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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Revierderby als Geisterspiel Coronavirus beschert Wirten Ansturm und Absagen zugleich
Wenn erstmals in der Geschichte das Revierderby ohne Zuschauer ausgetragen wird, wollen über 80.000 Fußballfans das Spiel auf anderem Wege sehen. Das bedeutet noch vollere Kneipen als sonst in Dortmund. Und trotz des erwarteten hohen Ansturms haben Gastronomen ein Problem mit Stornierungen.
Über das anstehende Geisterspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 freut sich zwar niemand. Doch die Entscheidung, das Revierderby aufgrund des Coronavirus unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen, stößt gemeinhin auf Akzeptanz. Auch bei den Dortmunder Gastronomen, die die Partie am Samstag zeigen. "Gesundheit geht vor", sagt etwa Christopher Reinecke, Geschäftsführer des "Mit Schmackes". Voll wird es bei ihm ohnehin: "Wir waren für das Spiel schon seit fünf Wochen ausgebucht. Es werden sich ein paar Leute auf Stehplätze reinquetschen, aber wir müssen noch einen vernünftigen Service gewährleisten können", sagt Reinecke.
Doch wer denkt, dass sich die Betreiber angesichts der Situation vor lauter Umsatz die Hände reiben, irrt gewaltig. Die meisten, die einen Stadionbesuch geplant hatten, bleiben nun auch den einschlägigen Lokalitäten in der Stadt fern. "Alleine für Samstag haben wir knapp 300 Stornierungen", sagt Reinecke aus dem Kneipenrestaurant im Kreuzviertel. Diese beträfen die zwei Reservierungsphasen vor dem Spiel für Stadiongänger plus eine Reservierungsphase nach dem Spiel. "Das bricht uns komplett weg, und die Kollegen haben dieselben Probleme." Dass Rechteinhaber Sky die Konferenzen der nächsten beiden Bundesliga-Spieltage im Free-TV zeigt, wie der Sender am Donnerstagmittag bekannt gab, dürfte zudem einige Fans auf dem Sofa vor dem heimischen Fernseher halten.
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Polizei bereitet sich auf den Einsatz vor
Im "Strobels", das direkt am Stadion liegt, soll der Sicherheitsdienst darauf achten, nicht mehr als 1.000 Gäste einzulassen. Denn eine Ansteckungsgefahr liegt grundsätzlich auch in Kneipen vor. Angst vor einem Ansturm auf ihre Räumlichkeiten herrscht unter den Gastronomen aber nicht. Mit solchen Szenarien beschäftigt sich eher die Dortmunder Polizei. Sie appelliert in einer Mitteilung an die Fans, den Ausschluss der Öffentlichkeit vom Derby "zu respektieren". Die Beamten bereiteten sich "intensiv auf mögliche Einsatzszenarien" vor, "um Auseinandersetzungen oder Störaktionen jeglicher Art zu verhindern", heißt es weiter.
Beim Geisterspiel in Paris, wo der BVB am Mittwoch nach einer 0:2-Niederlage im Achtelfinale aus der Champions League ausschied, harrten Tausende PSG-Anhänger vor dem Prinzenpark aus, zündeten Pyros, Böller und Raketen. Da solche Szenen auch für das Revierderby denkbar sind, forderte der BVB seine Fans auf, am Samstag nicht in die Nähe des Stadions zu kommen. Darüber hinaus lieferte der Abend in Frankreichs Hauptstadt den Borussen einen ersten Eindruck von einer Partie vor leeren Rängen. Die fehlende Stimmung wurde auch vor den Bildschirmen in Dortmunds Kneipen wahrgenommen. "Das Geisterspiel stört uns alle, auch die Gäste", sagt Reinecke. "Ein Revierderby mit Zuschauern macht natürlich deutlich mehr her."
Ur-Borusse Großkreutz von Spielabsagen in 3. Liga betroffen
Das findet auch Kevin Großkreutz, Gesellschafter des Lokals an der Hohen Straße. Der Ur-Borusse habe die Entscheidung zum Revierderby gefasst aufgenommen. Ihn selbst trifft es sogar noch härter: Die 3. Liga, in der der Weltmeister von 2014 für den KFC Uerdingen kickt, hat die beiden kommenden Spieltage verschoben. "Es fehlt die konsequente Einheitlichkeit", moniert Reinecke. Er begrüßt aber, dass die Bundesligaspiele stattfinden. "Da verstehe ich auch den DFB und die DFL angesichts des Termindrucks vor der EM."
Genau wie Reinecke wollen alle befragten Wirte ihre Tore zum Revierderby geöffnet halten. "Wie immer", sagt Burkhard Hüning von der "Torfabrik Sportsbar" in Dortmund-Westrich. Hygienische Vorsichtsmaßnahmen gäbe es nicht intensiver als sonst. "Die sind eh Standard", sagt Hüning. Jeder einzelne Gast sei nun stärker in der Verantwortung. "Wir merken, wenn wir das Papier wechseln, dass sich die Leute deutlich mehr die Hände waschen als vorher", sagt Reinecke. Und ergänzt: "Ich wollte vor ein paar Tagen noch Desinfektionsmittel besorgen, aber es gibt ja nichts mehr. Online ist es voraussichtlich Mitte Juli wieder lieferbar."
- Gespräche mit Dortmunder Wirten
- Pressemitteilung der Polizei
- Eigene Recherche