Bayerische Ministerpräsidenten: Blau-weiße Halbgötter
Elf Männer regierten den Freistaat Bayern seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Keiner allerdings kürzer als Fritz Schäffer (l.), ein Gründungsmitglied der CSU: Ende Mai 1945 hatte die US-Militärverwaltung den katholischen Juristen als Ministerpräsidenten des besetzten Bayerns eingesetzt, knapp vier Monate später enthoben die Amerikaner den ehemaligen Vorsitzenden der 1933 auf Druck der Nazis aufgelösten Bayerischen Volkspartei allerdings wieder seines Amtes. Schäffer, den die Gestapo nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 ins Konzentrationslager Dachau gesperrt hatte, war ausgerechnet einer seiner wichtigsten Aufgaben zu zögerlich nachgekommen: Nationalsozialisten und deren Sympathisanten aus dem Staatsdienst zu entfernen. Seit 1949 machte der Jurist hingegen eine bundespolitische Karriere. Schäffer wurde der erste Finanzminister (Foto von 1956) der jungen Bundesrepublik, später bekleidete er das Amt des Justizministers in Bonn.
Als Nachfolger wählten die Amerikaner Wilhelm Hoegner (sitzend) aus, ebenfalls Jurist. Anders als das CSU-Mitglied Schäffer war Hoegner allerdings Sozialdemokrat. 1934 war Hoegner aus Furcht vor den Nazis ins Exil in die Schweiz gegangen und nach der deutschen Kapitulation zurückgekehrt. 1946 bildete er eine Regierung aus Mitgliedern von SPD, KPD und CSU. Für die bayerische Nachkriegsgeschichte ist er aber auch aus einem anderen Grund von Bedeutung: Als Vorsitzender des Vorbereitenden Verfassungsausschusses war Hoegner federführend für die Entstehung der neuen bayerischen Verfassung verantwortlich, die am 8. Dezember 1946 in Kraft trat. Ihre Grundlagen hatte der Exilant Hoegner bereits in seiner Zeit in der Schweiz vorbereitet, weshalb er auch als "Vater der bayerischen Verfassung" gilt. Als die Bayern ebenfalls im Dezember 1946 einen freien Landtag wählten, endete die Regierungszeit Wilhelm Hoegners: Die CSU wurde stärkste Kraft und stellte den neuen Ministerpräsidenten.
Wer das Amt des neuen Ministerpräsidenten allerdings seitens der CSU besetzen sollte, war in der Partei hoch umstritten. Eigentlich kam dem eher progressiven Parteivorsitzenden Josef Müller, "Ochsensepp" genannt, diese Position zu. Da in der Partei allerdings heftige Richtungskämpfe tobten, verhinderte der konservative Flügel seine Wahl. Vor allem verübelten dessen Anhänger Müller, dass er die Etablierung eines bayerischen Staatspräsidenten mithilfe der SPD verhindert hatte. Letzten Endes wurde so der konservative Hans Ehard (l., spätere Aufnahme) zum ersten frei gewählten bayerischen Ministerpräsidenten der Nachkriegszeit. Ehard regierte bis 1954 in wechselnden Koalitionen, auch unter Einbezug der SPD. Bis die Sozialdemokraten 1954 noch einmal die Regierungsmacht in Bayern errangen.
Bei den Landtagswahlen 1954 wurde die CSU zwar stärkste Kraft, dem früheren Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (Aufnahme von 1977) gelang es, eine Koalition aus Sozialdemokraten, Bayernpartei, FDP und der Vertriebenenpartei Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) zu bilden. Die CSU ging in die Opposition – zum ersten und bislang einzigen Male in ihrer Geschichte. Wilhelm Hoegner ist dagegen bis heute der einzige Ministerpräsident Bayerns, der nicht der CSU angehörte.
Denn 1957 verließen Bayernpartei und BHE die Regierung unter Wilhelm Hoegner. Hanns Seidel (vorne), der die CSU bis dahin im Landtag als Oppositionschef anführte, bildete eine neue Koalition mit BHE und FDP, die Bayernpartei blieb hingegen außen vor. In Seidels Regierungszeit erschütterte ein Skandal diesen größten landespolitischen Gegner der CSU: In der sogenannten Spielbankenaffäre wurden bekannte Politiker der Bayernpartei zu hohen Strafen verurteilt. Seidel trat 1960 allerdings bereits wegen gesundheitlicher Probleme als Ministerpräsident zurück. Sein Vorgänger Hans Ehard übernahm für die verbleibende Zeit der Legislaturperiode bis 1962.
Eine große politische Karriere hatten wenige Beobachter Ehards Nachfolger Alfons Goppel (v. r.) zugetraut. 1950 ging Goppel bei der Wahl zum Landtag leer aus, sechs Jahre später scheiterte er bei der Abstimmung zum Würzburger Bürgermeister. 1962 war der Jurist allerdings am Ziel und wurde – zu seiner eigenen Überraschung – bayerischer Ministerpräsident. Franz-Josef Strauß titulierte ihn etwas respektlos als "brauchbare Wahl". Allerdings verdankt die CSU Goppel, der Bayern insgesamt 16 Jahre regieren sollte, das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte: 62,1 Prozent holte die Partei 1974 bei der Landtagswahl. Vier Jahre später übernahm dann ein anderer CSU-Politiker das Amt des Ministerpräsidenten.
