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Ukraine-Krieg: Russland zieht Truppen in Sumy zusammen – Sommeroffensive


50.000 Kremlsoldaten aufmarschiert
Russland nimmt ein neues Ziel ins Visier


04.06.2025Lesedauer: 5 Min.
imago images 0811137761Vergrößern des Bildes
Ein russischer Scharfschütze blickt in der Region Kursk durch sein Zielfernrohr (Archivbild): Russische Truppen rücken in der ukrainischen Region Sumy vor. (Quelle: IMAGO/Sergey Bobylev/imago)
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Die Sorge in der ukrainischen Region Sumy vor einer russischen Offensive wächst. Um Vorstöße aufzuhalten, setzen die Ukrainer womöglich kostbare Waffen aufs Spiel.

Das Frontgeschehen im Ukraine-Krieg wird derzeit von gegenseitigen massiven Angriffen Russlands und der Ukraine weit jenseits der Gefechtslinie überschattet. Seit Wochen erhöhen die Kremltruppen die Schlagzahl und den Umfang ihrer Luftangriffe auf ukrainische Städte: Insbesondere die Hauptstadt Kiew ist zuletzt mehrfach zum Ziel von Drohnenschwärmen und Raketen geworden.

Gleichzeitig setzt der ukrainische Geheimdienst SBU den Kreml mit aufsehenerregenden und potenziell folgenschweren Angriffen unter Druck. Am Sonntag attackierten Drohnen des SBU gleich vier Flugfelder in Russland, die teils Tausende Kilometer hinter der Grenze liegen. Infolgedessen sollen mehrere strategisch wichtige Flugzeuge beschädigt oder zerstört worden sein. Am Dienstag explodierte dann an einem Stützpfeiler der Kertsch-Brücke, die die besetzte Halbinsel Krim mit Russland verbindet, mindestens eine Sprengladung. Wieder bekannte sich der Geheimdienst zu dem Angriff.

Von einer Entwicklung an der Front können die Schläge jedoch nicht ablenken: In der ukrainischen Grenzregion Sumy wächst die Sorge vor einer russischen Sommeroffensive. Laut Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Russland an der Grenze rund 50.000 Soldaten zusammengezogen. Die Kremltruppen haben bereits einige Ortschaften in der Region besetzt.

Sollte Russland den Vorstoß in Richtung der Gebietshauptstadt Sumy fortsetzen, könnte die ukrainische Armee unter großen Druck geraten.

Putin fordert Pufferzone entlang der Grenze

Erst am Dienstag beschoss Russland die Stadt mit Raketenartillerie. Laut Behördenangaben sind dabei sechs Menschen getötet und 24 weitere verletzt worden. Selenskyj schrieb dazu auf Telegram: "Die Russen haben Sumy bestialisch beschossen. Einfach in die Stadt, auf gewöhnliche Straßen, mit Raketenartillerie." Er forderte von der Welt, den Druck auf Russland zu erhöhen.

Der neue russische Vormarsch in Sumy geht auf einen Befehl von Kremlchef Wladimir Putin zurück, der die Schaffung einer Pufferzone entlang der russisch-ukrainischen Grenze angeordnet hatte. Im jüngsten Bericht der Denkfabrik Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington heißt es, das russische Militär scheine seine Bemühungen zu intensivieren, die Frontlinie im Norden des Gebiets Sumy zu erweitern.

Auch das ukrainische Centre for Defence Strategies (CDS) teilt diese Einschätzung: "In Richtung Sumy verstärken die russischen Streitkräfte ihre Bemühungen, die Frontlinie im Norden der Oblast Sumy entlang dreier Vorstoßachsen im Norden und Nordosten der Stadt Sumy auszuweiten." Besonders in Richtung der Ortschaften Adrijiwka, Junakiwka und Myropillya verstärkten die Russen demnach ihre Angriffe.

Eine Eroberung der Gebietshauptstadt durch Russland schätzen beide Expertengruppen derzeit jedoch als unwahrscheinlich ein. Stattdessen verfolge Russland womöglich zunächst das Ziel, so nah an Sumy heranzurücken, dass die Stadt in Reichweite der Rohrartillerie, also etwa Haubitzen, kommt.

Um die gesamte Stadt dauerhaft unter Beschuss nehmen zu können, müssten die russischen Truppen bis auf maximal 15 Kilometer Distanz Richtung Sumy vorstoßen. Bis Ende Mai hat die Militärverwaltung der Region für mehr als 200 Ortschaften Evakuierungsbefehle erlassen.

Video | Ukraine sprengt offenbar Pfeiler von Krimbrücke
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Quelle: t-online

Ukrainische Verteidiger stark ausgedünnt

Nach eigenen Angaben hat die russische Armee mit Andrijiwka am Dienstag einen weiteren Ort in Sumy unter ihre Kontrolle gebracht. Das teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Von ukrainischer Seite wurde die Eroberung des Ortes, der etwas mehr als 20 Kilometer von der Gebietshauptstadt Sumy entfernt liegt, vorerst nicht bestätigt. Laut ukrainischen Militärbeobachtern steht das Dorf weiter unter ukrainischer Kontrolle. Die Frontlinie verläuft jedoch in unmittelbarer Nähe. Seit März sollen rund 120 Quadratkilometer im Grenzgebiet an Russland gefallen sein.

