Chemnitz Premiere für Batteriezug: Regel-Einsatz ab Dezember geplant
Mit 60 bis 70 Kilometern pro Stunde steuert Bernd Neumann seinen Zug bei der Premierenfahrt im Erzgebirge. Am Vormittag ist er in Chemnitz gestartet, in Flöha hat der Zug den Stromabnehmer eingezogen und bezieht die Energie seither aus den Batterien auf dem Dach. Etwa die Hälfte der Akkuladung wird für den etwa 17 Kilometer langen Abschnitt bergauf bis nach Zschopau gebraucht. Batteriezüge wie dieser sollen künftig klimaschädliche Dieselmotoren auf Strecken ohne Oberleitung ersetzen. In Sachsen etwa ist das ab 2023 auf der 80 Kilometer langen Strecke zwischen Chemnitz und Leipzig vorgesehen.
Laut Eisenbahnbundesamt sind in Deutschland bisher keine Batteriezüge regulär für das Schienennetz zugelassen. Nach Angaben des Herstellers Alstom soll der am Dienstag in Sachsen vorgestellte Zug vom Typ "Talent 3" jedoch in Kürze eine Zulassung für den öffentlichen Personenverkehr erhalten und ab dem Fahrplanwechsel im Dezember auf Strecken in Baden-Württemberg und Bayern normal fahren. Anlass der Präsentation ist eine Fachkonferenz diese Woche in Annaberg-Buchholz.
Anders als auf der Straße liefert auf der Schiene schon lange Strom bevorzugt Energie, um Züge von A nach B zu bringen. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums werden rund drei Viertel der Zugkilometer hierzulande elektrisch erbracht. Doch dafür brauchen bisherige E-Züge eine Oberleitung und die gibt es nicht überall. Laut Ministerium sind 61 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrifiziert. Auf dem Rest sind vor allem klimaschädliche Dieseltriebwagen unterwegs. Eine Nachrüstung der Strecken wäre teuer, so dass auch für die Schiene an alternativen Antrieben gearbeitet wird. Im Fokus steht dabei neben Batteriezügen auch der Wasserstoffantrieb.
Im Vergleich beider Technologien sehen einige Experten allerdings auf vielen Strecken Batteriezüge im Vorteil. Zum einen ist grüner Wasserstoff bisher nicht in großen Mengen verfügbar, um die Züge klimaneutral zu betreiben. Zum anderen ist der Treibstoff sehr viel teurer als Bahnstrom, wie der Verband der Elektrotechnik (VDE) vor einiger Zeit in einer Studie dargelegt hat. Das eigentliche Problem sei aber die Lebensdauer von Brennstoffzellen, die über einen Zeitraum von 30 Jahren rechnerisch bis zu sieben Mal ausgetauscht werden müssten, rechneten die Experten vor.
Momentan seien etwa 2800 Dieseltriebzüge im Personennahverkehr in Deutschland im Einsatz, die in den kommenden Jahren ersetzt werden müssten, erklärte Ulrich Zimmermann vom Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität Berlin. Eine Analyse habe ergeben, dass bei dem Großteil der betroffenen Strecken die nicht elektrifizierten Abschnitte maximal 40 bis 60 Kilometer lang seien. Dort könnten Batteriezüge ohne größere Umbauten an der Infrastruktur eingesetzt werden, betonte der Wissenschaftler.
"Uns geht es bei der Fahrt heute nicht um Reichweite, sondern darum, die Machbarkeit zu zeigen", betonte Chefingenieur Stefan von Mach am Dienstag. Alstom verspricht bei seinen Batteriezügen eine Reichweite von 100 Kilometern mit einer Akkuladung. Die Züge seien zwar 20 bis 30 Prozent teurer als bisherige Modelle, erklärte von Mach. Auf die Lebensdauer von 30 Jahren rechneten sie sich aber trotzdem für die Bahnunternehmen. Interesse daran gebe es auch aus dem Ausland, etwa Italien, Frankreich und England, hieß es.
Andere Bahnhersteller arbeiten ebenfalls daran, Batteriezüge für den regulären Personenverkehr aufs Gleis zu bringen. So will das Schweizer Unternehmen Stadler 2023 solche Fahrzeuge für den Nahverkehr in Schleswig-Holstein liefern. Die Rede ist von 55 Stück. Im reinen Batteriemodus verspricht das Unternehmen mit seinem "Flirt Akku" eine Reichweite von 80 Kilometern, bei einer Testfahrt soll er aber auch schon mehr als 180 Kilometer weit gekommen sein.