Lehrer wehren sich Putin greift schon nach den Kleinsten
Putin will nicht nur auf das Gebiet der Ukraine, er will auch in die Köpfe der Bevölkerung. Deshalb fängt die Propaganda schon bei den Kleinsten an.
Putin will sich die Ukraine einverleiben. Geplant war ein überraschender Überfall und eine Einnahme des russischen Nachbarlandes innerhalb weniger Tage. Doch mittlerweile dauert der zehrende Stellungskrieg mehr als zwei Jahre an. Russland konnte dabei nur Bruchteile der geplanten Fläche einnehmen. Doch dort greift das Regime mit harter Hand durch. Nicht nur bei den aktuell stattfindenden Präsidentschaftswahlen setzt Putin auf Zwang, sondern auch in den Schulen, wie der britische Fernsehsender BBC berichtet.
Demnach hängen etwa in Klassenzimmern im besetzten Melitopol mittlerweile Putin-Bilder an den Wänden, die Klassen müssen die russische Nationalhymne singen und "inspirierende Briefe" an russische Soldaten schreiben – jene Truppen, die entlang der Front ukrainische Wohnhäuser in Schutt und Asche verwandeln und deren Angriffe bereits Zehntausende, auch zivile, Todesopfer gefordert haben. Doch unter den ukrainischen Lehrern in der Region formiert sich Widerstand.
"Verstand der ukrainischen Kinder zu retten"
Die BBC hat mit einer Lehrerin aus der Region gesprochen. Sie wurde durch die russische Invasion aus ihrer Heimat in Melitopol vertrieben und verlor so ihr Zuhause, ihr soziales Netzwerk und ihren Job. Diesen hatte sie zuvor 20 Jahre lang ausgeübt.
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Doch ihre Schüler einfach Putins Propaganda zu überlassen, die ihnen beibringt, dass die Ukraine kein richtiges Land ist, das will sie nicht. Deshalb hat sie mit ihren ehemaligen Kollegen eine Online-Lernplattform gegründet. Sie vollen versuchen, "den Verstand der ukrainischen Kinder zu retten".
Die Lehrer gehen damit auch ein hohes persönliches Risiko ein. "Nach dem Start habe ich einen neutralen Brief geschrieben und allen Eltern den Unterricht angeboten", sagt sie im Gespräch mit der BBC. "Ich wusste nicht, wer pro-ukrainisch oder pro-russisch war, und sie kannten meine Adresse und meine Verwandten". Ein solches Projekt habe es bislang nicht in der Ukraine gegeben.
Hunderte Familien haben sich angemeldet
Dabei ist Vorsicht geboten, denn nach Angaben der Lehrerin kann schon ein falsches Wort, etwa die russische Militärpräsenz als Besatzung zu bezeichnen, zu Problemen führen. Gerne kämen dann Vertreter der russischen Besatzer zu Hause vorbei.
Dennoch hätten sich Hunderte Familien für das Lernangebot angemeldet und es würden immer mehr. Für die Kinder heißt das: morgens Unterricht in der russischen Schule samt Propaganda und abends wird im Online-Unterricht mit den ukrainischen Lehrern weiter gebüffelt. Die Kamera bleibt dabei aus Sicherheitsgründen bei allen ausgeschaltet. Die Stunden werden aufgezeichnet, falls Schülerinnen und Schüler wegen Stromausfällen nicht teilnehmen können.
Der Unterricht drehe sich vor allem darum, die Kinder "mit der ukrainischen Kultur zu verbinden", so die Lehrerin weiter. Auf den Kindern lastet dabei ein enormer Druck, denn vor allem im Grenzgebiet sind die politischen Ansichten durchmischt. Ein Schüler erzählt der BBC, dass in seiner Klasse von 31 Schülern nur sechs die Ukraine unterstützten.
Und wenn es nach der russischen Führung geht, soll dieses Verhältnis doch deutlicher zu Gunsten des Kreml ausfallen. Dafür wird in Russland auch langfristig geplant. So gibt es bereits ein neues Schulbuch, das ab September für alle Schüler zwischen 15 und 18 Jahren in Russland und den besetzten Gebieten verpflichtend sein wird, wie die BBC berichtet. Darin werde die Geschichte des Krieges gegen die Ukraine verfälscht und Schüler zum Eintritt in die Armee aufgefordert. Zu dem Buch gehört auch ein neues Schulfach, das "Grundlagen der Sicherheit und Verteidigung des Vaterlandes" heißen und von ehemaligen Soldaten unterrichtet werden soll.