1978 wurde einer der umstrittensten und zugleich bewundertsten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte bayerischer Ministerpräsident: Franz-Josef Strauß. Strauß (hier 1969 mit seiner Tochter Monika) war eigentlich leidenschaftlicher Bundespolitiker, bekleidete unter anderem das Amt des Verteidigungs- und Finanzministers. Weil in dieser Zeit allerdings in Bonn die SPD zusammen mit der FDP regierte, übernahm der CSU-Chef das Amt des Ministerpräsidenten in Bayern vom lang gedienten Alfons Goppel. Dieses Sprungbrett wollte er 1979 nutzen, um das Kanzleramt für die Union zu gewinnen: Strauß ließ sich zum Spitzenkandidaten von CDU und CSU wählen und scheiterte 1980 kläglich. Bei seinem Tod 1988 war Strauß noch umstrittener als bei seinem Amtsantritt. Er setzte gegen den Widerstand von Umweltschützern den Bau des hoch umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanals durch, angesichts seiner Begeisterung für die Nutzung der Atomkraft sollte in Wackersdorf eine Wiederaufbereitungsanlage entstehen. Strauß pflegte zudem eine spezielle Art einer bayerischen Außenpolitik, indem er zum Beispiel eine innige Freundschaft zum Diktator des Togo hatte. 1983 verstörte Strauß schließlich auch loyale Anhänger, indem er einen Milliardenkredit der Bundesrepublik an die DDR vermittelte. Fünf Jahre später starb Strauß im Amt.
Nach Strauß’ Tod übernahm sein Stellvertreter Max Streibl das Regierungsamt. (2. v. r., 1990 bei den Passionsspielen in Oberammergau). Streibl absolvierte keine einzige Legislaturperiode in voller Länge. Zunächst ersetzte er seinen verstorbenen Amtsvorgänger, dann erschütterte die sogenannte "Amigo-Affäre" Bayern und die CSU. Der Vorwurf: Streibl soll in der Vergangenheit Urlaub auf Kosten eines Flugzeugbauers gemacht haben, für dessen Interessen er sich als Ausgleich eingesetzt habe. Die CSU stürzte in den Umfragen ab, die Parteifunktionäre wollten Streibl los werden. Dieser wehrte sich auf spektakuläre Weise: Streibl präsentierte im Parteivorstand einen Koffer und warnte: "Hier drin befindet sich brisantes Material – über jeden von euch!" Erfolglos, 1993 trat Streibl zurück.
Ein Nachfolger stand schon bereit. Edmund Stoiber (mit Taktstock), einstiger Generalsekretär unter dem CSU-Übervater Franz-Josef Strauß und unter Streibl Innenminister. Stoiber ging ein gewisser Ruf voraus, einst wurde ihm der Spitzname "das blonde Fallbeil" verpasst. Der Jurist stabilisierte das Ansehen der CSU nach der "Amigo-Affäre" wieder, bei der Landtagswahl 1994 holte er mit 52,8 Prozent die absolute Mehrheit, vier Jahre später mit 52,9 Prozent erneut. 2003 erzielte er seinen größten Triumph: Mit 60,7 Prozent erreichte die CSU die absolute Mehrheit. Vierzehn Jahre lang sollte Stoiber Bayern regieren, überregionale Bekanntheit erlangte er vor allem durch zwei Ereignisse. 2002 machte er es Franz-Josef Strauß nach und kandidierte als Bundeskanzler. Wie sein Vorgänger scheiterte Stoiber allerdings. Auch ein anderes Lieblingsprojekt Stoibers kam nicht zur Verwirklichung: Eine Transrapid-Verbindung zwischen Münchner Hauptbahnhof und Flughafen. Eine diesbezügliche Rede Stoibers sorgt bis heute für Erheiterung: "Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München...".
Ein Gespann unter dem bisherigen Innenminister Günther Beckstein und Finanzminister Erwin Huber drängte Edmund Stoiber 2007 zum Rücktritt. Günther Beckstein, hier 2008 als Patrona Bavariae ganz in grün zu sehen, wurde neuer Ministerpräsident. Allerdings nur für kurze Zeit: 2008 verlor die CSU bei der Landtagswahl mit 43,4 Prozent nicht nur die zuletzt von Edmund Stoiber erreichte Zweidrittelmehrheit, sondern auch die absolute Mehrheit. Diese hatte die Partei seit 1962 Wahl für Wahl verteidigt. Damit kam das Aus für Beckstein.
Horst Seehofer, ehemaliger Bundesminister für Gesundheit wie auch später für Landwirtschaft übernahm das Ministerpräsidentenamt und wurde zudem Vorsitzender der CSU. Um weiter regieren zu können, war Seehofer angesichts des Wahlergebnisses von Günther Beckstein auf eine Koalition mit der FDP angewiesen. Dem neuen Regierungschef gelang es, wieder bei den Wählern zu punkten. Bei der Wahl 2013 errang sie 47,7 Prozent und konnte wieder allein regieren. Dem bisherigen Partner FDP gelang es nicht, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Seehofers Regierungszeit war geprägt von der Rivalität zu seinem Finanzminister Markus Söder. Im März 2018 war dieser am Ziel: Seehofer gab das Amt ab und wechselte später als Minister des Inneren, für Bau und Heimat nach Berlin.
Seit dem 16. März 2018 amtiert Markus Söder (r.) als bayerischer Regierungschef. Nun muss er sich nach etwas mehr als einem halben Jahr Amtszeit am 14. Oktober 2018 dem Wählervotum stellen. Landesweit und auch im gesamten Bundesgebiet sorgte Söders Politik bereits für Aufsehen und auch Kritik: So nicht zuletzt der Kreuz-Erlass, der in jedem Gebäude der Landesbehörden ein Kreuz im Eingangsbereich vorschreibt. Als "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns", so die Begründung im Text des Erlasses.