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AfD und DDR-Museum betroffen: Russische Fakeseiten fälscht Werbung


Posse um Werbung
Putins Propaganda wird zur Farce

  • Lars Wienand
Lars Wienand, Stefan Steurenthaler

27.03.2025Lesedauer: 4 Min.
Werbung: Auf russischen Fakeseiten finden sich vorgebliche Anzeigen für Tassen im Shop des DDR-Museums und für die AfD-Fraktion mit Verlinkung dorthin.Vergrößern des Bildes
Werbung: Auf russischen Fakeseiten finden sich vorgebliche Anzeigen für Tassen im Shop des DDR-Museums und für die AfD-Fraktion mit Verlinkung dorthin. (Quelle: Screenshot, Montage: ha)
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Die russische "Doppelgänger"-Kampagne zur Desinformation geht auf ihren Seiten neue Wege: Zwischen den Artikeln gibt es jetzt auch Anzeigen. Die vermeintlichen Nutznießer der Werbung dürften wenig davon haben.

Die Sache ist etwas paradox: Jeden Tag neue Texte, die fast niemand liest, auf Seiten, die kaum jemand kennt. Auch für wenig Publikum geben sich die Macher einer seit 2022 laufenden russischen Desinformationskampagne nun noch mehr Mühe: Jetzt täuschen sie vor, dass auf ihren Seiten auch Anzeigen aus Deutschland geschaltet werden.

Der großangelegte Versuch, die Meinung in Russlands Sinn zu beeinflussen, begann nach Russlands großflächigem Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022 und ist unter dem Namen "Doppelgänger" weltweit bekannt. Seither verbreiten gefälschte Accounts in sozialen Netzwerken in Beiträgen und Antworten Links zu Internetseiten, die täuschend dem Aussehen renommierter Medien ähneln und auch ganz ähnliche Adressen haben, wie t-online aufdeckte und der Facebook-Mutterkonzern Meta schließlich bestätigte. Daher auch der Name "Doppelgänger".

Der Inhalt hingegen gibt russische Propaganda wieder, soll Zwietracht im Westen säen und Parteien der politischen Ränder stärken. In einem Leak aus dem Austausch zwischen dem Kreml und Verantwortlichen einer beteiligten Firma heißt es in der Beschreibung sogar zur AfD: "Wir unterstützen die Partei mit allen Mitteln." US-Justizbehörden hatten die Dokumente veröffentlicht.

Jetzt macht Russland auf einer Fake-Seite buchstäblich Werbung für die AfD-Fraktion im Bundestag. Die AfD wusste nach ihren Angaben davon nichts, und es gibt trotz Russland-Nähe keine Anhaltspunkte, dass sie eingebunden war. Ein Sprecher der Fraktion teilte t-online mit, man habe die Anzeige weder in Auftrag gegeben noch sei die Seite bekannt gewesen, auf der sie nun zu sehen ist. Dabei handelt es sich um keine der klassischen Doppelgängerseiten in Optik renommierter Medien. Neben diesen Klonen hat "Doppelgänger" auch neue eigene Seiten erstellt, die vorgeben, Nachrichtenseiten zu sein.

Konstituierende Bundestagssitzung im Livestream

Die deutschen Varianten tragen Namen wie grenzezank.com, derbayerischelowe.info oder deintelligenz.com. Diese sind hier genannt, weil sie bereits wieder offline oder sogar vom FBI beschlagnahmt wurden. Unter anderen Namen geht es weiter.

Sie veröffentlichen in der Regel täglich Texte, die die Parteien aus dem demokratischen Spektrum und die Ukraine schlecht aussehen lassen. Eine der Seiten, die sich dem Namen nach auf Wirtschaft fokussiert, stellt auch die "Pleite der Woche" vor. Auf einer anderen Seite, deren Name an den Wahl-o-Mat angelehnt ist, konnte am Dienstag in einem Livestream auch die erste Sitzung des neuen Bundestags verfolgt werden. Das Video der Bundestagsverwaltung war dazu eingebettet.

