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Donald Trump: Psychologie liefert Aufschluss über den US-Präsidenten


Tagesanbruch
Das ist nicht normal

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 03.06.2025Lesedauer: 5 Min.
Mister Trump kommuniziert am liebsten per Social-Media-Post. Da kann ihm keiner widersprechen.Vergrößern des Bildes
Mister Trump kommuniziert am liebsten per Social-Media-Post. Da kann ihm keiner widersprechen. (Quelle: Evan Vucci/AP)
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"Ich weiß, dass ich nichts weiß", wusste Sokrates schon vor 2.400 Jahren, und der wusste allerhand. Mehr jedenfalls als die meisten seiner Zeitgenossen, und vermutlich auch mehr als die meisten heutigen Bescheidwisser. Leider steht der griechische Meisterdenker mit seiner Erkenntnis ziemlich allein auf weiter Flur. Wohin man auch schaut: Allerorten brüsten sich heutzutage Dumpfbacken, deren geistiger Horizont allenfalls bis zur hochgereckten Nasenspitze reicht, ihrer vermeintlichen Großartigkeit – und viele haben damit seltsamerweise großen Erfolg.

Der amerikanische Donald ist ein Paradebeispiel für diese Spezies. Dem Mann mangelt es zwar erkennbar an politischem, wirtschaftlichem und sonstigem Basiswissen, an Empathie sowieso – trotzdem zeigt er sich ernsthaft überzeugt, jedes noch so komplizierte Problem quasi im Vorbeigehen lösen zu können; seien es Kriege, Handelsdefizite oder Flüchtlingskrisen. Dass seine Versuche überwiegend im Fiasko enden, schmälert seine Egomanie nicht im Geringsten.

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Auch hierzulande trifft man auf die Gattung der vermeintlichen Alleskönner. Frau Weidel und Herr Baumann von der AfD zählen unüberhörbar dazu sowie grob geschätzt zwei Drittel der Schreihälse, die TikTok, X und andere digitale Kloaken bevölkern. Aus den Mündern und Accounts schwappt minütlich die unerschütterliche Überzeugung, so ziemlich sämtliche Herausforderungen bewältigen zu können, wenn man sie nur ließe – vom Nahostkonflikt über die Transferpolitik des FC Bayern bis zur Ruckzuck-Diät.

Woran liegt es, dass so viele Einfaltspinsel grenzenloses Selbstbewusstsein entwickeln? Überzeugungen (Mentalität, Glaube, Ideologie), Taktik (Lobbyismus, Manipulation, Demagogie) und Pathologie (Geltungsdrang, Hybris, Narzissmus) mögen eine Rolle spielen, aber das erklärt noch nicht den erstaunlichen Erfolg so vieler Dünnbrettbohrer.

Ein Blick ins psychologische Lehrbuch hilft weiter. Dort lesen wir vom Dunning-Kruger-Effekt, der in der Wissenschaft heiß diskutiert wird und gegenwärtig in vielen Tischgesprächen auftaucht: Er soll erklären, warum in diesen wilden Zeiten so viele minderbemittelte Typen an den Hebeln der Macht sitzen statt all der klugen, vernünftigen und rücksichtsvollen Menschen, die es zweifellos in jedem Land ausreichend gibt.

Die Studie, die David Dunning und Justin Kruger bereits 1999 veröffentlichten, hat es in sich: Die amerikanischen Psychologen fanden heraus, dass Unwissenheit bei vielen Menschen tatsächlich zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. Durch eine kognitive Verzerrung neigen Leute mit geringer Kompetenz dazu, ihre eigenen Fähigkeiten krass zu überschätzen und die Fähigkeiten anderer Personen zu unterschätzen. Kurz gesagt: Dumpfbeutel sind zu blöd, ihre eigene Dummheit zu erkennen, und halten sich deshalb für oberschlau. Um das herauszufinden, hätten wir zwar keine wissenschaftliche Studie gebraucht, aber die akademische Untermauerung stellt die anekdotische Annahme auf eine fundierte Basis.

Vier Defizite haben Dunning und Kruger bei inkompetenten Menschen beobachtet:

  • Diese überschätzen erstens oft ihre eigenen Fähigkeiten.
  • Sie sind zweitens unfähig, ihre intellektuellen Grenzen und das Ausmaß ihrer Inkompetenz zu erkennen.
  • Aufgrund ihrer Ignoranz bemühen sie sich drittens auch gar nicht darum, ihr Wissen zu mehren.
  • Dadurch unterschätzen sie viertens die überlegenen Fähigkeiten anderer Menschen, weil sie schlicht nicht kapieren, wie komplex und anspruchsvoll ein Thema ist.

