Chemnitz Mehr Lehrverträgen: Experten sehen Talsohle durchschritten
Der Corona-Krise zum Trotz haben die meisten Jugendlichen dieses Jahr einen Ausbildungsplatz in Sachsen gefunden. 96 Prozent der rund 19.300 gemeldeten Ausbildungsbewerber hätten eine Lehrstelle oder einer Alternative gefunden, konstatierte Klaus-Peter Hansen, Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, am Mittwoch. Aktuell gebe es noch 816 unversorgte junge Menschen. Das seien 14 Prozent weniger als vor einem Jahr und sogar weniger als vor der Corona-Krise, betonte Hansen.
Im Vorjahr war die Zahl der Lehrverträge in Handwerk, Industrie und Handel eingebrochen, nun vermelden die Kammern insgesamt wieder ein Plus. "Die Talsohle scheint durchschritten", erklärte der Präsident der Handwerkskammer Chemnitz, Frank Wagner. Doch gibt es Unterschiede je nach Region und Branche. So konnte im Handwerk nur die Chemnitzer Kammer einen Zuwachs (4,2 Prozent) verzeichnen, während es in den Regionen Dresden und Leipzig Rückgänge von 1,0 und 2,9 Prozent gab.
Bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) wurden dagegen in den Bezirken Dresden (4,6 Prozent) und Leipzig (0,6 Prozent) mehr Lehrverträge als vor einem Jahr geschlossen, während im Raum Chemnitz die Zahl um 2,5 Prozent zurückging. Von einer Trendwende am Ausbildungsmarkt sprach der Dresdner IHK-Präsident Andreas Sperl.
Veränderungen gibt es auch mit Blick auf einzelne Berufe. Deutliche Zuwächse gab es etwa bei Kfz-Mechatronikern sowie Malern und Lackierern, derweil in der Gesundheits- und Körperpflege erhebliche Rückgänge bei Lehrverträgen verbucht wurden. Allein bei Friseuren liege das Minus bei 17,2 Prozent, hieß es. Wagner verwies dabei auf monatelange Schließungen im Corona-Lockdown, aber auch auf weiterhin geltende Hygieneregeln inklusive Mindestabständen, die solchen Betrieben die Ausbildung erschwerten.
Schwere Krisen wie aktuell durch Corona wirkten sich stets auch auf die Berufswünsche der Schulabgänger aus, sagte Hansen. "Sicherheit spielt dann eine signifikant höhere Rolle." Inwieweit sich das aber langfristig auf die Berufswünsche junger Menschen auswirke, könne nicht gesagt werden. Um den Ausbildungsmarkt in der Corona-Krise zu stützen, bieten die Arbeitsagenturen Ausbildungsprämien für Betriebe. Rund 5000 Anträge seien eingegangen und bisher knapp 1800 Prämien ausgezahlt worden - meist, weil zusätzliche Ausbildungsplätze angeboten wurden, wie Hansen betonte. Das Geld fließe erst nach Ende der Probezeit, so dass bald weitere Auszahlungen anstünden.
Bis Weihnachten laufe nun noch die Vermittlung bisher unversorgter Ausbildungsbewerber. Den 816 jungen Menschen stünden dazu knapp 2700 unbesetzte Lehrstellen gegenüber. Zugleich hat für die nächsten Schulabgänger das Rennen um einen Ausbildungsplatz begonnen. "Die Lehrstellenbörsen sind gut gefüllt", erklärte Wagner. Auch Hansen ist zuversichtlich: "Mir ist nicht bang für das nächste Jahr." Es sei gelungen, unter den schwierigen Corona-Bedingungen Alternativen in der Berufsorientierung und -beratung zu entwickeln.