Im Gebiet Sumy stehen den mutmaßlich rund 50.000 russischen Soldaten bereits stark ausgedünnte Reihen ukrainischer Truppen gegenüber. Denn Russland erhöht nicht nur im Nordosten den Druck auf die Verteidiger, sondern auch im Donbass. Infolgedessen hat die ukrainische Militärführung eine Elitetruppe, die 82. Luftlandebrigade, aus Sumy abgezogen und nach Donezk geschickt. Dort soll die Truppe den russischen Vorstoß in Richtung der Stadt Kostjantyniwka aufhalten, einem wichtigen Stützpunkt der Verteidigungslinie im Osten.

Die Ankunft der Brigade und weitere Verstärkungen im Gebiet Donezk haben wohl Wirkung gezeigt: Der russische Vormarsch entlang der Frontlinie zwischen Pokrowsk und Tschassiw Jar verlangsamte sich zuletzt, das Gebiet bleibt aber Schwerpunkt der Kampfhandlungen.

Dennoch hat sich der Druck auf die Ukrainer in Donezk etwas abgeschwächt. In Sumy muss sich die Ukraine wegen fehlender Truppen anderweitig behelfen – und riskiert dafür womöglich wichtiges Kriegsgerät.

Ukraine setzt F-16-Jets nahe der Front ein

Militärbeobachter berichten von einem verstärkten Einsatz von F-16-Kampfjets aus US-Produktion nahe der Front. Die Flugzeuge tragen dabei Gleitbomben des Typs GBU-39 SDB, die ebenfalls aus den USA stammen. Die gelenkten Bomben ermöglichen präzise Schläge gegen die russischen Truppen, die wohl die Vorstöße in Sumy zumindest verlangsamen sollen. Gleichzeitig bringt der Einsatz die wertvollen F-16-Jets in Gefahr, da sie nahe der Front leichter von russischer Flugabwehr erfasst werden können.

Die westlichen Unterstützer haben der Ukraine 85 der Kampfflugzeuge versprochen, bisher jedoch nur wenige geliefert. Drei F-16 wurden zudem bereits von der russischen Luftverteidigung abgeschossen.

Die Analysten der Gruppe Conflict Intelligence Team bezeichnen den Einsatz von F-16 nahe der Front als "überraschend". Ursprünglich seien die Jets als "fliegende Luftabwehr tief im ukrainischen Territorium eingesetzt" worden. Später nutzte die ukrainische Luftwaffe die US-Jets demnach über dem Gebiet Sumy auch als Schutz für MiG-29-Kampfflugzeuge aus Sowjetzeiten, die ihrerseits die gelenkten Bomben abwarfen. Nun führen die F-16 diese Aufgabe wohl allein aus.

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Die Experten ziehen aus dieser Entwicklung folgende Schlussfolgerung: Es sei möglich, dass die ukrainische Luftwaffe "aufgrund der kürzlichen Ankunft neuer Flugzeuge oder aufgrund eines akuten Bedarfs an mehr Feuerkraft begonnen hat, ihre F-16 näher an der Front einzusetzen". Für neue F-16-Lieferungen gibt es aktuell keine offiziellen Verlautbarungen, wohl aber für die russischen Vorstöße im Gebiet Sumy.

Russland versucht, Kiews Truppen auseinanderzuziehen

Militäranalysten zweifeln jedoch daran, dass Russland bei seiner Sommeroffensive den Hauptfokus auf die Region Sumy legen wird. Emil Kastehelmi von der finnischen Analysegruppe Black Bird Group bestätigte die russischen Vorstöße zwar, beschrieb sie im Gespräch mit der ukrainischen Onlinezeitung "The Kyiv Independent" jedoch als "sehr langsam".

Möglicherweise versuche Russland lediglich, einen weiteren möglichen Einfall der Ukraine zu verhindern, so der Experte. Ukrainische Truppen waren im vergangenen August überraschend in die russische Region Kursk eingerückt und hatten dort monatelang Gebiete besetzt.

Die Taktik der Russen scheint dafür zu sprechen. Bisher gibt es von kombinierten Angriffen mit mechanisierten Verbänden und schwerem Kriegsgerät keine Spur. Stattdessen schickt Russland kleine Angriffsgruppen, teils auf Motorrädern oder Quads, die zwar schnell und beweglich sind, aber wenig Durchschlagskraft haben.

Kastehelmi geht aktuell von begrenzten Vorstößen der Russen im Gebiet aus: "Sie könnten versuchen, dort mehr Boden zu gewinnen, vielleicht noch ein paar Dörfer zu erobern, aber es ändert nichts an der allgemeinen Lage, wenn die Russen nur einen kleinen Teil kontrollieren", zitiert ihn "The Kyiv Independent".

Auch wenn die russischen Gebietsgewinne in Sumy derzeit gering sind, stellt der Truppenaufmarsch an der Grenze die Ukrainer vor große Herausforderungen. Solange der Kreml dort 50.000 Mann zusammengezogen hat, müssen die Verteidiger für eine größere Offensive gewappnet sein – und dafür Kräfte binden, die andernorts fehlen könnten. Russland versucht in Sumy offenbar einmal mehr, die Personalprobleme der Ukraine für eigene Zwecke auszunutzen.

Verwendete Quellen

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