Das Ergebnis dieses vierfachen Versagens ist eine stupide Blindheit jedem und allem gegenüber. Das ist nicht weiter schlimm, solange die Betreffenden im Gehege ihres friedlichen Alltags verharren. Paart sich die Blindheit jedoch mit ideologischen Hirngespinsten, demagogischer Begabung oder pathologischem Narzissmus, dann wird es gefährlich. Dann kann so eine Person die ganze Welt aus den Angeln heben. Historische Beispiele finden sich zahlreiche, aber der Blick über den großen Teich nach Washington genügt ja schon.

Was genau sich der Donald für heute vorgenommen hat, erfahren wir deshalb nicht aus Regierungserklärungen, Gesetzen oder staatlichen Verträgen, sondern aus seinem Social-Media-Feed auf dem Propagandakanal "Truth Social". Dort beschimpft der Musterproband für den Dunning-Kruger-Effekt sieben Monate nach seinem Wahlsieg immer noch seinen Vorgänger Joe Biden, feuert nach Belieben Behördenleiter, befiehlt der ganzen Welt, ein Trump-Huldigungsbuch zu kaufen, und lässt auch sonst seiner ununterbrochenen Logorrhö freien Lauf.

Viele Zeitgenossen scheinen sich mittlerweile an den täglichen Wahnsinn aus Washington gewöhnt zu haben. Man darf sich aber nicht daran gewöhnen. Er ist nicht normal. Er ist pathologisch. Demokratien werden Strategien entwickeln müssen, Soziopathen künftig aus Staatsämtern fernzuhalten. Andernfalls droht die Weltherrschaft der Idioten.


Ohrenschmaus

Was tun, wenn man Leuten begegnet, die sich unbegründet für Genies halten? Ganz einfach.


Schicksalswahl in Südkorea

Apropos Selbstüberschätzung: Für die südkoreanische Zivilgesellschaft war es ein Schock, als Präsident Yoon Suk Yeol im Dezember vergangenen Jahres buchstäblich über Nacht das Kriegsrecht ausrief. Viele Bürger fühlten sich an die Zeit der autoritären Militärherrscher erinnert, die das Land bis in die 1980er Jahre mit harter Hand regierten. Entsprechend entschieden fiel die Reaktion auf den Putschversuch aus: Es folgten Massenproteste und ein im April abgeschlossenes Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon, der sich nun wegen Hochverrats vor Gericht verantworten muss. Seither lähmt ein monatelanges Machtvakuum die geopolitisch bedeutsame 52-Millionen-Einwohner-Republik im Süden der Atom-Diktatur Nordkorea.

Mit den heutigen Präsidentschaftswahlen soll die Staatskrise ein Ende finden. Als aussichtsreichste Bewerber gehen der Oppositionskandidat Lee Jae Myung von der Demokratischen Partei und der konservative Ex-Arbeitsminister Kim Moon Soo von der regierenden People Power Party ins Rennen, wobei jüngste Umfragen den Linkspopulisten Lee deutlich vorn sehen. Auf den Gewinner wartet als erste Herausforderung die Auseinandersetzung mit Mister Trump. Wie den anderen asiatischen Exportnationen China, Japan und Vietnam hat der US-Präsident auch Südkorea mit Strafzöllen gedroht. Zudem kursieren Berichte, wonach das US-Verteidigungsministerium den Abzug von mehr als 4.000 seiner 28.000 in Südkorea stationierten Soldaten erwägt – sollte Seoul nicht mehr Geld für deren Präsenz bezahlen.


Wichtiges Urteil

Cum-Ex: So heißen die illegalen Deals, bei denen sich Investoren und Banken vom Staat Steuern "erstatten" ließen, die dieser nie erhalten hatte. Zusammen mit seinem bereits inhaftierten Kanzleipartner Hanno Berger perfektionierte der Steueranwalt Kai-Uwe Steck in den 2000er Jahren das Geschäftsmodell. Um rund 428 Millionen Euro soll er den Fiskus betrogen haben. Heute wird im eigens für Cum-Ex-Verfahren gebauten Gerichtsgebäude in Siegburg bei Bonn das Urteil über ihn fallen. Während die Staatsanwaltschaft auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten plädiert, fordert die Verteidigung eine Einstellung des Verfahrens: Sie möchte die umfassende Kooperation des Angeklagten gewürdigt sehen, ohne dessen Aussagen die Aufklärung des Falls deutlich schwieriger gewesen wäre. Straffreiheit oder nur mildernde Umstände? Um 12 Uhr wissen wir mehr.

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Zum Schluss

Wirklich verrückt!

Ich wünsche Ihnen einen stabilen Tag.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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