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Russland kündigt Getreideabkommen auf: "Das sollte nicht wiederholt werden"


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Russland kündigt Getreideabkommen
"Das sollte nicht wiederholt werden"

  • Marianne Max
InterviewVon Marianne Max

17.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Weizenbauer in der ukrainischen Region Dnipropetrowsk: Russland hat angekündigt, dass Getreideabkommen mit der Ukraine nicht erneut zu verlängern. (Archivfoto) (Quelle: Efrem Lukatsky/dpa)
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Was bedeutet das Ende des Getreideabkommens? Agrar- und Entwicklungsexpertin Bettina Rudloff warnt den Westen davor, einen Fehler aus der Vergangenheit zu machen.

Wladimir Putin hat noch vor einem Auslaufen den Stopp des Getreideabkommens verkündet. Aus seiner Sicht seien Versprechen, die Russland im Zuge der Vereinbarung gemacht wurden, nicht erfüllt worden, sagte der Kremlchef bereits am vergangenen Donnerstag – und zog in Erwägung, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Zusagen erfüllt seien.

"Es braucht jetzt ein großes politisches Signal", sagt Bettina Rudloff, Agrarökonomin und Expertin für Handels-, Agrar- und Entwicklungspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Gespräch mit t-online erklärt sie, was hinter den Behauptungen des Kremlchefs steckt – und welchen Einfluss seine Entscheidung nun auf die Welt hat.

t-online: Frau Rudloff, welche Länder sind von dem Stopp des Getreideabkommens besonders betroffen?

Bettina Rudloff: Grundsätzlich sind die Länder betroffen, die Getreide importieren, da die Lebensmittelpreise steigen können, sollte Russland tatsächlich bei seiner Entscheidung bleiben. Das betrifft also alle Importländer auf der Welt, aber ärmere importierende Länder natürlich besonders, da sie die steigenden Preise schlechter zahlen können und ohnehin bereits von Hunger betroffen sind. Darunter sind vor allem afrikanische Länder wie der Sudan oder Libanon, aber auch andere Länder, die auf Ernährungshilfen angewiesen sind wie der Jemen und Syrien.

Das heißt, das Risiko einer Hungersnot ist in diesen Ländern nun besonders hoch?

Es kann sich verschärfen. Denn das Hungerrisiko an sich gab es bereits lange vor der russischen Invasion in die Ukraine. Der Stopp des Abkommens verschärft aber die Situation. Das bedeutet, die westliche Staatengemeinschaft sollte ohnehin mehr Hilfe leisten, aber auch die betroffenen Länder selbst können viel tun und haben das schon gemacht.

Bettina Rudloff
Bettina Rudloff (Quelle: Stiftung Wissenschaft und Politik)

Zur Person

Bettina Rudloff, geboren 1969, arbeitet seit 2008 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in der Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen. Zu ihren Schwerpunkten zählen unter anderem Agrar- Handels- und Entwicklungspolitik sowie Welternährung.

Was heißt das?

Sie haben zum Beispiel zum Teil ihre Zulieferländer diversifiziert. Manche nordafrikanischen Länder haben zuvor kaum Weizen aus Frankreich importiert. Inzwischen tun sie das aber. Andere unterstützen verstärkt ihre interne Produktion, wie Nigeria.

Das bedeutet, es gibt jetzt Alternativen, die es vor dem Abschluss des Getreideabkommens im August 2022 nicht gab?

Es gibt Alternativen. So kann die Produktion weltweit durch steigende Preise angetrieben werden und das geschieht nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt. Das heißt, die Situation jetzt ist nicht grundsätzlich schlechter, als sie zu Beginn des Krieges war, und das ist ja vielleicht schonmal etwas Beruhigendes. Allerdings bestehen eben auch andere Risiken wie Dürren oder Überschwemmungen, die auch die Preise noch hochtreiben können. Und Agrarpreise reagieren sehr schnell auf Mengenänderungen.

Und reichen die Alternativen aus für die Menschen vor Ort?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Generell gilt: Wenn die Preise für Getreide steigen, dann können sich ärmere Länder und ärmere Menschen weniger leisten. Kurzum sind also weitere Anstrengungen nötig, weil es eben ohnehin schon Hunger gibt. Diese sollten unabhängig von dem Abkommen geschehen, da die Preise bereits seit ein paar Jahren deutlich höher als zuvor liegen.

Welche Anstrengungen wären das? Wie kann der Westen auf Putins Entscheidung reagieren?

Wichtig wäre ein ganz großes Signal der EU und anderer Partnerländer an die betroffenen Länder. Das bedeutet, wenn Wladimir Putin bei seiner Entscheidung bleibt, sollte die EU das Signal senden, dass sie sich um Nahrungssicherheit kümmert, wo es nötig ist. Außerdem sollten die Länder auf keinen Fall das tun, was einige am Anfang der russischen Invasion in die Ukraine getan haben: nämlich Exporte aus ihren Ländern zu begrenzen. Es gab damals in vielen Ländern ein Exportverbot auf Agrarprodukte. Das sollte nicht wiederholt werden, weil die Preise dann weiter steigen und sich die Situation verschlimmern würde.

Was braucht es stattdessen?

Es braucht das Signal: Wir kümmern uns, wir sind nicht von Russlands Entscheidung abhängig. So könnte verhindert werden, dass sich Allianzen schüren, dass afrikanische Länder aus verständlicher Sorge um ihre Versorgungssicherheit Schulterschluss mit Russland suchen.

Und welches Signal braucht es an Russland?

Die EU sollte weiter souverän signalisieren, wie sie es bislang auch getan hat: Es gibt keine Sanktionen auf Nahrungsmittel oder Agrarprodukte. Das ist ein wichtiges Signal an Putin. Das bedeutet, EU und Partner sollten nicht klein beigeben, sondern standhalten. Gleichzeitig sollten die ja schon begonnenen Initiativen, wie die Solidaritätskorridore, also alternative Transportwege für das Getreide aus der Ukraine, verstärkt werden. Dafür bedarf es auch nach innen in die EU schon jetzt Überzeugungsarbeit gegenüber osteuropäischen Ländern und deren Märkten, damit das Signal an Russland und versorgungsgefährdete Länder stark und gemeinsam gesendet wird.

Sie sagen, es gibt keine Sanktionen auf Agrarprodukte. Putin aber fordert unter anderem, dass Sanktionen für Russlands Dünge- und Lebensmittelexporte gelockert werden sollten. Lügt er?

Es lässt sich klar sagen: Es gibt keine Sanktionen auf humanitär relevante Produkte wie Nahrung oder Medikamente. Das ist völkerrechtlicher Konsens und daran hält sich die EU. Aber es kann unerwünschte Nebenwirkungen der anderen Sanktionen geben, die etwa zu genereller Handelsverteuerung durch Versicherungen führen können. Und darauf spielt Russland an, generell Sanktionen zu lockern, die eigene Agrarexporte verringern.

Was kann die EU also tun?

Sie sollte in Koalition mit Partnern vor allem das deutliche Signal senden, dass sie sich auch um solche unbeabsichtigten indirekten Auswirkungen der generellen Sanktionen kümmert, dass sie zur Nahrungssicherheit als verantwortungsvoller Akteur beiträgt. Es sollte damit kein Vakuum für Russland überlassen werden, sich als globaler Nahrungsversorger inszenieren zu können.

Frau Rudloff, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Bettina Rudloff
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