endspiel in Wembley stand. Was hat die Borussia in den Jahren danach falsch gemacht, dass der Abstand wieder so groß geworden ist?

Das muss man sich klarmachen: Es ist jetzt schon zehn Jahre her, dass der BVB die Meisterschale geholt hat. Das ist für so einen Klub eine unheimlich große Zeitspanne. Ich glaube, wenn Thomas Tuchel als Trainer länger in Dortmund gewesen wäre, hätten die Bayern nicht zehnmal in Folge den Titel geholt. Favre war mal knapp dran, hat dann aber in der Rückrunde alles verspielt. Für mich ist das Problem auch eine Qualitätsfrage der Spieler. Da überschätzen sich einige maßlos, die auf dem Rasen stehen, und haben sich zugleich auf dem zweiten Platz in der Liga gemütlich eingerichtet. Zudem ist es international sehr, sehr wenig, was die Mannschaft erreicht hat. Wie kann man als Borussia Dortmund auf diese Art gegen Glasgow Rangers ausscheiden? Allerdings muss man auch sagen, dass die Bundesliga insgesamt von der Qualität her schon länger nicht mehr das Maß der Dinge in Europa ist. Diesen Rang nimmt jetzt die Premier League in England ein, gefolgt von der Primera División in Spanien. Und da spielen auch die meisten Stars.

Die Stars der Bundesliga kann man teilweise am Wochenende bestaunen: Lewandowski bei den Bayern, Haaland beim BVB.

Lewandowski, Neuer und Müller sind Aushängeschilder der Bundesliga, Haaland mit Abstrichen – für mich ist er noch kein Superstar. Er ist auf dem Weg zur Weltklasse, aber er muss zum Beispiel noch lernen, im Spiel mit seinen Kräften auch über 90 Minuten zu haushalten. Du musst nicht jede Aktion Vollsprint gehen. Und die Diskussion, der gerade über einen möglichen Transfer läuft, ist unsäglich – was für Summen da kursieren. 30 Millionen extra für den Vater von Haaland? Warum und wofür? All diese Dinge sind nicht gut für den Fußball. Außerdem haben die Dortmunder jetzt endlich eine klare Aussage von ihm verdient, ob er geht oder doch noch ein Jahr bleibt.

Haaland in Topform bedeutet zumindest einen Stürmer von Format, insgesamt aber haben Sie an der Qualität der Dortmunder Mannschaft Zweifel anklingen lassen.

Das zieht sich meiner Meinung nach durch alle Mannschaftsteile. Nur Gregor Kobel im Tor würde ich ausnehmen trotz der vielen Gegentore, an denen er aber nahezu komplett schuldlos war. Mats Hummels ist in die Jahre gekommen, Thomas Meunier konnte seine Klasse in zwei Jahren kaum nachweisen. Für die Innenverteidigung kommen Süle und wahrscheinlich Schlotterbeck, aber auch auf der Position des rechten Verteidigers muss unbedingt etwas gemacht werden. Auch links brauchst du einen Back-up für Guerreiro. Schulz kannst du da nicht mehr spielen lassen und der junge Rothe ist eher ein Vorgriff auf die Zukunft. Witsel wird gehen, da brauchst du einen neuen zentralen Defensivspieler. Dahoud und Brandt – schwierig. Bellingham ist zweifellos ein Riesentalent und auf dem Weg zur internationalen Klasse, den würde ich von meiner Kritik etwas ausnehmen. Und vorne hat Malen seine Klasse, die er in Holland gezeigt hat, hier auch noch nicht ganz bewiesen.

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Bleibt die Frage nach der Rolle von Marco Reus.

Auch er kommt langsam in die Jahre, ist aber ein technisch unglaublich versierter Spieler. Er ist einer der wenigen, die die Marke von 100 Vorlagen in der Bundesliga erreicht haben. Das sagt alles über seine Klasse. Aber es wird schwer für ihn, in seiner Karriere noch Deutscher Meister zu werden. Bei ihm und Hummels bin ich gespannt, wie es weitergeht in Dortmund. Wenn sie gesund und fit sind, sind sie eine Bereicherung für jede Mannschaft.

Qualität steht auf der einen Seite, die Einstellung und Mentalität auf der anderen – und die ist auch schon von Marco Rose kritisiert worden.

Der Trainer hat das ja Haltung genannt. Aber Haltung muss ich doch immer haben auf dem Platz! Ich muss mich ordentlich benehmen und ich muss die richtige Einstellung zeigen – und zwar die, dass ich jedes Spiel gewinnen will. Das habe ich einst bei Bayern München gelernt und genau das vermisse ich manchmal ein bisschen bei Borussia Dortmund. Und manchmal nehme ich vielleicht nur einen Punkt mit, aber zumindest verliere ich nicht. Das ist eine Frage von Qualität, aber auch von Mentalität. Und da sind vor allem auch Führungsspieler gefragt.

Sie plädieren also auch für einen großen Umbruch im Sommer?

Es müsste sicher einen großen Umbruch geben, aber das ist ein schwieriges Unterfangen, wenn du noch laufende Verträge hast. Das wird schwierig, gerade beim Umbruch in der sportlichen Leitung von Michael Zorc zu Sebastian Kehl, der damit in große Fußstapfen tritt. Aber du musst mit dem einen oder anderen Spieler wie Can oder Brandt sprechen, wie sie ihre weitere Situation in Dortmund sehen. Und wenn du den Eindruck hast, es passt nicht, musst du mit dem Berater sprechen – auch bei laufenden Verträgen. Ich finde, in Dortmund muss grundsätzlich ein neuer Wind rein, damit wieder alle aufwachen. In dieser Saison gab es Spiele, die konntest du dir ja gar nicht mehr anschauen.

Was muss der BVB machen, um am Samstag bei den Bayern ein ansehnliches Spiel zu zeigen und vielleicht doch nicht ganz chancenlos zu sein?

Wenn du es schaffst, in München mal eine halbe Stunde kein Tor zu kassieren, und die Bayern weiter drücken, dann hast du mit schnellen Spielern wie Haaland und Reus immer wieder die Chance, einen Konter zu fahren. So können die Dortmunder Akzente setzen und auch Tore machen, das haben sie schon bewiesen. Vielleicht ist dann am Samstag eine Überraschung möglich – ich glaube es allerdings nicht.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Michael Rummenigge
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