Massenhafter Betrug So zockte ein Karate-Lehrer offenbar dutzende Familien ab
Sie sollten "coole Superhelden-Tricks" lernen, doch wurden wohl viele abgezockt. So führte ein Karate-Trainer mutmaßlich zahlreiche Familien hinters Licht.
Die Trickserie Paw Patrol gehört zu den erfolgreichsten der Welt. Seit 2013 sind zehn Staffeln veröffentlicht worden, mehr als 230 Folgen der tierischen Superhelden laufen im TV und beim Streamingdienst Netflix. In 160 Ländern ist die Serie zu sehen und es gibt wohl kaum ein Grundschulkind, das die Hauptfiguren Marshall, Chase, Rubble, Rocky, Zuma und Skye heute nicht kennen.
Paw Patrol ist angesagt und lässt sich auch deshalb für Werbezwecke vortrefflich nutzen. Das dachte sich offenbar auch ein Karate-Lehrer aus Oldenburg und warb mit "Karate mit Paw Patrol" oder "Kinderspaß mit Paw Patrol". Auch gab es Shows mit dem Titel "Superhelden-Tour". Kinder sollten "coole Superhelden-Tricks" lernen und am Ende eine Urkunde erhalten. Im Kern ging es offenbar darum, Kinder für Kampfsport zu begeistern. Mehrere Veranstaltungen dieser Art hatte der Mann deutschlandweit und auch in Österreich angeboten, doch nur in wenigen Fällen fanden die Termine überhaupt statt.
59 Fälle zur Anklage gebracht
Statt Familien zu entschädigen, behielt der Mann das Geld (pro Karte 28,90 Euro) laut den Vorwürfen für bereits bezahlte Shows ein. Zunächst hatten die "Nordwest-Zeitung" (NWZ) und der "Weserkurier" über den Fall berichtet. Wie die Staatsanwaltschaft t-online auf Anfrage bestätigte, wurde nun Anklage erhoben am Amtsgericht in Oldenburg. Es geht um insgesamt 59 Fälle des Betrugs, sagte Sprecher Thorsten Stein.
Mehr noch: Die Anklagebehörde geht sogar von gewerbsmäßigen Betrugs aus. Laut Gesetz werden damit Taten beschrieben, die über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden und bei denen die Absicht besteht, "durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen".
Staatsanwalt Stein sagte im Gespräch mit t-online: "Der Betrug wurde deutschlandweit durchgeführt, war unserer Auffassung nach geplant und folgte einem Muster". Das alles spiegele sich auch bei der zu erwartenden Strafe wider: Bei einer Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betrugs drohen mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe, Geldbußen sieht das Gesetz bei Fällen, die als "schwer" eingestuft werden, nicht vor.
Beschuldigter spricht von "Personalmangel"
Wie aus verschiedenen Medienberichten hervorgeht, hatte der Beschuldigte die Veranstaltungen tatsächlich deutschlandweit angeboten. Ein Screenshot, den die "NWZ" veröffentlichte, zeigt einen Veranstaltungskalender mit gut 40 Terminen in ganz Deutschland. Mittlerweile ist die Internetseite des Karate-Lehrers nicht mehr aufrufbar – "Die angeforderte Ressource ist auf diesem Server nicht mehr verfügbar", heißt es dort in englischer Sprache. Bilder, die den langen Veranstaltungskalender zeigen, geistern jedoch immer noch durchs Netz.
Der beschuldigte Karate-Lehrer war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Bei Facebook schrieb er vor knapp zwei Wochen jedoch: "Leider werden wir unsere Shows und Events erstmal nicht weiter durchführen. Aufgrund von Personalmangel mussten wir einige Termine absagen und möchten die Kinder nicht weiter enttäuschen." Man werde sich bei den Ticketkäufern melden, "um Lösungen zu finden und werden 2024 eine kostenlose Tour für alle ausgefallenen Termine anbieten".
Gericht entscheidet über Anklagezulassung
In einem weiteren Post schreibt der Veranstalter drei Tage später: "Wir hatten sehr viel Spaß mit euch und den Shows, da aber durch die ausgefallenen Shows ein Verlust eingefahren wurde, dauert es mit der Rückzahlung etwas. Wir sind schon dabei, aber können nicht alle gleichzeitig bedienen."
Ob es letztlich zu einer Verhandlung kommt, entscheidet das Amtsgericht in Oldenburg. Auch steht noch nicht fest, ob alle 59 zur Anklage gebrachten Fälle verhandelt oder ob es am Ende sogar mehr Fälle werden. Wie aus mehreren Medienberichten hervorgeht, könnte die Zahl der betrogenen Kunden weitaus höher sein. Viele, so der Verdacht in den sozialen Medien, hätten den Betrug aufgrund des relativ geringen Ticketpreises gar nicht erst zur Anzeige gebracht.
- Telefonat mit Thorsten Stein, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg
- nwzonline.de: ""Karate mit Paw Patrol" abgesagt – Kunden warten vergeblich auf Rückerstattung" (deutsch, kostenpflichtig)
- nwzonline.de: "Betrug mit Paw Patrol? Karate-Trainer aus Oldenburg in 59 Fällen angeklagt" (deutsch, kostenpflichtig)
- weser-kurier.de: "Superhelden-Tour in Bremen sorgt für Ärger" (deutsch, kostenpflichtig)
- Eigene Recherche