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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zwischen Studien und Beschwerdestellen Rassismus in der Polizei: So verschieden ist der Umgang
Immer wieder gerät die Polizei wegen Vorwürfen der Diskriminierung in den Fokus der Öffentlichkeit. Doch welche Maßnahmen ergreifen Bund und Länder? Ein Überblick.
Rechtsextreme Chatgruppen, die Weitergabe von personenbezogenen Daten in rechte Kreise oder Racial Profiling, also polizeiliche Maßnahmen, die aufgrund von äußeren Merkmalen bei Verdächtigen vorgenommen werden: Die Polizei ist zuletzt immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten.
Wie mit Vorwürfen zu Rassismus, Antisemitismus oder anderer struktureller Diskriminierung aus den Reihen der Exekutivgewalt umgegangen wird, ist deutschlandweit sehr unterschiedlich. In einigen Bundesländern gibt es Beschwerdestellen und Polizeibeauftragte, die unabhängig ermitteln können – in anderen nicht. t-online fasst die Situation in den Bundesländern zusammen – auch wie viele relevante Fälle in Deutschland überhaupt anfallen.
Die Hälfte der Länder hat eine unabhängige Beschwerdestelle
Um Betroffenen eine Anlaufstelle zu bieten, Delikte innerhalb der Polizei zu verfolgen und um am Ende auch strukturelle Probleme erkennen zu können, gibt es in acht der 16 Bundesländer unabhängige Polizei-Beschwerdestellen. Wenn Polizeibeamte im Dienst sich rassistisch oder anderweitig diskriminierend verhalten, kann dies bei den Stellen gemeldet werden. Die Beauftragten sind nicht der Polizei unterstellt, sondern unterstehen meist den Parlamenten. In Bremen verfügt die Beschwerdestelle zudem über eine Anbindung an einen Beirat, der beratend zur Seite steht. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wollen unabhängige Beschwerdestellen einführen.
In diesen Bundesländern gibt es Beschwerdestellen:
- Baden-Württemberg
- Berlin, Brandenburg
- Bremen
- Hessen (Stelle unbesetzt seit der Schaffung im Jahr 2020)
- Mecklenburg-Vorpommern
- Rheinland-Pfalz
- Schleswig-Holstein
Außerdem werden in einigen Ländern extra Studien durchgeführt, die den Rassismus in der Polizei untersuchen. In Sachsen gibt es eine solche Studie beispielsweise nicht. Aber hier soll laut Koalitionsvertrag ein anderer Mechanismus zum Tragen kommen. Die Regierung will hier sogenannte Kontrollquittungen für Betroffene anlassloser Kontrollen einführen. Diese sollen zum einen die Beamten zur Selbstreflexion bewegen und zum anderen den Betroffenen einen Nachweis der Kontrolle ermöglichen. Bislang liegt dazu jedoch noch kein Entwurf vor.
Beschwerden in Bayern nur direkt bei der Polizei
Anders in Bayern – hier gibt es keine unabhängige Polizei-Beschwerdestelle. Das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger, die sich über das Verhalten von Polizeibeamtinnen und -beamten beschweren möchten, dies direkt bei der Polizei tun müssen. Zudem gibt es in Bayern keine eigene Rassismus-Studie bei der Polizei.
Bei der Bundespolizei wird sich seit März 2024 dem Thema Rassismus anders genähert – mit einem unabhängigen Beauftragten. Dieser ist mit weitreichenden Befugnissen wie Akteneinsicht bei Polizei und Staatsanwaltschaft ausgestattet. Bürgerinnen und Bürger können sich an ihn wenden, wenn es um Beschwerden bezüglich der Bundespolizei oder des Bundeskriminalamtes geht.
Während Polizei oder Staatsanwaltschaft ermitteln, darf der Polizeibeauftragte denselben Fall weiter untersuchen – allerdings nur, wenn er ein "eigenes Erkenntnisinteresse" hat und die übrigen Verfahren nicht gefährdet. Der Fokus liegt auf strukturellen Problemen in den Reihen der Bundesbehörden.
Unabhängige Studie bei der Bundespolizei
Außerdem beteiligt sich die Bundespolizei an der unabhängigen wissenschaftlichen Studie "Rassismus als Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Kontext ausgewählter gesellschaftlicher Gruppen". Diese Studie soll helfen, ein besseres Verständnis für die Problematik zu entwickeln und geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus zu identifizieren.
Nur die Hälfte der Bundesländer verfügt über eine Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger. Wie unterschiedlich die Herangehensweise an die Problematik ist, zeigt der Vergleich zwischen Bayern und der Bundespolizei – aber wie viel haben die Stellen wirklich zu tun?
Rassismus-Beschwerden in Baden-Württemberg
Ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt, dass die Beschwerdestelle durchaus auch genutzt wird. Im Jahr 2020 wurden hier zwei Fälle von Racial Profiling und 13 Fälle von Rassismus gemeldet.
Ein Blick auf die Anzahl der rechtsextremistischen Verdachtsfälle legt ebenfalls Handlungsbedarf nahe. In Baden-Württemberg standen im Jahr 2022 94 Beamtinnen und Beamte in einem solchen Verdacht. In Hessen gab es im Vorjahr 40 rechte Verdachtsfälle, in Rheinland-Pfalz waren es zehn.
Uli Grötsch, aktueller Polizeibeauftragter des Bundes, hat in den ersten drei Amtswochen bereits 70 Beschwerden erhalten. Viele davon würden sich auf Rassismus vonseiten der Polizei beziehen. Allerdings ist Grötsch nur Ansprechpartner für die Polizeibeamten von BKA, Bundespolizei und der Polizei des Bundestages. Rund 30 Prozent der Meldungen kamen von Bediensteten.
- mediendienst-integration.de: "Was tun Bund und Länder gegen Rassismus bei der Polizei?"
- Pressegespräch mit Uli Grötsch, Hartmut Aden, Sermin Riedel, Abdou Rahime Diallo