Auf mindestens einer dieser Seiten ist auch die Reklame für die AfD zu sehen. Das Werbemittel ist mit rudimentären Mitteln eingebunden. Für die Anzeige wurde ein Bild der Titelseite des Fraktionsmagazins "Fraktion Kompakt" als Bild-Datei auf die vermeintliche "Nachrichten"-Seite hochgeladen und mit einem Link versehen, der zur AfD führt. Es gibt keine Funktionen, die ein Werbetracking und damit eine Erfolgskontrolle ermöglichen.

Einziger Klick auf die Anzeige kam von t-online-Recherche

Allerdings erlaubt Google Analytics vielen Seitenbetreibern, zu ermitteln, von welcher Seite ein Besucher zu ihr gekommen ist. Die AfD-Fraktion machte dazu keine Angaben. Ein anderer vermeintlicher Nutznießer einer solchen Anzeige ist da kooperativer – das DDR-Museum in Berlin: Dessen Direktor Gordon Freiherr von Godin sagte t-online: Aus den Daten zum Online-Shop sei ersichtlich, dass in diesem Jahr ein Referral von der angegebenen Seite gekommen sei. Das bedeutet, dass nur ein Besucher im Shop auf den Link geklickt hat. Und dieser Klick war Teil der t-online-Recherche.

Es hat demnach kein normaler Leser auf die Anzeige geklickt, die mobil unter allen Artikeln auf einer Seite aus dem "Doppelgänger"-Netzwerk eingeblendet wird und am Desktop neben Artikeln. Darauf zu sehen ist eine Tasse aus dem Shop der Touristenattraktion, deren Eigenschreibweise "DDR Museum" ist und die das Alltagsleben in der DDR erlebbar macht. Mit einem Verhör- und einem Spitzelraum und einer Arrestzelle thematisiert es auch die Arbeit der Staatssicherheit.

Bis zur Anfrage von t-online habe das Museum die Werbung nicht gekannt und ihr natürlich auch nicht zugestimmt, so von Godin. Die Seite gibt vor, Themen aus oder für Ostdeutschland zu behandeln, deshalb erschien den Machern der Seite Werbung für "DDR-Motive" mutmaßlich als passend. "Das Motiv der Anzeige zu unserem Shop könnte sie auch angesprochen haben." Eingebunden ist eine Email-Tasse, die das Museum für 15 Euro anbietet. Darauf steht in kyrillisch anmutenden Buchstaben "Brotherkiss".

Abgebildet sind Erich Honecker und Leonid Breschnew beim Bruderkuss am 5. Oktober 1979, als DDR und UdSSR im Rahmen des 30-jährigen Bestehens der DDR ein Wirtschaftsabkommen abschlossen. Die Tasse sei seit 2018 im Sortiment und werde eher in ironischer Absicht gekauft, vermutet von Godin: Der kommunistische Bruderkuss stehe für ihn persönlich für eine alte Welt und ist ein Symbol der Vergänglichkeit.

Das Motiv erlangte besondere Bekanntheit, nachdem der aus Russland stammende Künstler Dmitri Wrubel es nach dem Mauerfall auf ein Stück der Mauer gemalt hatte. Er gehörte zu den 118 Künstlern aus 21 Ländern, die die Mauer auf einer Länge von 1.316 Metern gestalteten und so in Berlin die East Side Gallery schufen.

Deutlich weniger geschichtsträchtig ist eine dritte Anzeige, die t-online auf den Fake-Seiten finden konnte: Es bewirbt eine inzwischen abgelaufene Aktion eines Onlinehandels für Lebensmittel aus Überproduktion und mit kurzem Resthaltbarkeitsdatum: Neukunden sollten dort eine Packung Fusilli bekommen. Wer den Link klickt, landet auf einer deutschen Fehlerseite des Unternehmens aus Schweden. Auf eine Anfrage reagierte die Zentrale nicht.

Der Sinn der Anzeigen kann eigentlich nur darin liegen, dass die Seitenbetreiber ihr vermeintliches Medienangebot durch sie authentischer wirken lassen wollen. An reguläre Anzeigen ist für die Betreiber nicht zu denken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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